Dreiunddreißig: Niall

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Seit der Pause mit Danielle hat sich Liam zum Negativen verändert. Oft sitzt er stundenlang auf dem Sofa und starrt ins Leere, lässt häufig das Abendessen ausfallen und verlässt kaum noch das Haus. Die meiste Zeit verbringt er damit, mit Diana zu telefonieren oder Songs zu schreiben.

Auch jetzt, als ich mit schweren Einkaufstüten in der Hand die Küche betrete, sitzt er stumm am Esstisch und kritzelt in ein dickes Notizbuch, die Stirn konzentriert in Falten gelegt.

Er zuckt zusammen, als ich die Tüten vor ihm auf dem Tisch abstelle. In seinen Augen liegt ehrliche Trauer.

„Soll ich die ausräumen?", fragt er und steht von seinem Stuhl auf.

Bevor ich antworten kann, greift er nach den Nudeln in einem der Beutel.

„Wenn es dir nichts ausmacht, gerne.", sage ich schließlich und Liam nickt.

Dankend klopfe ich ihm auf die Schulter. Es scheint ihm gut zu tun, sich nützlich zu machen.

Mit einem Notizbuch in der Hand steige ich die Treppen hinauf, klopfe vorsichtig an Issis Zimmertür, die sie wenige Sekunden später schwungvoll öffnet.

„Hey, komm rein."

Ich trete an ihr vorbei in den Raum, ein prallgefüllter Wäschekorb steht vor dem geöffneten Kleiderschrank. Mein Blick wandert zurück zu Luize, die mich aus ihren dunklen Augen erwartungsvoll ansieht. Ein Schwarm Schmetterlinge flattert in meinem Bauch umher, was mich unweigerlich zum Lächeln bringt.

„Ich hab das hier beim Einkaufen gesehen und musste an dich denken, deswegen habe ich es dir mitgebracht.", sage ich und reiche Luize das Notizbuch.

Hübsche Ranken und Blumen verzieren das Cover, im Inneren sind kleine Kakteen neben die Seiten gezeichnet.

„Dankeschön, es ist wirklich schön.", sagt Issi, als sie mich in den Arm nimmt, ein breites Grinsen erscheint in ihrem Gesicht.

Bevor ich ihr Zimmer wieder verlassen und Liam mit den Einkäufen helfen kann, hält sie mich zurück.

„Hilfst du mir beim Einräumen? Dann sind wir schneller fertig und können noch eine Runde mit Gary spazieren gehen."

Wie aufs Stichwort hebt der Labrador verschlafen den Kopf, er gähnt ausgiebig, scheint aber nicht abgeneigt von Issis Vorschlag zu sein. Genau wie ich.

Ich greife nach dem ersten Shirt, ein einfarbig gelbes, und Luize deutet auf die Kommode am anderen Ende des Raumes.

„Oberste Schublade.", sagt sie, als ich fragend vor dem Möbelstück stehe.

Gerade, als ich mich umdrehen will, um ein weiteres Teil aus dem Wäschekorb zu holen, bleibt mein Blick an einem kleinen Parfumfläschchen hängen. Eingebettet zwischen Luizes Oberteilen liegt es in der Schublade.

Ohne darüber nachzudenken, greife ich danach und drehe es in den Händen. Ein schmales Fläschchen, bis auf die Hälfte geleert, verschlossen mit einem Deckel in Kronenform. Die Schrift auf dem Glas ist vom vielen Benutzen unleserlich geworden.

Vorsichtig öffne ich es und rieche an dem Verschluss. Ein fruchtig-blumiger Duft steigt mir in die Nase.

„Was ist das für ein Parfum?", frage ich, ohne das Fläschchen an seinen Platz zurückzulegen.

Augenblicklich steht Issi neben mir und reißt das Parfum aus meiner Hand. Prüfend betrachtet sie es von allen Seiten, als suche sie nach einem Sprung im Glas.

„Das gehörte meiner Mutter."

Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, in ihren dunklen Augen glitzern Tränen.

Vorsichtig legt sie es zurück an seinen Platz, streicht über das schmale Fläschchen und kehrt mir schließlich den Rücken zu, um zurück an die Arbeit zu gehen.

Ich schlucke. Einen Moment überlege ich, es einfach dabei zu belassen, aber die Neugier packt mich.

„Das mit deiner Mutter tut mir wirklich leid. Möchtest du drüber reden?"

Mit der flachen Hand streiche ich über Issis Rücken. Sie legt eine Jeans zurück in den Wäschekorb, bevor sie sich zu mir umdreht. Sanft greife ich nach Luizes Hand und ziehe sie auf den Boden, wo sie die Beine anwinkelt.

„Viel gibt's nicht zu sagen. Ich kannte meine Mutter nicht, sie ist bei meiner Geburt verstorben, weswegen mich mein Vater nach ihr benannt hat. Er hat sie auf Geschäftsreise kennengelernt und für sie sein ganzes Leben hier in London aufgegeben, aber als sie gestorben war, gab es für ihn nichts, das ihn noch länger in Deutschland gehalten hätte. Ihre Sachen hat er nie weggeworfen, viele davon hat er mir geschenkt, zum Beispiel ihr Lieblingsparfum. Ich habe schon oft versucht, es zu finden und mir selbst zu kaufen, aber das Etikett kann man nicht mehr entziffern. Außerdem ist es fast zwanzig Jahre alt. Deswegen hebe ich es hier auf und benutze es kaum."

Sie zuckt die Schultern, als wäre ihr Gesagtes nicht weiter wichtig, aber in ihren Augen schimmert ehrlicher Schmerz. Schützend ziehe ich sie in meine Arme, mein Herz macht einen Sprung, als sie ihren Kopf auf meiner Schulter ablegt.

„Ich verspreche dir, dass ich dir helfen werde, es zu finden.", sage ich und meine es auch so.

Dankbar drückt Issi mich noch fester an sich, sodass ich den Duft ihres Apfelshampoos einatmen kann.

„Danke.", flüstert sie, eine einzelne Träne rinnt ihre Wangen hinab und landet auf meinem Shirt.

Der Rest der Wäsche findet schnell seinen Platz in Luizes Kleiderschrank, ausgelassen singend leint Luize Gary an, der mit dem Schwanz wedelt, als er begreift, dass wir mit ihm spazieren gehen wollen.

Mit meinem Handy in der Hand, schicke ich die beiden zur Tür hinaus und erkläre, dass ich gleich nachkomme, aber noch etwas klären muss.

Nach zweimaligem Klingeln antwortet Paul.

„Hallo Niall. Wie kann ich dir helfen?"

Ein zufriedenes Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus.

„Hi Paul, ich habe eine Idee und vielleicht weißt du, wie wir sie in die Tat umsetzen können."


~Wer weiß, was Niall da schon wieder geplant hat, um Luize das Leben leichter zu machen. Er wird sicherlich keine Kosten und Mühen scheuen, um ihr eine Freude zu machen.  

One Direction - Five Amazing YearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt