Dreizehn: Luize

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Vollbeladen mit meinen Weihnachtseinkäufen betrete ich den Flur. Gary kommt mir schon mit dem Schwanz wedelnd entgegen. Ich stelle die Tüten ab, wasche meine Hände und füttere den kleinen Welpen, der eigentlich schon gar nicht mehr so klein ist. Papa muss heute mal wieder länger arbeiten, sogar am neunzehnten Dezember, kurz vor Heiligabend, ist er bis spät in die Nacht unterwegs. Ich seufze und bringe meine Einkäufe in mein Zimmer. Genervt setze ich mich an den Schreibtisch, um schnell noch die Hausaufgaben für morgen zu erledigen. Nach einer guten Stunde habe ich jedoch keine Kraft mehr, auch den Rest zu erledigen. Das mache ich morgen früh. Ich mache mich bettfertig und stelle den Wecker ein paar Minuten eher, um die Aufgaben noch vor der Schule zu schaffen. Kaum liege ich im Bett, bin ich auch schon im Land der Träume versunken.

Die restlichen Tage vor Weinachten verbrachte ich damit, die Geschenke für meine Familie einzupacken und die für Olivia und Diana zu basteln. Wir schenken uns jedes Jahr etwas Selbstgemachtes, da wir das viel persönlicher finden, als einfach nur irgendetwas zu kaufen und es in eine Geschenktüte zu werfen. Dieses Jahr habe ich einfach ein Fotoalbum gestaltet, mit allen möglichen Fotos aus den letzten acht Jahren. Auf der letzten Seite habe ich jeweils ein Foto von uns und One Direction aufgeklebt, denn es ist das neuste Foto von uns. Ich habe zu jedem Bild noch einen kurzen Kommentar geschrieben. Bei dem ersten Foto aus der fünften Klasse, auf dem wir mit Kussmund in die Kamera schauen, die wir hoch über unsere Köpfe halten zum Beispiel: „Damals schon echte Models und der Traum aller Jungs." Für das Foto mit den Jungs wollte mir allerdings kein passender Kommentar einfallen, weshalb ich einfach schrieb: „Hier sehen Sie die berühmteste Boyband Großbritanniens, die zwei größten Directioner der Welt und ein fünftes Rad am Wagen." Dahinter malte ich noch ein lächelndes Gesicht. Zu diesem Bild legte ich außerdem noch jeweils eine Karte für die Up All Night Tour der Jungs, die sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatten. Auf das Cover des Albums schrieb ich einfach: „Eight amazing years. I love you"

Auch das Geschenk für die Jungs hatte ich weitgehend fertiggestellt. Da Papa und ich am sechsundzwanzigsten Dezember wieder zurück sein werden, werde ich noch genug Zeit haben, es einzupacken. Die Jungs bekommen eine kleine Box mit ein paar Fotos von uns, ein paar Erinnerungen und einem Netflixgutschein geschenkt. Und mit vielen Süßigkeiten. Die Idee finde ich ganz niedlich, und sie ist selbstgemacht, was ja schließlich immer besser und vor allem persönlicher ist als etwas Gekauftes.

Heute ist Freitag, der dreiundzwanzigste Dezember und ich sitze neben Papa im Flugzeug nach Deutschland. Draußen geht bereits die Sonne unter. Ich lehne mich an das kleine Fenster und beobachte, wie die Maschine langsam abhebt und alles unter mir kleiner wird. Ich hoffe, Gary geht es gut. Es ist der erste Flug für ihn und obwohl er noch ein Welpe ist, durfte ich ihn nicht in den Passagierraum mitnehmen. Er muss jetzt im Bauch des Flugzeuges sitzen, ganz alleine. Ich spüre, wie die Tränen in meinen Augen aufsteigen. Beruhige dich, Luize. Der Flug dauert nur eine knappe Stunde, ich bin mir sicher, dass er das locker überstehen wird. Gary ist schließlich kein Angsthase., versuche ich mir selbst Mut zuzusprechen, was erstaunlicherweise funktioniert.

Mein Vater ist in irgendeine Zeitung vertieft, weshalb ich beschließe, einfach Musik zu hören. Ich schalte mein Handy an und setze meine Kopfhörer auf. Meine Lieblingslieder habe ich zum Glück schon heruntergeladen, so kann mein Handy im Flugmodus bleiben. Ich will schließlich nichts riskieren. Meine Laune verbessert sich sofort, als ich „Let it be" einschalte. Wahrscheinlich bin ich die Einzige, die noch die Beatles hört, aber irgendwie gefällt mir ihre Musik. Nicht nur irgendwie, ich liebe sie.

„Circles, we're going in circles. Dizzy's all it makes us. We know where it takes us. We've been before.", ertönt auf einmal Harrys Stimme aus meinen Kopfhörern. Erschrocken blicke ich auf mein Handy. „Same Mistakes, One Direction." Was macht das denn hier?, frage ich mich und will das Lied schon löschen. Mein Finger schwebt über dem kleinen Mülleimer neben dem Song, aber ich bringe es nicht übers Herz, draufzudrücken. Ich lasse es sein und ertrage es einfach bis zum Ende. „So we play, play, play all the same old games. And we wait, wait, wait for the end to change...", ertönt gerade zum dritten Mal, als mein Vater mich am Arm rüttelt. „Luize, sing bitte nicht so laut mit, du störst die Gäste.", sagt er und sieht mich grimmig an. Ich spüre, wie ich rot werde. Ich hab doch nicht... Oder doch? Nein, niemals, ich kann doch eigentlich nicht mal den Text. Ich murmele eine leise Entschuldigung und drehe die Musik leiser.

One Direction - Five Amazing YearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt