Kapitel 29 - Trolle!

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Mit einem leisen und sehr gequält klingenden Stöhnen kam Cassandra wieder zu Bewusstsein. Sie wusste sofort, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Es fühlte sich an als wäre sie gegen eine Mauer gerannt. Noch dazu war es heiß, so unerträglich heiß. Blinzelnd schlug sie ihre Augen auf und fand sich auf einer alten und übelriechenden Couch liegend vor. Angewidert rümpfte sie ihre Nase und erhob sich hastig, was zur Folge hatte, das sie gefährlich schwankte und sich zitternd an einem alten Tisch klammern musste. Schwer atmend sammelte sie ihre Sinne, die sehr angeschlagen waren und sah sich dann um, in dem Versuch zu verstehen, wo sie sich befand. Dieses Haus war ihr fremd und es wirkte nicht so als würde hier noch jemand leben. Der Boden des Hauses war mit einer dicken Staubschicht überzogen und neben den wenigen noch vorhandenen Möbeln, die bereits brüchig waren, gab es zahlreichen Müll, der einen üblen Geruch verströmte. Die Haustür hing schief in den Angeln und jegliche Fenster waren zerstört und die Öffnungen mit Brettern versiegelt, wo die Sonnenstrahlen schwach durch jede Ritze krochen. Erschaudernd fragte sie sich, weshalb Daeon sie in solch einem Elend von Haus gebracht hatte. Doch kaum war diese stumme Frage in ihr verklungen, begann sie sich schlagartig daran zu Erinnern, was geschehen war. Die Angst nahm jeden Winkel ihres Körpers ein und so schnell wie sie konnte, stürmte sie in jenes Zimmer, wo sie Daeon zuletzt gesehen hatte. Doch er war nicht da, das Bett war leer. War dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Panisch rief sie nach ihm, immer und immer wieder. Doch Daeon kam nicht. Cassandra wusste, dies war kein gutes Omen. Niemals würde er ihren Ruf ignorieren, es sei denn er war nicht bei Sinnen oder gar schon Tod! Schluchzend schüttelte sie ihren Kopf, denn die letztere Möglichkeit wollte sie nicht akzeptieren. Der Kummer zermalmte ihr Herz und das Atmen schien immer schwerer zu werden. Die Angst um ihren Geliebten, raubte ihr nun jegliche Standhaftigkeit, sodass sie in die Knie brach und jämmerlich weinend am Boden kauerte. Doch plötzlich legte sich eine Hand ganz sanft auf ihren Kopf und jemand streichelte beruhigend durch ihr Haar. Voller Hoffnung sah sie auf, doch es war nicht Daeon, sondern Jeremy, der traurig auf sie hinabblickte.
"Wo ist er?", fragte sie schluchzend.
"Es ging ihm schlechter, sehr, sehr schlecht. Daher brachten wir ihn zu den heiligen Quellen zurück, in der Hoffnung, es würde seinen Kampf gegen das Gift etwas erleichtern", antwortete er und entsetzt griff sie sich an die Brust, dorthin, wo ihr Herz schlug und vor Angst krampfte. Dass ihr geliebter Daeon in solch einer Gefahr schwebte, kam ihr unwirklich vor, sie wollte nicht wahrhaben, das etwas stärker als er sein konnte. Sie hatte ihn immer für Unbesiegbar gehalten. Wie sollte sie ohne ihn weiterleben? Es war unmöglich, der Kummer erschütterte sie. Hatte sich so Daeon in den letzten fünfhundert Jahren gefühlt? Das war schrecklich, genauso wie diese verdammten Schmerzen, die immer schlimmer und unerträglicher wurden. Was war nur los mit ihr? Ihr Blut köchelte immer stärker, sie hatte das Gefühl zu verbrennen, doch sie tat es nicht. Was immer auch da mit ihr passierte, es machte ihr große Angst, es überwältigte sie und verzweifelt klammerte sie sich an Jeremy fest. Erschrocken sah er sie an, denn es war nicht zu übersehen, das sie gerade Schmerzen litt. Doch noch bevor er irgendwas tun konnte, rissen die unsichtbaren Ketten in ihrem inneren, sie zerbarsten unter dem Druck einer gewaltigen Macht, die nun endlich ihrem Gefängnis entkam und jeden Winkel des Körpers einnahmen. Lauthals schrie Cassandra auf, denn nun war der Schmerz zu unerträglich. Entsetzt rief Jeremy ihren Namen als sie krampfend und schreiend am Boden lag.
"Oh nein, ist etwa noch Gift in dir?", rief er panisch, doch sie hörte ihn bereits nicht mehr, all ihr sein wurde von der Macht verschluckt, sie konnte nichts dagegen tun und stürzte in ein tiefes nichts. Jeremy wusste nicht, was er tun sollte und rief verzweifelt nach Belial, der kurz darauf erschien und sogleich entsetzt auf Cassandra nieder blickte.
"Was ist mit ihr?", fragte er und wollte nach ihr greifen, doch hastig schreckte er wieder zurück, da er sich seine Hände an ihr verbrannte. Das Blut in ihr kochte so sehr, das die Luft um sie herum zu flirren begann.
"Sie hat wohl noch Gift in sich", rief Jeremy verzweifelt.
"Das bezweifle ich, Daeon war sicherlich gründlich und hat alles entfernt, noch dazu sind diese Symptome nicht für das Gift typisch", widersprach Belial.
"Was ist dann der Grund? Verdammt tue doch was, sonst stirbt sie", rief Jeremy, doch Belial war genauso Hilflos wie er. Mit einem letzten markerschütternden Schrei bäumte sich Cassandra auf und als die beiden in ihre weit aufgerissenen Augen blickten, erstarrten sie vor Schreck. Sie glühten Silbern. Mit einem jämmerlichen Wimmern brach Cassandra dann wieder in sich zusammen und blieb regungslos am Boden liegen. Mit angehaltenem Atem blickten Belial und Jeremy auf sie hinab und konnten kaum Glauben, was sie da eben gesehen hatten.
"Nur um sicherzugehen, du hast das auch gerade gesehen, oder?", fragte Belial und seine Stimme klang vor Panik einige Oktaven höher. Jeremy nickte und ein Verdacht keimte in ihnen heran, einer, der sie dazu antrieb, hastig nach den anderen zu rufen. Einer, nachdem anderen, erhörten diese den Ruf und erschienen.
"Ich hoffe für euch, das es wichtig ist, immerhin ist Daeon gerade alleine und ungeschützt", schimpfte Samuel. Stumm zeigte Jeremy auf Cassandra nieder.
"Was ist mit ihr?", fragte Gregor sogleich und klang sehr besorgt. Hastig erzählte Jeremy, wie sie plötzlich zu Schreien begonnen und offensichtlich unter Schmerzen gelitten hatte.
"Das Schattengift?", fragte Azazel alarmiert.
"Nein, aber ihre Augen, sie haben geglüht, ohne Scheiß, sie haben Silbern geleuchtet", antwortete Belial und alle schnappten hörbar nach Atem.
"Unmöglich, silberne Augen sind ein Merkmal der Summoner", rief Samuel.
"Vielleicht ist sie wieder zu einem geworden?", fragte Jeremy.
"Man kann nicht einfach von einem Menschen zu einem Summoner werden. Sie hätte, wenn schon als einer geboren werden müssen", winkte George ab.
"Vielleicht ist sie das auch?", fragte sein Bruder nachdenklich und alle sahen ihn mit riesigen und fassungslosen Augen an.
"Nun ja, sie ist immerhin ein Waisenkind. Vielleicht waren ihre Eltern keine Menschen, vielleicht ist sie ...", Gregor brach ab als die anderen hektisch verneinend den Kopf schüttelten.
"So ein Schwachsinn, das wäre uns doch aufgefallen", meinte Azazel.
"Oh nein, was ist, wenn Balthasar einen seiner Dämonen geschickt hat und dieser nun Besitz von Cassy genommen hat?", fragte Jeremy und sie wussten, das dies durchaus möglich war. So mancher Dämon war darauf Spezialisiert in die Körper anderer einzudringen und sie nach Belieben zu steuern.
"Das vermutete ich zunächst auch, doch dann hätten ihre Augen rötlich und nicht Silbern geglüht", meinte Samuel und rieb sich nachdenklich am Kinn.
"Oh, ich wette, wenn Daeon jetzt hier wäre, der würde durchdrehen", flüsterte Belial und blickte besorgt auf Cassandra nieder, deren ruhige Atmung bezeugte, das sie noch am Leben war. Es sah aus als würde sie friedlich schlafen.
"Gut, beruhigen wir uns erst einmal. Sie lebt, das ist momentan das wichtigste", sagte Samuel schließlich und wandte sich an die Brüder.
"Kehrt zu Daeon zurück, er sollte nicht unbewacht bleiben. Wir anderen bleiben bei Cassandra. Sollte sie wirklich Besessen sein, werden wir es erfahren, sobald sie erwacht", meinte er und zustimmend nickend verschwanden die Brüder, während Belial die bewusstlose Cassandra auf seine Arme hob und im Bett ablegte. Wachsam stellten sie sich dann in einem Halbkreis um das Bett herum auf, wissend das, wenn sie erwachte und ein Dämon in ihr wahr, es vermutlich zu einem Angriff kommen würde.

Die Braut des Schattens (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt