Kapitel 6 ~ Treffen

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Frisch geduscht und angezogen kam Carl als erstes raus. Er verabschiedete sich von uns und gab Sina und mir einen Kuss auf die Wange. „Bis bald Mädels." sagte er und verschwand aus der Tür.
Wir standen auf und warteten am Eingang auf die anderen beiden.
Inzwischen war es Abendbrotzeit und ich bekam Hunger. Mein Bauch knurrte.
„Willst du bei uns mitessen?" fragte Matt, der plötzlich hinter uns stand.
Ich wollte ihnen nicht zur Last fallen und überlegte mir eine Ausrede.
„Das ist lieb, aber nein danke. Mark wollte noch mit mir essen gehen, bevor er morgen wieder startet."

Wir gingen hinaus und quatschten bis Nathaniel kam.
Er schloss hinter uns zu und wir liefen zurück zu Sinas Haus. Die beiden Männer liefen vornweg und ich konnte Nathaniel von hinten betrachten. Seine Haare waren noch leicht nass und sahen noch dunkler aus.
Seine Statur war selbst von hinten göttlich.
Konzentriere dich lieber auf Daddy! Vergiss Nathaniel. Schau dich doch an, du bist nicht sein Niveau! Meine Stimme meldete sich wieder.
Ich will ihn auch nicht! Er ist sowieso ein Arschloch..

„Du fährst mit dieser Rostlaube draußen rum? Bekommt die überhaupt noch TÜV?", fragte Nathaniel, als wir vor dem Haus ankamen.
Ohja, definitiv ein Arschloch. Ich blickte ihn böse an.
„Rostlaube? Das ist ein zuverlässiges Auto. Der Gute hat nur er ein paar Altersflecken." antwortete ich schnippisch. Woraufhin er die Klappe hielt, aber überheblich grinste.
Einfach nicht beachten..

Ich verabschiedete mich herzlich von Sina und Matt. Nathaniel reichte ich nur die Hand, die er annahm. Mehr Aufmerksamkeit würde er nicht bekommen..
Aber er zog mich einfach an sich und umarmte mich. Oh Gott. „Freches Ding.", flüsterte er mir ins Ohr und ich bekam Gänsehaut bei seinem heißen Atem. Ich seufzte kurz und er lachte in sich hinein. Seine Hände ließen mich los und streiften, sicherlich unabsichtlich, meine Oberarme.
Ein leichtes Kribbeln durchzog mich.

Als er einen Schritt zurücktrat, blickte ich zu Boden und floh förmlich vor ihm zu meinem Auto, setzte mich hinein und betete, dass mein Polo ansprang.
Bitte lass mich nicht vor diesem Idioten im Stich.
Ich hörte den Klang der Zündung und des Motors und atmete erleichtert auf.
Kurz winkte ich, den einen ignorierend, den beiden anderen netten Menschen zu und fuhr heim.

Mutter's Auto stand vor dem Haus und meine Laune war noch mehr im Keller.
Als ich zur Haustür reinkam, sah ich ein paar Kartons im Flur stehen und einen großen Koffer.
„Gut, dass du kommst. Hilf mir die Kartons ins Auto zu tragen." sagte meine Mutter, als sie um die Ecke bog mit einem Karton in den Händen.
Sie war wieder perfekt geschminkt und sah aus wie Ende zwanzig und nicht wie Ende vierzig. Mit ihrem strengen, lieblosen Blick musterte sie mich.
Wollte sie etwa ausziehen?
„Schau nicht wie so ein Schaf. Ich lasse mich scheiden. So kann es ja nicht weitergehen. Ich werde zu meinem Freund ziehen."
„Was?" fragte ich und hob bereits einen Karton hoch. Soll sie doch machen.
Ich musste fast grinsen. „Was ist mit unserem Haus?" fragte ich sie und sortierte den Karton in ihren Kofferraum.
„Wirklich? Ist das deine einzige Sorge? Deine Eltern trennen sich und du fragst, was mit dem Haus wird?" meckerte sie empört und stammte ihre Arme auf die Hüften. „Dein Vater kann mich schön auszahlen. Suche dir jetzt schon einmal eine neue Bleibe, er wird mit seinen paar Kröten das Haus nicht halten können."

Als mir deutlich wurde, was sie da von sich gab, musste ich sofort an Paps denken. Oh nein. Traurigkeit machte sich in mir breit. Das Haus in dem ich aufgewachsen bin, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte, die eigentlich ziemlich glücklich und toll war, als sich meine Eltern noch verstanden haben.
Wie konnte sich das ändern? Durch was konnte sich eine Liebe so in Hass umwandeln?
„Komm schon. Guck nicht so traurig. Es wird doch sowieso Zeit, dass du ausziehst." Sie wusste nichts von meinem Vorhaben, dass ich noch studieren wollte an einer Abendschule.
Das würde ich ihr auch nicht sagen, da sie sich sowieso darüber lustig machen würde, dass ich es ja nicht schaffte. So war es auch bei der Ausbildung.
Obwohl ich die Beste war beim Abschluss. Aber selbst das Beste, war für sie nicht gut genug, außer es betraf ihr Goldkind.
Nein Lyana, du wirst die Klappe halten und nichts darauf erwidern, sonst wird sie wieder verletzend..

Nathaniel - deep waterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt