Kapitel 19 ~ Niederlage

1K 45 4
                                    

Ganze acht Tage hatte ich es ausgehalten.

Acht Tage mit Wut in meinem Bauch und Resignation in meinem Kopf.
Jetzt war die Wut abgeflacht und ich war so verzweifelt, dass ich wirklich überlegte mich zu entschuldigen.

Dieser Blödmann hatte sich kein einziges Mal gemeldet. Selbst getroffen hatte ich ihn nicht, nicht einmal in der Tiefgarage, als ich mit dem Wagen zur Arbeit fuhr, einkaufen ging oder von dort wiederkam.

Und ich wettete, er wusste, dass er in meinem Kopf rumspukte.
Nathaniel genoss es sicherlich.
Natürlich hatte ich meine Ruhe und alles war eigentlich in Ordnung, aber ich wollte immer noch meine Dateien zurück.
Bei den Bildern waren Erinnerungen dabei. An schöne Abende mit Sina, an Daheim, an Mark und auch an den Abend mit Lucas.
Irgendwie hatte ich das Bedürfnis mich bei Lucas zu melden und mich für das Fiasko zu entschuldigen, obwohl er es war, der mir einiges zu erzählen hatte.

Vorgestern hatte ich versucht über Mark an Lucas' Nummer zu gelangen, aber Mark wollte sie partout nicht rausrücken, weil er dann angeblich Ärger bekam.
Warum sollte Lucas wütend deswegen werden? Seine Nummer hatte ich ja bereits einmal und ich war ja auch kein Stalker oder so.
Und egal wie sehr ich bettelte, Mark blieb stur.

Ich weiß nicht was ich verbockt hatte, aber das Karma schien mich gerade nicht sonderlich zu mögen.
Wir standen auf Kriegsfuß. Es hatte sich anscheinend mit Nathaniel verbündet.

Heute Nachmittag wollte ich mit Sina und Matt in den Club gehen.
Auch wenn ich Nathaniel wahrscheinlich dort sehen sollte, konnte er mir nichts anhaben und er konnte mich nicht noch weiter ärgern, obwohl er das mit seiner bloßen Anwesenheit schaffte.

Obwohl - Langsam dachte ich sowieso, dass er das Interesse verloren hatte. Das zumindest flüsterte mir meine innere böse, mütterliche Stimme zu.
Vielleicht war es gut so, aber vielleicht kränkte es mich auch ein wenig.
Und dass es mich leicht traurig zu machen schien, verwirrte mich und machte mich ärgerlich.

Hallo? Ich sollte auf diesen Spinner pfeifen. Also wirklich..

„Du wirkst schon seit ein paar Tagen niedergeschlagen. Was ist los, Maus?" fragte mich Sina als wir zusammen auf der langen hölzernen Zuschauerbank in der Halle Platz nahmen, auf der sich langsam der rote Lack zu lösen schien.
Hier wurde dringend ein neuer Anstrich benötigt.

In dem roten Ring ganz links außen machten sich gerade zwei Boxer warm.
In dem mittleren, blauen stieg gerade Matt ein, der sich die Hände verband.
Er versucht es zumindest.

„Ich komme drüber hinweg." antwortete ich und knaubelte an der abblätterten Farbe. Gebannt wartete ich auf einen gewissen Menschen, der endlich zur Tür reinkommen sollte. Matthew meinte, dass er heute mit trainieren wollte. Die Tür, hinter der ein langer Gang war, der zur Umkleide, zu den Duschen und zu den Toiletten führte, blieb aber geschlossen.
„Auf wen wartest du denn?"
„Niemand!" gab ich zurück und starrte noch immer Brandlöcher in die graue mit Graffiti beschmierte Stahltür.
Die Trainingshalle war eigentlich ganz gut in Schuss, die Wände waren neu gestrichen und alles war neu eingerichtet.
Früher war das Gebäude eine alte Fabrik gewesen, die Metallgegenstände herstellten, bis sie dann nach Polen umzogen, da dort die laufenden Kosten immens geringer waren als hier.

„Wartest du auf Carlie?"
„Nenn ihn nicht so."
„Schau mich mal kurz an, Lyana." Sina beugte sich vor und berührte sanft meinen Unterarm. Ihr Gesicht war voller Sorge und ich fühlte mich sofort schlecht. Sie sollte sich keine Sorgen wegen mir machen müssen.
„Es ist nichts, Sina. Ich komme schon wieder auf den Damm. Vielleicht sollte ich einfach mal Urlaub machen. So richtig Urlaub mit wegfliegen, Sonne und Strand." Ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen.
„Warum machst du es denn nicht? Sollen Matt und ich dich mitnehmen?"

Nathaniel - deep waterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt