Dreiundzwanzig: Luize

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Mit einem Stück Wassermelone in der Hand sitze ich auf dem Kirschbaum im Garten meines Vaters. Um mich herum schwirren ein paar Fliegen und Wespen, die es auf den Snack in meiner Hand abgesehen haben. Aber sie stören mich nicht, ganz im Gegenteil, sie gehören zu meinem neuen Lieblingsplatz einfach dazu. Ich frage mich, warum ich nicht schon viel früher auf die Idee gekommen bin, auf diesen Baum zu klettern, aber vor ein paar Wochen kam mir zum Glück genau dieser Einfall. Von hier oben kann man nämlich alles beobachten, wird aber selbst nicht entdeckt. Der einzige Nachteil ist, dass es gerade nichts zu sehen gibt. Aber warum? Es ist schließlich wunderschönes Wetter, die Sonne scheint und keine Wolke ist zu sehen.

Mit einem Seufzen lehne ich mich gegen den dicken Baumstamm. Es ist Anfang Juli und ich verbringe meine Zeit damit, auf einem Baum zu hocken und nichts zu tun. Seit ein paar Wochen habe ich jetzt sein sehr gutes Abschlusszeugnis in der Hand, mit dem ich mich an allen möglichen Universitäten bewerben könnte. Könnte. Vielleicht hätte ich mir früher überlegen sollen, womit ich mal mein eigenes Geld verdienen will, aber ich war nie gut darin, diese Frage zu beantworten. Während Olivia und Diana schon immer genau wussten, was sie einmal werden wollen, habe ich meine Meinung jede Woche geändert. Ich bin stolz auf meine besten Freundinnen, im Herbst werden sie anfangen, in Oxford zu studieren, Olivia Kriminologie und Diana bildende Kunst. Das Problem ist nur, dass Oxford über eine Stunde von hier entfernt ist, weshalb die beiden nur an den Wochenenden nach London kommen werden. Außerdem habe ich dann niemanden, mit dem ich Zeit verbringen kann. Aber jetzt ist es zu spät, sich für das kommende Semester an einem College zu bewerben, und ich weiß ja immer noch nicht, was ich aus mir machen will.

Vielleicht sollte ich mich mal wieder bei Logan melden. Ich verziehe das Gesicht. Kaum bin ich von der Tour zurück gewesen, habe ich ihm geschrieben. Aber irgendwann ist der Kontakt einfach abgebrochen, von heute auf morgen hat er sich nicht mehr gemeldet. Die bis dahin tägliche Guten-Morgen-Nachricht blieb aus. Es war also doch keine Liebe auf den ersten Blick.

Gary kommt aufgeregt in den Garten gerannt. Er wedelt mit dem Schwanz und sieht vom Boden zu mir hinauf. „Fällt dir noch jemand ein, mit dem ich demnächst Zeit verbringen könnte?", frage ich den Labrador. Er setzt sich hin und zwinkert mir zu. „Du hast recht, vielleicht haben die Jungs jetzt auch mal wieder Zeit." Seit der Tour mit Big Time Rush habe ich sie nicht mehr gesehen. Denn nachdem sie Mitte März zurückgekehrt waren, hatte das Management kurzfristig beschlossen, die „Up all night Tour" zu verlängern. So machten die Jungs drei Wochen Pause, in der sie neue Songs aufnahmen und ihre Familien besuchten, flogen für zweieinhalb Wochen nach Australien und Neuseeland. Das Ganze wiederholte sich ein weiteres Mal, nur, dass sie dann über einen Monat in Nordamerika waren. Ich war in der Zwischenzeit so sehr mit Prüfungen beschäftigt, dass sich einfach keine Zeit fand, die Jungs zu treffen, wir konnten nur ab und zu telefonieren. Und ich muss zugeben, dass ich diese Boyband an meiner Seite mittlerweile wirklich vermisse.

Ich lege den Kopf in den Nacken. Schräg über mir hat eine Amsel ihr Nest gebaut, aus dem jetzt vier winzige Küken schauen. Sie hat dieses Jahr bestimmt schon dreimal gebrütet, aber erst, seitdem ich den Platz auf dem Ast entdeckt habe, kann ich mir den Nachwuchs aus der Nähe ansehen. Die kleinen Babys bekommen langsam Federn und wachsen gefühlt mehrere Zentimeter am Tag, was aber auch kein Wunder ist, bei der Menge, die sie fressen. Auch jetzt reißen sie hungrig ihre Schnäbel auf und betteln um Futter. Die Eltern sind die ganze Zeit auf Achse, fliegen von A nach B um ihre Kinder zu versorgen, die fordernd zwitschern. Es ist wirklich jedes Mal erstaunlich, dass aus einem winzigen Ei ein viel größerer Vogel wird.

Aufgeregt scharrt Gary am Baumstamm. Wahrscheinlich hat er sein Spielzeug entdeckt, das bei meinem letzten fehlgeschlagenen Wurf auf dem Baum gelandet ist. Ohne den Blick von dem Nest zu lösen, greife ich nach dem Ball und werfe ihn nach unten.

One Direction - Five Amazing YearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt