Kapitel 22 - Morgana

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Als Cassandra am späten Mittag des nächsten Tages erwachte, fürchtete sie sofort, das alles nur ein schöner Traum gewesen sein könnte. Denn kein Daeon lag neben ihr im Bett und im Haus herrschte eine tödliche Stille. Hastig sprang sie aus dem Bett empor und suchte das ganze Haus nach den dämonischen Sieben ab. Doch der einzige den sie finden konnte, war Jeremy. Er befand sich im Hauptraum des Hauses, wo immer noch (oder wieder), ein wärmendes Feuer im Kamin brannte. Jeremy hatte sich wachsam vor einem der Fenster aufgestellt und blickte hinaus in das wilde Schneegestöber. Rasch gesellte sie sich zu ihm und entdeckte, das sein linkes Auge ganz schön Blau geworden war. Der arme Jeremy hatte einen heftigen Haken von Daeon kassiert und obwohl er ihr Leid tat, freute sie sich sein Auge so zu sehen, denn es bezeugte ihr, das sie doch nicht geträumt hatte. Nicht zu fassen, oder? Sie war tatsächlich mit diesem Gott-Dämon-Schatten-Dingsbums in einer Beziehung. Cassandra konnte es kaum Erwarten ihren Freunden davon zu erzählen und sie beschloss, ihnen so schnell wie möglich einen weiteren Brief zu schreiben.
"Wo sind die anderen?", fragte sie, nachdem Jeremy ihr fröhlich einen guten Morgen gewünscht hatte und er trotz der erhaltenen Prügel gute Laune zu haben scheint.
"Sie kontrollieren die Umgebung, wir wollen nicht noch einmal, das die Lakaien von Balthasar uns mit ihrem Angriff überraschen können", erklärte er ihr und sie hoffte, das sie hier in Grönland lange unentdeckt bleiben würden. Allerdings war ihr, so musste sie sich eingestehen, die Insel viel Lieber gewesen. Wohin würde Daeon sie wohl bringen, wenn sie entdeckt wurden? Das nächste Mal nach China oder gar in die Wüste? Einerseits war es ganz aufregend Orte zu sehen, die sie sonst wohl niemals zu Gesicht bekommen hätte, andererseits jedoch machte es ihr Angst, ihr Leben lang auf der Flucht sein zu müssen. Hoffentlich konnte die Sache mit Balthasar geklärt werden ohne das einem von ihnen etwas geschah.
"Daeon meinte, ich solle dafür sorgen, das du dich nicht Langweilen tust. Also, was willst du gerne machen?", fragte Jeremy und der Magen von Cassandra gab ihm sogleich eine grollende Antwort. Mit einem schwachen Zucken seiner Mundwinkel eilte Jeremy in die Küche. Sie folgte ihm und konnte nun beobachten, wie er ziemlich unbeholfen, in der Küche hantierte und verzweifelt versuchte, ihr ein Frühstück zu zaubern. Dabei jagte er beinahe den Toaster in die Luft und am Ende saß Cassandra an dem großen Esstisch und starrte auf ihren Teller, der mit halb verkohlten Toastscheiben und komisch aussehenden Spiegeleiern geschmückt war.
"Hast du keinen Hunger?", fragte sie und stocherte leicht angeekelt in dem Spiegelei herum. Jeremy verneinte und erklärte ihr, das er nicht so viel und so oft Essen müsse, wie die Menschen es taten. Sie beneidete ihn darum und um ihn nicht zu Kränken, würgte sie das sehr ungenießbare Frühstück herunter.
"Was willst du jetzt machen?", fragte Jeremy, nachdem sie gemeinsam das benutzte Geschirr gespült und eingeräumt hatten.
"Da ich so unerwartet in Grönland gelandet bin, würde ich mir gerne die Gegend genauer anschauen", schlug sie vor und folgte Jeremy in den Hauptraum, wo er ihr warme wollende Kleidung überreichte.
"Daeon hat sich schon gedacht das du gerne einen Spaziergang machen möchtest und hat das hier für dich bereitgelegt", erklärte Jeremy ihr und wartete dann, bis sie sich im Nebenraum umgezogen hatte. Gemeinsam verließen sie dann das Haus und Cassandra hätte liebend gerne wieder kehrt gemacht. Nicht nur das es extrem Kalt war, der Schnee lag auch noch so hoch, dass jeder Schritt zur Qual wurde und den Gang in ein Fitnessstudio überflüssig machte. Voller Neid betrachtete sie Jeremy, der in seiner sommerlichen Kleidung überhaupt nicht zu frieren schien. Ein Dämon zu sein, hatte offensichtlich einige Vorteile und bei diesem Gedanken musste sie an ihr früheres Leben denken. Sie war laut Daeon kein Mensch gewesen, aber was genau dann? Welche Kräfte hatte sie wohl gehabt? Eine Zeitlang lief sie schweigend neben Jeremy im hohen Schnee daher und schließlich konnte sie ihre Neugier nicht mehr zügeln. Auch wenn sie ihr damaliges Leben nicht mehr zurückbekommen konnte, wollte sie dennoch alles darüber Wissen.
"Jeremy, weißt du, was genau ich in meinem früheren Leben gewesen bin?", fragte sie und eine Zeitlang schwieg Jeremy, ehe er ihr unerwartet eine Antwort gab.
"In unserer Welt, nennen wir Wesen wie du es warst, Summoner".
"In dieser Welt, bedeutet das Beschwörer", sagte sie überrascht.
"Das kommt hin, ja, du warst eine Beschwörerin", sagte er und Cassandra sah den Fuchsgott mit großen Augen an.
"Was genau kann ich mir darunter vorstellen, was konnte ich Beschwören?", fragte sie und war froh, dass Jeremy stehenblieb und sie nicht weiter durch den hohen Schnee stampften. Eine Zeitlang blickte er schweigend in die weiße Welt hinaus und man sah ihm an, das er in Erinnerungen schwelgte.
"Die Menschenwelt und die unsere, sind nur zwei von vielen anderen Welten. Und zwischen all diesen, gibt es eine ganz besondere, die von niemanden betreten werden kann, selbst von Daeon nicht. Man sagt, das jene Welt ein Gefängnis für die verbannten und verfluchten ist und dort hausen mächtige und grandiose Kreaturen. Die Summoner können die verfluchten beschwören, doch um sie kurzzeitig ihrem Gefängnis entkommen zu lassen, müssen die Summoner eine Opferung im Form ihres Blutes darbieten. Nur solange dieses fließt, können die Beschworenen an der Seite ihres Herrn verweilen. Du warst sogar eine der mächtigsten Summoner, die es jemals gegeben hatte. Zusammen mit deinem Bruder hast du ganze Legionen beschwört", erzählte Jeremy ihr und Cassandra horchte auf.
"Ich hatte einen Bruder?".
"Oh ja, ihr beide wart Unzertrennlich", antwortete Jeremy und obwohl sich Cassandra nicht an diesen Bruder erinnerte und er ein Teil aus einem anderen Leben war, spürte sie deutlich den Stich in ihrem Herzen.
"Was ist aus ihm geworden, nachdem ich starb?", fragte sie.
"Das kann ich dir leider nicht sagen, er verschwand Spurlos", antwortete er.
"Ich scheine wohl wirklich ein sehr aufregendes Leben geführt zu haben", seufzte sie.
"Das hast du und jeder hat deine Zauber gefürchtet".
"Welche Zauber?".
"Du konntest Magie wirken, die deine Gegner schwächte und deine Verbündeten stärker machte. Mit solch einem Zauber hast du sogar Daeon im Kampf besiegt. Leider war ich nicht dabei gewesen, aber Belial erzählt oft davon. Daeon soll keine Chance gegen dich gehabt haben und wegen seiner Niederlage war er so geschockt gewesen, das er sich Tagelang versteckte und schmollte. Nachdem sein angeknackster Stolz sich erholt hatte, begann er dich zu Verfolgen, nun ja, die Menschen würden es wohl Stalking nennen", erzählte Jeremy und lachte über ihr verdutztes Gesicht.
"Laut Belial, warst du überhaupt nicht von Daeon begeistert aber dieser schien nach seiner Niederlage von dir Besessen zu sein. Leider weiß ich nicht, was genau da alles zwischen euch passiert ist aber Belial sagte, dass ihr irgendwann ein Paar geworden seid und euer Bündnis hat viele Feinde erschüttert und geängstigt. Gemeinsam wart ihr nicht zu besiegen", sagte Jeremy und Cassandra hätte alles dafür gegeben, sich an diese Zeit erinnern zu können. Sie wünschte sich, sie hätte diese Macht noch immer in sich, weil dann würde sie Balthasar das fürchten Leeren. Verwundert runzelte sie ihre Stirn als dieser Gedanke einige Fragen aufwarf.
"Wenn ich so stark gewesen bin, wie konnte Balthasar mich dann töten?".
"Er kannte die Schwäche unter der jeder Summoner leidet", antwortete Jeremy mit einem grimmigen Gesichtsausdruck.
"Was für eine Schwäche war das?".
"In unserer Welt hat der Mond eine sehr große Bedeutung, wir glauben, dass er eine Gottheit ist, der Schöpfer aller Welten und die Summoner, haben ihre Macht von ihm geschenkt bekommen. Jedoch ist es so, das sie, wenn er als Vollmond am Himmel steht, all ihre Macht verlieren. Daher warst du, als Balthasar dich tötete, so schwach wie ein Mensch, zu dem du nun geworden bist", erklärte Jeremy und Cassandra schluckte schwer, war es ein Zufall das sie, wenn es Vollmond war, sich auch als Mensch manchmal ganz Kränklich und Schwach fühlte?
"Willst du noch mehr über dein früheres Ich erfahren?", fragte Jeremy und er schien bereit zu sein, ihr Antworten zu geben, solange er diese hatte. Cassandra überlegte, sie hatte viele Fragen, doch umso mehr sie diese beantwortet bekam umso mehr sehnte sie sich nach den vergangenen Zeiten. Vielleicht war es besser, unwissend zu bleiben und mit Daeon neue Erinnerungen zu schaffen.
"Lieber nicht, ein andern mal vielleicht. Es tut ...", sie brach in ihrem Satz ab als sie weit hinter Jeremy etwas im Schnee entdeckte, das sie alle Fassung verlieren ließ. Sarah. Ihre beste Freundin stand dort im Schnee und winkte ihr fröhlich zu. Cassandra entfuhr ein Freudenschrei. Hatte Daeon sie hierher gebracht um sie damit zu Überraschen? Überglücklich rannte sie an den überraschten Jeremy vorbei, direkt auf ihre winkende Freundin zu.
"Cassandra, nein, bleib sofort stehen, sie ist nicht echt!", schrie Jeremy, doch obwohl sie ihn hörte, hielt sie nicht an. Ihre Freude war einfach zu groß und sie konnte es kaum erwarten Sarah in die Arme zu schließen. Doch warum stand Sarah leicht bekleidet mitten im Schnee und fror offenbar nicht? In den Moment als Cassandra sie erreichte, zerstob die Gestalt von Sarah wie Staub im Wind und hinter ihr ertönte ein brachiales Brüllen. Verwirrt und erschrocken blickte Cassandra zu Jeremy zurück, der gerade von einem riesigen Gold schimmernden Löwen angegriffen wurde. Cassandra hörte den Fuchsgott laut nach Daeon rufen, ehe er sich in seine dritte und ihr bisher unbekannte Gestalt verwandelte. Ein riesiger, wirklich gewaltiger Fuchs erschien nun, er war so weiß wie der Schnee um ihn herum und finster grollend ging der Fuchs auf den Löwen los, der ihm gegenüber ziemlich Mickrig wirkte. Fassungslos sah Cassandra dabei zu, wie der Löwe mit einem gezielten Biss in die Kehle getötet wurde. Dann erschien Daeon wie aus dem nichts, den ruf des Fuchses erhörend und nun verwirrt auf den toten Löwen blickend.
"Sie haben Cassy entführt", rief Jeremy ihm verzweifelt entgegen.
"Das stimmt doch gar nicht, ich bin doch hier", rief Cassandra erschrocken, doch offenbar konnte keiner von ihnen sie hören. Das Entsetzten packte sie als Daeon seinen Blick panisch durch die Gegend gleiten ließ und obwohl er dabei mehr als einmal in ihre Richtung sah, schien er sie nicht sehen zu können. Oh nein, was hatte das denn jetzt zu bedeuten? Hastig wollte sie zu Daeon eilen, der gerade wortwörtlich einen Tobsuchtsanfall aus purer Wut und Verzweiflung erlitt. Doch sie prahlte an etwas ab, das sie nicht sehen konnte und da begriff sie, das sie in eine Falle gelaufen war. Balthasar, hatte er sie gefunden?
Am ganzen Leibe vor Angst zitternd, musste sie dabei zusehen wie sich Daeon und Jeremy in Luft auflösten. Sie verschwanden, vermutlich um sie zu Suchen, ohne dabei zu Wissen, das sie sich nur wenige Meter von ihnen entfernt befand. Verzweifelt hämmerte sie gegen das Unsichtbare, das sie Gefangen hielt. Erst als ihre Hände davon ganz Blutig wurden und sie das Lachen einer Frau hörte, hielt Cassandra inne und drehte sich mit zitternden Beinen herum. Dort, wo vorhin noch Sarah gestanden hatte, war nun eine andere ihr unbekannte Frau. Schön war sie, unglaublich schön und ihr eleganter Körper war in edlen Stoffen gehüllt, die Cassandra an einen Sari erinnerten. Jenes Kleidungsstück, das die Frauen in Indien trugen. Sie hatte goldene Augen und lächelte spöttisch.
"Du kannst so sehr schreien wie du willst, du bist in meine Falle gelaufen. In diesem Kraftfeld kann dich keiner sehen oder hören", sagte die Frau und begann nun, im Kreis um Cassandra zu laufen.
"Wer bist du?", fragte Cassandra und sie ließ die Fremde keine Sekunde aus den Augen, ahnend, dass sie vermutlich sehr gefährlich und auch tödlich war.
"Ich bin Morgana, Fata Morgana. Ich bin das, was man zu sehen glaubt und doch bin ich es nicht", antwortete die Fremde und Cassandra stockte der Atem.
"Was möchtest du von mir?", fragte Cassandra, obwohl sie genau wusste, weshalb Morgana sie gefangen hatte.
"Ich möchte meine Belohnung holen, die Balthasar mir versprach. Dein Kopf ist, von hohem Wert und die Belohnung steigt umso mehr wir dich Leiden lassen", antwortete Morgana und lachte über das entsetzte Gesicht von Cassandra.
"Wenn du mich auch nur anrührst, wird Daeon dich töten", mahnte Cassandra, doch ihre Drohung trug keine Früchte.
"Niemand, wirklich niemand, kann hinter mein Kraftfeld blicken und alles, was hier drin geschieht, bleibt verborgen. Mir mit ihm zu drohen, ist zwecklos. Er kann dich hier nicht finden. Er kann dir weder Helfen noch mir ein Leid antun", sagte Morgana mit spottender Stimme und ging dann wie eine Furie auf Cassandra los. Diese hatte keine Chance, brachial wurde sie von der fremden Schönheit zu Boden gerissen. Lachend saß Morgana nun auf ihr und hielt den Kopf von Cassandra mit ihren Händen fest. Es war beinahe eine zärtliche Berührung, doch dann strömte die Magie aus Morganas Händen und als diese in Cassandra eindrang, wurde sie von qualvollen Schmerzen gefoltert, die sie lauthals zum Schreien brachten.
"Sieh nur, ich muss dich nur federleicht berühren und kann dir dennoch Schmerzen bereiten. Oh, welch ein Spaß", rief Morgana fröhlich und sie genoss die qualvollen Schreie von Cassandra. Der Schmerz war so schlimm, dass sich Cassandra tatsächlich wünschte, endlich zu Sterben. Doch da ließ Morgana plötzlich von ihr ab.
"Oh nein meine Liebe, so leicht mache ich dir das nicht. Du willst Sterben? Ha, ich werde mir viel Zeit mit dir lassen", meinte Morgana und wimmernd versuchte Cassandra aufzustehen, schaffte es aber nicht weiter als bis auf ihre Knie. Ihr Körper war so schwach, wie noch nie zuvor und der eben erlebte Schmerz knechtete und folterte sie weiterhin.
"Wie würdest du es finden, deine Freunde sterben zu sehen?", fragte Morgana und Cassandra war entsetzt als sich diese vor ihren Augen in Sarah verwandelte. Es sah täuschend echt aus und obwohl Cassandra wusste, das es Morgana und nicht Sarah war, wollte ihr Verstand das nicht realisieren.
"Lassen wir deine kleine Freundin ausbluten wie ein Schwein?", fragte Morgana, die nicht nur wie Sarah aussah, sondern auch perfekt ihre Stimme nachahmte. Das Entsetzten nahm jeden Winkel von Cassandra ein als in Sarahs Hand ein Dolch erschien, mit dem sich ihre beste Freundin nun die Kehle durchschnitt. Cassandra schrie, der Anblick war grauenhaft und sie konnte das röcheln nicht ertragen, mit dem Sarah Tod zu Boden sank. Ihr Blut verfärbte den Schnee und dann löste sich ihr Körper auf, verschwand und an ihrer Stelle erschien Andrew.
"Nein bitte nicht, hör auf damit", flehte Cassandra schreiend als sich Andrew eine Pistole an den Kopf hielt. Er drückte ab, der Knall hallte bis in weite Ferne und noch bevor er zu Boden gesunken war, löste auch er sich auf und Michael erschien.
"Bitte nicht", wimmerte Cassandra und schrie als sich Michael mit einem großen Messer den Bauch aufschnitt und seine Gedärme nach außen Quirlten. Cassandra konnte nicht an sich halten, der Anblick war so grausam, das sie sich Übergeben musste. Doch dann hörte sie das Flehen von Stuart und sah wieder auf. Dort wo Michael eben noch gewesen war, kniete er am Boden, weinte und flehte sie um Hilfe an. Cassandra konnte nicht mehr entscheiden was wahr oder unecht war und instinktiv kam sie auf die Beine, um ihrem Freund zu helfen. Doch bevor sie ihn erreichte, ging er in Flammen auf. Seine Schreie waren Ohrenbetäubend und die Hitze schmolz ihm die Haut vom Leibe. Entsetzt sackte Cassandra in die Knie und sah zu, wie sein Körper zu Asche wurde und vom Wind verwehte. Nun erschien Morgana vor ihr und lachte.
"War es schön, deine Freunde sterben zu sehen?", fragte sie gehässig.
"Hör auf damit, bitte, hör einfach auf", flehte Cassandra und fiel rücklings in den Schnee als Morgana ihr einen heftigen Tritt verpasste.
"Ich kann dir alle Knochen brechen, ohne dich dabei zu berühren. Soll ich es dir beweisen?", fragte Morgana und im nächsten Moment brachen die Knochen in Cassandras Beinen und der Schmerz brachte sie fürchterlich zum Schreien. Überwältigt von den Qualen fiel Cassandra in Ohnmacht, doch Morgana holte sie mit ihrer Magie zurück und zwang sie, wach zu bleiben.
"Ich will, das du den Todesstoß siehst", zischte Morgana und in ihrer Hand erschien ein großen Schwert.
"Balthasar wird erfreut sein, zu erfahren, wie sehr du gelitten hast. Doch ich muss gestehen, du langweilst mich. Du bist so schwach, es macht gar keinen Spaß. Nun denn, ich werde Gnade zeigen und dich erlösen. Stirb in dem sicheren Wissen, das ich in meiner reichen Belohnung baden werde, während dein Kopf, dass Trophäen Zimmer von Balthasar schmücken wird", sagte Morgana, stellte sich über sie und holte mit dem Schwert zum endgültigen Todesstoß aus. Cassandra war zu geschwächt, zu erschüttert, vom Schmerz ganz benommen, um sich zu rühren und mit letzter Kraft, flüsterte sie den Namen ihres Geliebten. Sie sah, wie das Schwert auf sie niederfuhr und dann war plötzlich alles Schwarz. Für einen kurzen Moment glaubte Cassandra, das sie wirklich Tod war, doch dann realisierte sie, das Tote nicht denken konnten und das sie nach wie vor den Schmerz in ihrem Körper spürte.
"Nein, das ist nicht möglich", hörte sie Morgana kreischen und verwirrt blinzelte sie, versuchte die Benommenheit von sich zu Schütteln und ihre Umgebung genauer wahrzunehmen. Sie lag noch immer im kalten Schnee, geschunden und mit gebrochenen Beinen und vor ihr hatte sich ein gewaltiger Schatten aufgebaut, der sich nun lichtete und Daeon zum Vorschein brachte. Einen Daeon, der bitterböse Knurrte und dessen Augen gefährlich wild funkelten und das Schwert, das Cassandra hätte töten sollen, hatte er mit bloßen Händen abgefangen. Die scharfe Klinge schnitt seine Hand auf und sein Blut tropfte unablässig zu Boden. Vor ihm stand Morgana, mit vor entsetzen geweiteten Augen.
Cassandra konnte kaum beschreiben wie Erleichtert sie war Daeon zu sehen und Morgana war anzusehen, wie sehr sie den Schatten fürchtete, der nun finster Grollend ihren Namen knurrte.
"Wie kannst du hier sein? Niemand kann ohne meine Erlaubnis in mein Kraftfeld?", fragte Morgana voller entsetzten, ließ das Schwert los und taumelte panisch rückwärts. Daeon gab ihr keine Antwort, er warf das Schwert im hohen Bogen davon und begann sich zu Verwandeln in einen - Cassandra stockte der Atem - pechschwarzen, von Schatten umgebenen riesigen Wolf. Mit einem wütenden Knurren preschte er auf Morgana zu, die keine Chance gegen ihn hatte. Brachial schmetterte er sie zu Boden und sein riesiges, mit scharfen Zähnen besetztes Maul, zerfetzte ihr die Kehle und raubte ihr jegliches Leben. Ein lautes Surren war zu hören, ein Knacken und im nächsten Moment zerbarst das unsichtbare Kraftfeld wie ein Spiegel und das letzte, was Cassandra sah, bevor sie in die Bewusstlosigkeit sank, war wie sich der Wolf zu ihr wandte. Wie er sich in Daeon zurück verwandelte, der entsetzt auf sie nieder Blickte.

Als Cassandra wieder zu sich kam, war ihr Körper von jeglichem Schmerz befreit und sie hörte die aufgeregten Stimmen, der dämonischen Sechs, die sich, was sie sehr verwunderte, mit dem Gekreische von Affen vermischten. Nicht nur das, auch das gewaltige Krachen des Donners war zu hören und strömender Regen der erbarmungslos auf alles und jeden niederprasselte. Vorsichtig versuchte sie sich zu bewegen und stellte fest, dass ihre gebrochenen Knochen geheilt waren und gleichzeitig begriff sie, das sie in einem weichen Bett lag. Langsam öffnete sie ihre Augen und fand sich in einem hübschen kleinen Raum wieder. Nichts hier kam ihr vertraut vor und ihr war klar, das sie den Ort gewechselt hatten. Mit zitternden Gliedern erhob sie sich und lief schwankend zum Fenster. Was sie mit einem Blick hinaussah, war zu viel für ihren Verstand. Einen Dschungel. Einen mit, dichten Lianen und Bäumen überwucherten Dschungel. Sie sah zahlreiche Affen, die aufgeschreckt von Baum zu Baum sprangen und versuchten, sich vor dem gnadenlosen Wetter zu verstecken. Vor dem Fenster befand sich eine gewaltige hölzerne Plattform und Cassandra brauchte nicht nach draußen zu gehen und über die Plattform zu schauen, um zu wissen, das sich dieses Haus hoch oben in einem Baum befand. Fassungslos schüttelte sie ihren Kopf und lief dann schwankend zur Tür, die sie ruckartig aufriss und einen großen Raum erblickte, der sowohl Wohnzimmer wie auch Küche in einem war. In der Mitte dieses wuchtigen Raumes standen die sechs Idioten und hielten in ihrer hitzigen Diskussion sofort inne. Wo war Daeon? Erschrocken schnappte Cassandra nach Luft als sich, die sechs auf sie stürzten, sie in die Arme zogen und prüfend betasteten um sicherzugehen, das es ihr auch wirklich gut ging. Cassandra ließ diese Prozedur ohne zu Murren über sich ergehen und war froh, das sie den Schrecken mit Morgana überlebt hatte.
"Wo ist Daeon?", fragte sie, nachdem die Untersuchung der Jungs fertig war.
"Sich abreagieren", antwortete Azazel.
"Der ist Sauer, so richtig. Der Kocht vor Wut. Wenn er könnte, würde er Morgana wiederbeleben und sie bis zum Gehtnichtmehr Foltern", erklärte Belial ihr und Cassandra lauschte dem Unwetter. Sie wusste, das Daeon es verursachte. Sein Zorn schien keine Grenzen zu kennen.
"Ich habe gesehen, das Daeon zu einem Wolf geworden ist", sagte sie mehr zu sich selbst und erinnerte sich mit schaudern daran, wie er Morgana zerfetzt hatte.
"Er trägt das Blut einer mächtigen Formwandlerin in sich, er kann alles werden, was er möchte", erklärte Samuel ihr und Cassandra riss die Augen weit auf. Dass er die Gaben seiner Mutter geerbt haben könnte, daran hatte sie keine Sekunde lang gedacht. Es war unglaublich und sie fragte sich, welche Mächte er noch hatte. Ihre Gedanken waren wie fortgeweht als plötzlich die Tür im hohen Bogen aufflog und ein von Kopf bis Fuß nasser Daeon eintrat. Sein Körper schien vor Wut zu beben und seine Augen glühten heftig und stark, doch als er Cassandra erblickte, erlosch der wilde Glanz darin. Mit schnellen Schritten eilte er zu ihr, stieß die anderen Sechs brutal zur Seite und riss Cassandra in seine Arme. Wie ein Besessener nahm er ihre Lippen in Besitz und überzeugte sich mit feuriger Inbrunst davon, dass sie lebte und Gesund war. Cassandra war vor Überwältigung wie erstarrt als er von ihr abließ und sie forschend musterte. Nun, wo er in ihre Augen blickte, schien sein Zorn zu schwinden und man hörte, wie das Unwetter sich verzog und in weiter Ferne grollend verstummte.
"Wie hast du mich finden können? Morgana sagte, niemand könne ihr Kraftfeld betreten", wollte sie wissen.
"Ihr Kraftfeld zu durchbrechen war ein leichtes, schwierig war es jedoch, dich darin zu finden. Ich konnte es am Ende nur, weil du meinen Namen nanntest. Wo auch immer du bist, wenn du meinen Namen nennst, kann ich dich finden", antwortete er und Cassandra nahm sich fest vor, sich dies zu Merken. Erleichtert schmiegte sie sich gegen Daeon, doch dann kam ihr eine Frage, die sie zurückweichen ließ. Forschend besah sie sich die Dämonischen Sieben.
"Ich wage es kaum zu fragen aber wo genau sind wir jetzt?". Die Sieben begannen nun schief zu Grinsen, ehe sie ihr im Chor antworteten.
"Irgendwo in Peru".

Die Braut des Schattens (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt