Siebzehn: Luize

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Ich weiß nicht, warum ich aufwache, aber auf einmal sitze ich senkrecht im Bett. Panisch schaue ich mich um. Wo bin ich? Jedenfalls nicht zuhause. Dann erinnere ich mich. Louis' Party, das Feuerwerk, der Alkohol, Liam und ich auf dem Balkon, der Kuss. Der Kuss, mit dem Liam Danielle betrogen und ich meine beste Freundin hintergangen hatte. Der Kuss, an dem einzig und allein ich dran schuld war. Aber Liam und ich haben uns geschworen, beste Freunde zu bleiben und wenn wir es niemandem erzählen ist doch alles gut, oder?

Mühsam stehe ich auf, mir brummt der Kopf. Okay, nie wieder so viel Alkohol auf einmal. Bis auf die Schuhe habe ich noch die Sachen von gestern an. Schnell verlasse ich das Zimmer und gehe ins Bad. Ich stelle mich todesmutig vor den Spiegel, meine Haare stehen in alle Richtungen ab und mein Makeup ist verschmiert. Na toll. Ich wasche mir kurz das Gesicht und kämme mir mit den Fingern die Haare, weil ich nicht unbedingt in den Sachen der Jungs kramen möchte. Als ich zumindest halbwegs normal aussehe, hole ich meine Tasche und meine Schuhe aus dem Schlafzimmer. Ich frage mich, wer hier normalerweise schläft. Ich rufe bei einem Taxiunternehmen an, das mir in ein paar Minuten jemanden vorbei schicken will.

Anscheinend ist noch niemand außer mir wach, denn ich begegne niemandem auf meinem Weg in die Küche. Weil ich keine Lust habe, nach den Anderen zu suchen, schreibe ich einfach eine kleine Notiz. „Guten Morgen Jungs! Erstmal danke für den schönen Abend. Ich bin schon mit einem Taxi heimgefahren, weil ich euch nicht wecken wollte. Wir sehen uns. Liebe Grüße, Luize."

Ich gehe nach draußen, ein paar Minuten später fährt ein Taxi vor. Ich nenne dem Fahrer meine Adresse und versuche, auf der Fahrt nicht einzuschlafen. Deshalb öffne ich Whatsapp. Die Mädels haben schon geschrieben und wünschen mir ein frohes neues Jahr. Es wird Zeit, dass ich ihnen antworte. Als ich auf Dianas Namen drücke, bleibt mein Herz eine Sekunde lang stehen. Da war ja was. Ich kann ihr unmöglich von Liam erzählen, das würde sie mir nie verzeihen. Aber wenn ich mit niemandem darüber rede, komme ich selbst nicht damit klar.

Papa sitzt am Küchentisch vor seinem Laptop, er schreibt irgendwelche Emails. „Frohes Neues, Dad.", begrüße ich ihn. Er sieht mich nicht an. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt da bin. Es ist gestern ziemlich spät geworden und die Jungs wollten betrunken nicht fahren." Mein Vater dreht sich zu mir um. Er hat dunkle Augenringe und sieht wirklich fertig aus. „Ist schon okay, ich habe mir nur Sorgen gemacht, du hättest dich ruhig melden können. Und trink bitte nicht so viel, du bist noch nicht volljährig." Ich nicke und will schon nach oben gehen, als er noch ruft: „Das Kleid deiner Mutter steht dir wirklich gut." Das ist Mamas Kleid? Ich streiche über den weichen Stoff und gehe ins Bad, um eine Aspirin zu nehmen. Mir tut alles weh, nie wieder so viel Alkohol auf einmal, nie wieder.

Gary folgt mir in mein Zimmer und springt neben mich auf mein Bett. Um mich selbst zu beruhigen, kraule ich seinen Kopf. Dann hole ich mein Handy, öffne Whatsapp und drücke auf den Hörer neben dem Namen meiner besten Freundin. Jetzt oder nie.

„Issi? Frohes Neues erstmal. Was gibt's?" „Hey Livi, dir auch ein Frohes Neues. Hör zu, ich muss unbedingt mit dir reden. Hast du kurz Zeit?", frage ich vorsichtig. Olivia antwortet sofort, sicher habe ich gerade ihre Neugier geweckt. „Ja klar habe ich Zeit. Ist irgendetwas passiert gestern? Du klingst so komisch." Vielleicht bin ich immer noch nicht so ganz ausgenüchtert, aber das ignoriere ich jetzt einfach. Bevor ich es mir anders überlegen kann, erzähle ich jedes Detail, an das ich mich erinnern kann. Zugegeben, es sind nicht wirklich viele, aber das ändert nichts an der Endsituation, an die ich mich, zu meinem Bedauern, noch ganz genau erinnern kann. Seit heute Morgen läuft sie immer wieder vor meinem geistigen Auge ab.

„... und dann habe ich ihn geküsst. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber ich war total betrunken und einfach irgendwie abwesend. Das wollte ich doch nicht und wir haben uns auch geschworen, beste Freunde zu bleiben, aber ich habe trotzdem Angst. Was ist, wenn Diana das herausfindet, sie wird mich umbringen, genauso wie Danielle Liam verlassen wird, wenn sie davon erfährt. Dann sind alle sauer auf mich, aber ich wollte doch nicht, dass das passiert. Es war ausversehen.", schluchze ich und kraule weiterhin Garys Kopf.

Olivia holt am anderen Ende der Leitung tief Luft, bevor sie antwortet: „Also erstmal musst du dich beruhigen, denn du kannst jetzt sowieso nichts mehr rückgängig machen. Du bereust, was du gemacht hast, das ist ja schon mal ein Anfang. Diana wird dich erst mal hassen, wenn sie davon erfährt, aber sie wird sich sicher wieder beruhigen, wenn du dich entschuldigst und ihr alles erklärst. Erzähl es ihr nur noch nicht jetzt, wo es ihr wegen Liam sowieso schon so schlecht geht. Aber irgendwann wird sie es sicher erfahren, also lieber von dir als von jemand Außenstehendem. Ich werde es ihr nicht erzählen, dass musst du schon selbst machen. Wie Liam mit der Sache umgeht, kann dir eigentlich egal sein, Danielle ist seine Beziehung, um die musst du dich nicht kümmern. Mal davon abgesehen kann ich dir nur noch raten, demnächst auf Alkohol zu verzichten und vielleicht auch den Jungs aus dem Weg zu gehen."

Ich stimme ihr zu. Da One Direction jetzt sowieso die Tour fortsetzt, kann ich sie in nächster Zeit erstmal nicht sehen. „Danke, Livi. Du bist die Beste." Sicherlich grinst sie jetzt und nickt. „Ich weiß, ich weiß, ich bin ein Genie.", gibt sie mir recht.

Wir unterhalten uns noch eine Weile über alles Mögliche, bis ich schließlich auflege um mich fertigzumachen und ins Bett zu gehen. Es ist zwar noch ziemlich früh, aber ich habe keine Lust, morgen in der Schule unausgeschlafen zu sein.

Den ganzen Januar über bekomme ich die Jungs nicht mehr zu Gesicht. Trotzdem schreibe ich jeden Tag mit ihnen. Liam und ich tun so, als wäre nichts passiert und ich vergesse oft, dass es überhaupt einen Kuss gab. Je näher das Konzert rückt, das meine besten Freundinnen besuchen werden, desto nervöser werden sie. Im Unterricht sind sie nur selten konzentriert, und am Freitag vor dem Konzert geht bei ihnen wirklich gar nichts mehr. Nachdem Miss West sie zum ungefähr zehnten Mal ermahnt hat, nicht zu quatschen, werden sie schließlich auseinandergesetzt. Miss West behandelt uns echt wie Kleinkinder. Ich frage mich, wann sie auf die Idee kommt, jemanden in die Ecke zu stellen.

„Ich kann es kaum erwarten. Nur noch zwei Tage, dann sehen wir sie Live!", reden Diana und Olivia durcheinander. Sie sind aufgeregter als kleine Kinder an Weihnachten, aber ihre positive Stimmung färbt auf mich ab, weshalb ich ebenfalls den ganzen Tag gut gelaunt bin. Nur eine Sache zieht mich noch immer ein wenig runter. „Mädels, euch ist aber bewusst, dass ihr mich am Montag dann mit Jeanne und den anderen alleine lasst?", unterbreche ich Olivia, die schon die ganze Zeit über das Talent der Jungs redet. „Natürlich ist uns das bewusst, aber diesen einen Tag wirst du schon überleben. Außerdem geht es hier um One Direction!", meint Diana und wird von Olivia durch ein Nicken unterstützt. Ich sehe die beiden gespielt empört an. „Ihr zieht diese Idioten also mir vor?" Olivia und Diana überlegen einen Moment zu lange. „Naja, also...", beginnen sie, aber ich lasse sie nicht ausreden. „Nein, jetzt seid ihr bei mir unten durch. Ich werde mich mit Jeanne anfreunden.", schimpfe ich, was ich natürlich nicht ernst meine. Das wissen die Mädels, weshalb sie in Lachen ausbrechen. Ich stimme mit ein.

„Wie sieht das aus?", fragt Diana zum dritten Mal und stellt sich mit einem neuen Outfit vor die Kamera. Seit über einer Stunde videotelefonieren sie, Olivia und ich jetzt schon. Sie trägt eine hellblaue Mom Jeans und einen One Direction Pullover. Ich nicke, jetzt sieht sie wieder aus wie sie selbst und nicht wie eine aufgetakelte Nutte. „Ich hab die Idee!", ruft Olivia und klatscht in die Hände. Sie zieht den gleichen Pullover wie Diana an, dazu aber eine hellblaue Skinnyjeans. „Jetzt sehen wir aus wie Zwillinge!" Olivia klingt total begeistert, aber ich muss lachen. Sie und Diana sind viel zu unterschiedlich, um wie Zwillinge auszusehen, aber diesen Kommentar verkneife ich mir.

Nachdem sie sich noch ein wenig geschminkt haben, die Mascara haben sie dabei zur Sicherheit weggelassen, verabschieden sie sich auch schon. „Noch mal danke für die Karten.", sagt Diana. „Bedankt euch lieber bei den Jungs, sonst hättet ihr keine für die erste Reihe bekommen. Viel Spaß!" Olivia ruft noch: „Danke, dir auch. Hab dich lieb!", und legt auf. 


~Wie gerne würde ich jetzt mit Diana und Olivia tauschen und auch auf das Konzert gehen. Aber 2021 fahre ich voraussichtlich aufs Harry Styles Konzert. Yeay!

One Direction - Five Amazing YearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt