Kapitel 37 - Daeons Dämonen

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Balthasar hielt ruckartig inne als ein heftiger Wind durch den Raum fegte. Er brachte die Vorhänge an den großen Fenstern wild zum Flattern und löschte die Flamme der Kerze. Ein gewaltiges Donnern hallte von draußen durch die Lüfte und das Gemäuer der Festung erzitterte unter einer enormen Macht, die spürbar jeglichen Winkel einnahm. Balthasar wurde Kreidebleich und noch bevor er etwas tun konnte, wurde er von der tobenden Macht ergriffen. Cassandra wusste kaum wie ihr geschah, alles ging viel zu schnell. Balthasar wurde mit roher Gewalt von ihr geschleudert, er flog im hohen Bogen durch den Raum und schlug Brachial gegen die Wände, die unter der Wucht nachgaben, sodass er gerade Wegs in den nächsten Raum flog, wo er erneut die Wände durchbrach. Entsetzt blickte Cassandra das Loch in der Wand an und konnte sehen, wie sich diese Zerstörung einige Zimmer weiter, fortsetzte, bis der Sturz von Balthasar unter freien Himmel endete. Er war aus ihren Blicken entschwunden, doch die tobende Macht war noch deutlich spürbar. Kleine Steine rieselten von der Decke, die Festung erzitterte so sehr, das Cassandra sich rasch im Bett aufsetzte und befürchtete, gleich würde sie von Schutt und Gestein begraben werden. Doch stattdessen legte sich plötzlich eine Decke flatternd über sie, bedeckte ihren Kopf und ihre Nacktheit. Verwundert zog sie die Decke zu ihren Schultern hinab und sah auf. Ein Freudenschrei entfuhr ihr als sie Jeremy erblickte. Doch er selbst schien keineswegs erfreut zu sein, schockiert wirkte er als er all das Blut im Bett sah. Es war überall, selbst an den Wänden, es klebte sogar in ihrem Haar. Er roch, das es ihr Blut war und erst als er erkannte, dass sie keine Wunden hatte, atmete er erleichtert aus. Cassandra konnte vor Freude nicht an sich halten, obwohl ihr Körper sich jeglicher Bewegung verweigern wollte und sie mit Schmerz belohnte, sprang sie aus dem Bett empor und fiel dem Fuchsgott in die Arme.
"Entschuldigung, das wir so lange gebraucht haben", flüsterte Jeremy und während sie fürchterlich am Weinen war, befestigte er die Decke mit einem Knoten an ihr, ehe sein Blick wieder zu dem Bett fiel. Er sah den Dolch, der blutverschmiert auf der Matratze lag und seufzte schwer.
"Heute, wird einer der Brüder Sterben. Das, wird Daeon niemals Verzeihen", flüsterte er und bei diesen Worten riss sich Cassandra von ihm los. Daeon? Natürlich, wenn Jeremy hier war, dann auch er und erst jetzt wurde ihr klar, das es auch Daeon war, der Balthasar so brachial davon gebracht hatte. Bevor Jeremy etwas tun konnte, wirbelte sie herum und hechtete durch das Loch in der Wand. Dann durch das nächste und wieder durch das nächste. Solange bis sie das letzte Loch erreichte und in die tiefe blickte. Ein riesiger Krater befand sich unter ihr am Erdreich, es sah aus als wäre dort ein Meteorit eingeschlagen. Eine Spur der Verwüstung führte von dem Krater aus in die Ferne und sie wusste, das Balthasar und Daeon diese Zerstörung hinterlassen hatten. Fern ihrer Blickweite, war ihr bewusst, das sich die Brüder nun bekämpften und sie betete, das Daeon stärker als sein Bruder war. Daeons tobende und vor Wut gärende Macht, war selbst hier noch immer zu spüren und als sich über ihr ein riesiger Gesteinsbrocken löste, wich sie rasch von der Öffnung zurück, wo sie schließlich gegen Jeremy stieß, der ihr gefolgt war. Hastig klammerte sie sich an ihm, fürchtend, dass das alles nicht Real war.
"Mein Befehl lautet, dich in die Menschenwelt zurückzubringen", meinte Jeremy, der es kaum wagte sie zu berühren, da sie so erschöpft und gebrechlich wirkte. Er wollte sich lieber nicht vorstellen, was sie hatte erdulden müssen.
"Nein! Wenn Daeon da draußen kämpft, werde ich hier bleiben und auch Kämpfen", erwiderte sie, obwohl sie in Wahrheit nichts lieber getan hätte, als aus dieser Hölle zu verschwinden. Jeremy schüttelte verneinend seinen Kopf.
"Solange du hier bist, wirst du in Gefahr sein. Daeon wird nicht sorglos Kämpfen können, wenn du hier bleibst. Noch dazu bist du sehr geschwächt. Cassandra, überlass uns diesen Kampf", sagte er und sie sah ein, dass er wohl recht hatte. Sie wäre nur hinderlich anstatt eine Hilfe. Doch sie konnte keine Ruhe finden, wenn sie wusste, das Daeon hier war und gegen seinen Bruder kämpfte. Erschrocken zuckte sie zusammen als es plötzlich sehr laut wurde, es krachte und polterte, es wurde wild gebrüllt. Noch einmal näherte sie sich dem Loch in der Mauer und spähte hinab. Der Angriff auf Balthasar hatte sein Gefolge nach draußen gelockt, grässliche Kreaturen waren es, die sich nun jedoch den dämonischen Fünf gegenüber sahen. Cassandra jauchzte vor Freude als sie die anderen erblickte, die sich Tapfer vor die dämonische Armee stellte und ihnen nicht erlaubten, den beiden Schatten zu folgen. Es kam zu einem brutalen Kampf. In den riesigen Bären gewandelt preschte Samuel über das Schlachtfeld und mähte seine Feinde um als wären sie die Pins und er die Bowlingkugel. Sein Fauchen, knurren und Brüllen war weit zu hören. Cassandra war beeindruckt, erst Recht als sie davon Zeuge wurde, das Samuel die Größe seiner Bärengestalt verändern konnte. Als sich nämlich ein paar Nuntius auf ihn stürzten, wuchs er und hatte doch tatsächlich die Größe eines ganzen Hauses. Mit seinen riesigen Pranken erschlug er drei seiner Feinde, wodurch die anderen beiden mit einem fürchterlichen Winseln davonrannten. Grollend folgte der riesige Bär ihnen aber Cassandra sah nicht mehr, wie diese Verfolgung endete, da ihr Blick sich nun auf Belial und Azazel heftete. In ihrer Teufelsform fegten sie durch die Feinde wie ein scharfes Messer durch aufgeweichte Butter. Sie kannten kein Erbarmen und ließen ihre ganze Wut an Balthasars getreuen hinaus. Cassandra genoss es, dies zu sehen und ihre Freude wuchs als sie die Brüder erblickte. Sie hatten sich in Beindruckende riesige Phönixe verwandelt und setzten ihre Feinde in Brand. Es war ein unglaublicher Anblick aber schnell musste sie erkennen, das es immer mehr Feinde wurden. Ihre fünf Freunde wurden beinahe überrannt von der Masse, doch sie setzten sich weiterhin zur Wehr. Besorgt fragte sich Cassandra, wie lange das noch gut gehen würde.
"Cassandra vertraue ihnen, sie schaffen das, wir sollten nun gehen, es ist zu gefährlich hier", rief Jeremy und zerrte sie von dem Loch fort. Zuerst wollte sie protestieren, doch dann hörte sie den Krawall im Inneren der Festung. Etwas großen, knurrendes war auf den Weg zu ihnen und Cassandra wollte lieber nicht herausfinden, was es war. Daher klammerte sie sich nickend an Jeremy fest und erlaubte ihm, sich mit ihr zu Teleportieren. Erschrocken schnappte Cassandra nach Atem als sie sich dann plötzlich im gleißenden Licht wiederfand und rasch ihre Augen schließen musste. Wohin hatte Jeremy sie gebracht? Ein lauter Aufschrei war zu hören und im nächsten Moment wurde Cassandra von jemanden umarmt. Hä? Mehrmals blinzelte sie und als sich ihr Blick an das grelle Tageslicht gewöhnte, das durch mehrere Fenster schien, schrie auch sie auf vor Freude. Denn niemand anderes als Sarah hing ihr gerade um den Hals. Jeremy hatte sie mitten in das Wohnzimmer von ihr Teleportiert und Cassandra war so glücklich, das sie kurzzeitig all den Schrecken vergaß und ihre Freundin knuddelte. Und dann war da plötzlich auch Michael bei ihr und umarmte sie. Cassandra bekam kaum noch Luft, so heftig wurde sie von den beiden gedrückt. Unter Tränen verschleierten Blickes, entdeckte sie auch Andrew und Stuart, die mit offenen Mündern auf der Couch saßen und dem Zufall sei Dank, gerade zu Besuch waren. Die Ungläubigkeit stand ihnen deutlich in das Gesicht geschrieben und sie brauchten eine Weile bis sie verstanden, das Cassandra wirklich hier war. Mit lautem fröhlichen Lachen sprangen sie auf und eilten zu ihr. Cassandra schnappte hörbar nach Luft, als die beiden nun auch noch an ihr hingen wie ein paar Kletten. Sie alle waren von dem plötzlichen Wiedersehen überwältigt und ihnen liefen die Tränen der Freude. Doch dann als sich Jeremy räusperte und sich ihre Freunde von ihr lösten, wurden ihre Gesichter ganz bleich vor Schreck.
"Was ist passiert?", fragte Sarah als sie ihre Freundin nur in eine Decke gewickelt sah und erkennen musste, das sie in ihrem Haar Blut kleben hatte.
"Eine lange Geschichte, sie wird es euch erklären. Verlasst nicht das Haus, bis wir Entwarnung geben. Ich gehe nun und helfe den anderen", meinte Jeremy und wollte verschwinden, doch Cassandra packte ihn am Arm und hielt ihn auf.
"Versprich mir, das ihr lebend zurückkommt", flehte sie.
"Das kann ich nicht versprechen, doch wir geben unser bestes", sagte er und Cassandra gab sich Notgedrungen damit zufrieden.
"Noch etwas?", fragte Jeremy als sie keine Anstalten machte ihn loszulassen.
"Dort, wo ihr mich fandet, liegt ein, nun ja, ein Zombie, ... bitte hilf ihm", flüsterte sie und Tränen brannten in ihren Augen. Ihre Freunde sahen sie völlig entsetzt an und waren sich nicht sicher, ob sie gerade wirklich Zombie gesagt hatte. Auch Jeremy wirkte überrascht, doch er stellte keine Fragen, nickte und verschwand dann. Erschöpft brach Cassandra in die Knie und betete, das es Daeon, ihrem Bruder und ihren Freunden gut ging. Sie hasste es, das sie ihnen nicht helfen konnte. Sarah war die erste, die endlich aus der Starre erwachte und hastig in die Küche eilte, wo sie Cassandra etwas zu trinken besorgte. Erst als Cassandra die Flasche mit Wasser sah, wurde ihr bewusst, welchen schrecklichen Durst sie hatte. Gierig trank sie beinahe die ganze Flasche leer. Ihre Freunde sahen sie schweigend an, sie spürten das etwas Schlimmes geschehen war oder gerade noch geschah, doch sie stellten keine Fragen, warteten, bis Cassandra diese von selbst beantworten würde. Gerade als sie sich dazu bereit fühlte, ihnen einiges zu erklären, tauchte jedoch Jeremy wieder auf. Sarah und die anderen kreischten sofort los, da Jeremy einen Zombie bei sich hatte, den er eiskalt auf die nagelneue Couch von Michael ablegte und dann Wortlos wieder verschwand. Der Geruch der sich nun sogleich in der Wohnung verströmte brachte die anderen dazu sich in den nächstbesten Behältern zu übergeben. Bei Michael war es ein Blumentopf, bei Sarah der Papiereimer, während die anderen beiden in eine Tüte erbrachen. Cassandra selbst bemerkte den Gestank jedoch kaum, sie hatte nur Augen für ihren Bruder, dessen Glieder noch immer ganz verdreht waren. Er Röchelte und starrte sie an, er wirkte erleichtert und froh darüber, dass es ihr offenkundig gut ging. Nachdem sich ihre Freunde erbrochen hatten und hastig jegliches Fenster geöffnet worden war, schrien sie wieder ganz hektisch herum und fürchteten, der Zombie würde sich gleich erheben, um ihre Gehirne zu fressen.
"Ich kann eure Panik sehr gut verstehen, aber bitte hört auf zu Schreien, das ist mein Bruder", rief Cassandra und das Geschrei ihrer Freunde verstummte. Entgeistert sahen sie zwischen ihr und dem Zombie hin und her. Cassandra ließ sich rasch neben der Couch nieder und ergriff die Hand ihres Bruders, wobei sie erstaunlicherweise gar keinen Ekel mehr empfand. Ihr Herz erwärmte sich für ihn, sie fühlte sich ihm sehr nahe und es war ihr egal, wie hässlich er war, egal, wie sehr er stank.
"Was ist hier eigentlich los?", wagte es Michael zu fragen. Cassandra atmete tief ein und aus, ehe sie ihren Freunden alles erzählte, - wirklich alles! Sie ließ ihre Worte in erstaunlicher Geschwindigkeit hinaus, doch ihre Gedanken waren stets bei Daeon und den anderen, die gerade einen Kampf um Leben oder Tod fochten und auch wenn sie sich nicht sicher war, ob ihr Vater sie erhören würde, flehte sie ihn leise flüsternd um Hilfe an.


So schnell wie es Jeremy möglich war, kehrte er zu seinen Freunden zurück um ihnen im Kampf zu helfen. Das war auch bitter nötig, denn immer mehr Dämonen strömten aus der Festung. Gemeinsam versuchten sie diese Übermacht daran zu hindern, den Schatten zu folgen, die sich spürbar immer weiter von ihnen entfernten.
"Diese Sache lässt ihr die Brüder mal schön alleine klären, wenn ihr Kämpfen wollt, dann mit uns", brüllte Samuel und seine Stimme hallte wie ein Echo über das gesamte Schlachtfeld. Das ließen sich die feindlichen Dämonen nicht ein zweites Mal sagen und obwohl die Übermacht gewaltig war, schafften es die Sieben, sich gegen sie zu behaupten. Allerdings wussten sie, das dies nicht lange so bleiben würde, denn auch ihre Kräfte hatten gewisse Grenzen. Der Ansturm ihrer Feinde fand einfach kein Ende und so kam es, wie es kommen musste, die Sieben pfiffen schon bald aus dem letzten Loch und wurden immer weiter zurückgedrängt. Ihnen wurde klar, dass sie Unterstützung brauchten. Da kam es natürlich ganz gelegen das Daeon in dieser Welt so etwas wie ein Herrscher war und tausende von treuen Dämonen hatte, die ohne zu Zögern für ihn in den Kampf ziehen würden.
"Jeremy, gehe und schlage Alarm, wir brauchen Hilfe, jetzt", rief Belial ihm zu und gerade als Jeremy sich davon Teleportieren wollte, wehte plötzlich ein heftiger Wind auf, so stark, das sich kaum einer auf den Beinen halten konnte. Zunächst befürchteten die Sieben, das dies ein böser Zauber sei, doch sie sahen, dass auch ihre Feinde von dem Wind ohne Gnade erwischt wurden.
"Was passiert hier?", rief Gregor, der sich zusammen mit seinem Bruder gezwungen sah, seine Phönix Gestalt aufzugeben um am Boden nach sicheren Halt zu suchen. Die Antwort kam als ein Flüstern, die fremde Stimme wehte mit dem Wind zu ihnen. Dieselbe Stimme, die sie beim Blutmeer gehört hatten.
"Sie kommen", - flüsterte das unbekannte und dann verschwand der Wind und an seiner Stelle erschienen wie aus dem nichts hunderte von Dämonen, die sich sofort Angriffslustig auf die getreuen von Balthasar stürzten. Die Sieben trauten ihren Augen nicht, den viele dieser Dämonen waren ihre Freunde, es waren die getreuen von Daeon. Das Blatt wendete sich nun geschwind, Balthasars Dämonen hatten keine Chance, denn nun waren sie es, die sich in der Unterzahl befanden.
"Woher wusstet ihr, das wir eure Hilfe brauchen und wie zum Geier habt ihr den Weg hierher gefunden?", fragte Jeremy einen schmächtigen jungen Mann, mit dem er gerade gemeinsam einen Nuntius zerlegte. Dieser Mann war ein Schatten elf, ein Wesen der Nacht und obwohl er etwas Zerbrechliches, fast etwas weiblichen an sich hatte, konnte er zuhauen wie sonst was.
"Es war der Wind, er hat uns gesagt, was hier gerade passiert und uns den Weg hierher gezeigt", erklärte der Elf und Jeremy fragte sich erstaunt, wer ihr unbekannter Helfer war. Allerdings geriet diese stumme Frage schnell in Vergessenheit, denn in der Ferne schienen die Mächte der Schatten plötzlich wortwörtlich zu Explodieren, es erzeugte eine Druckwelle, die selbst bis hierher zu spüren war und alle die sich auf dem Schlachtfeld befanden, hielten vor Schreck kurz inne.
"Es scheint ganz so, als würde der Showdown zwischen den Brüdern nun beginnen", stellte Samuel fest und jeder einzelne unter ihnen erschauderte, da diese Macht alles andere in den Schatten stellte und nun war klar, weshalb Daeon seinen Bruder so weit fortgebracht hatte. Wenn sie die Auswirkung des Kampfes selbst hier noch spürten, wollten sie lieber nicht noch näher bei ihnen sein.
"Daeon schafft das, sorgen wir nun dafür, das hier alles frei von Balthasars Parasiten ist, bis Daeon zurückkommt", rief George und mit einem lauten Schlachtruf stürzten sie sich in den Kampf.

Die Braut des Schattens (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt