Kapitel 36 - Tobender Schatten

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Als Daeon im Zauberwald erschien, war ihm sogleich klar, dass er hier weder seinen Bruder noch Cassandra würde finden können. Diesen Ort würde Balthasar niemals freiwillig betreten. Es roch überall nach Blumen und sie waren auch zu sehen, knallbunt wucherten sie in jedem Winkel des Waldes. Hunderte von ebenso bunten Schmetterlingen flatterten durch die Lüfte und selbst die Bäume, hatten ein buntes Blätterdach. Nein, das war definitiv kein Ort für Balthasar. Angespannt lauschte Daeon dem Gesang der Vögel, es war eine schöne Melodie, doch er wusste, dass diese Vögel tödlich waren. Näherte man sich ihnen, stürzten sie in Schwärmen auf ihr Opfer nieder und pikten es mit ihren Schnäbeln zu Tode. Der Wald vermag auf den ersten Blick wie ein Paradies wirken, doch er gehörte zu den gefährlichsten Orten in dieser Welt. Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten suchten ihn heim, jener Tag, an dem er mit Selina diesen Wald betreten hatte. Völlig unerwartet waren sie Jeremy begegnet und eines hatte zum anderen geführt, die Hexe war vernichtet und der Fuchsgott befreit. Seitdem, war kein Tag mehr ohne Jeremy vergangen. Seufzend riss sich Daeon von dieser Erinnerung los und betrachtete sich das Hexenhaus, das sich in einiger Entfernung befand. Er hatte erwartet, das dieses Haus zerfallen sei, doch es war völlig intakt. Rauch stieg aus dem Schornstein empor und bewies, das hier jemand lebte. Als die anderen bei ihm erschienen, betrat er mit ihnen das Haus. Niemand war hier, doch auf dem Tisch in der Mitte des Raumes, stand eine Schüssel, in der sich eine dampfende Suppe befand. Daeon spannte sich an, wer auch immer hier wohnte, er hatte sich wohl hastig vor ihnen versteckt und noch war es unklar, ob dieser jemand eine Gefahr bedeutete. Doch warum nur hatte die körperlose Stimme ihn hierher geschickt? Es musste einen Grund dafür geben. Entschlossen begann er in den ganzen Habseligkeiten zu wühlen, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, das ihm Helfen könnte. Vergeblich!
"Ich habe nicht erwartet, das jemand dieses Haus bewohnt", sagte Jeremy und schnüffelte hektisch umher, ehe er ein sehr grimmiges Gesicht zog.
"Dieses Parfum, ha, sie ist es eindeutig", sagte er und alle warfen ihm einen fragenden Blick zu, woraufhin er ihnen erklärte, dass die Hexe, die von Daeon getötet worden war, eine Schwester gehabt hatte. Dem Geruch nach war diese Schwester die neue Bewohnerin dieses Hauses. Sogleich war Daeon noch angespannter, denn mit Hexen war nicht zu spaßen. Sie hatten fiese Tricks auf Lager und konnten einen Sachen denken lassen, die man nicht wollte. Ihre Flüche, waren abgesehen vom Blutmeer, die schlimmsten die es gab. Einmal in der Gewalt einer Hexe und man entkam ihnen nur sehr, sehr selten. Daher war es nicht verwunderlich, das ihm ein Schauer über den Rücken zog als das leise Lachen der Hexe ertönte. Allesamt wirbelten herum. Dort an der Tür stand sie. Die Hexe hatte langes blondes Haar und ihr schlanker Körper war in feinster Seide gehüllt. Daeon wusste, dies war ein Trugbild, denn Hexen hatten nichts Schönes an sich, sie täuschten nur die Augen ihrer Gegenüber.
"Wie schön dich wiederzusehen Jeremy", sprach die Hexe und kicherte. Daeon stellten sich die Nackenhaare auf, er stellte fest, dass er das Weib nicht mochte. Aber würde sie ihm Helfen können? Hexen waren immerhin dafür bekannt, jeden Zauber umgehen zu können, was bedeutet, wenn sie stark genug war, könnte sie den Palast von Balthasar finden. Doch als ihr Blick auf ihn fiel, war ihm klar, das sie ihm niemals freiwillig Helfen würde. Purer Hass flog ihm entgegen und das er der Mörder ihrer Schwester war, schien sie zu wissen.
"Ich weiß genau, weshalb ihr hier seid", sagte sie und schlenderte gemächlich zu dem Tisch, wo sie sich setzte und von ihrer Suppe aß. Daeon war Alarmiert. Sie wusste es? War er in eine Falle gelaufen?
"Woher?", wollte Belial wissen und knurrte die Hexe leise an. Gelassen schlürfte sie ihre Schüssel leer, tupfte sich dann die Lippen mit einem Tuch sauber und wandte sich mit einem spöttischen Blick an die sieben.
"Ihr seid hier, weil die Braut des Schattens entführt wurde", sagte sie.
"Du weißt also davon?", fragte Daeon.
"Natürlich, ich habe kleine Spione, die für mich die Welt da draußen im Auge behalten. Ich sehe alles, was ich sehen will. Ich sehe sogar das, was gerade im Palast von Balthasar passiert", antwortete die Hexe und Daeon war sofort bei ihr, zerrte sie von ihrem Stuhl empor und schüttelte sie heftig durch.
"Cassandra, was ist mit ihr? Wenn du deine Spione dorthin schicken kannst, dann mich auch. Tue es, sofort", verlangte er, doch mit einem höhnischen Gelächter befreite sie sich von seinem Griff.
"Bedaure. Meine Spione sind, nun ja, anders als wir. Sie können Barrieren passieren und hingehen, wo ich will. Doch ich kann weder dich, noch deine Freunde dorthin schicken. Und selbst, wenn ich es könnte, würde ich dir nicht Helfen", sagte sie und als sie bemerkte, wie verzweifelt Daeon war, begann sie höhnisch zu Grinsen.
"Aber ich kann dir sagen, was da gerade passiert oder passiert ist. Es ist mir eine Freude, dir zu berichten, dass deine Geliebte unglaubliche Qualen erleidet. Weißt du, dein Brüderchen hat einen Zauber gewirkt, der sie nicht Sterben lässt. Er quält sie, er bringt sie immer wieder an die Schwelle des Todes, die sie jedoch nicht passieren kann. Ihre Wunden mögen heilen, doch nicht der Schmerz ihrer Seele, hach, wie lange wird sie dies wohl noch ertragen?", sagte sie und Daeon war entsetzt. Nicht nur er, sondern auch die anderen schnappten hörbar nach Atem. Lachend begann die Hexe im Kreis, um Daeon zu laufen, wobei sie seine Verzweiflung sichtlich genoss.
"Soll ich dir noch etwas verraten? Dein Bruder, weiß von deinem zukünftigen Kind und warum glaubst du wohl, tötet er deine Liebste nicht und hält sie stattdessen gefangen? Soll ich dir auf die Sprünge helfen, hihi, weißt du, dein Bruder ist nicht dumm, er weiß wie mächtig ein Kind sein würde, das von einem Schatten und einem Summoner, der gleichzeitig das Blut des Mondgottes in sich trägt, gezeugt werden würde. Balthasar hat jedoch kein Interesse daran, die Welten zu retten, stattdessen will er sie beherrschen und dazu ist ihm jegliches Mittel recht. Ahnst du es schon? Nein? Gut, ich erkläre es dir mal genauer", sagte sie und Daeon erstarrte als ihre Lippen dicht an seinem Ohr verharrten.
"Er will dieses mächtige Kind mit ihr Zeugen", flüsterte sie und lachte, da sie es so sehr liebte, den Mann zu quälen, der ihre Schwester tötete. Jedoch verging ihr Lachen nun und wandelte sich in einen entsetzten Schrei als Daeon vor Wut berstend seine Macht entlud, die sie und seine Freunde, im hohen Bogen davon schleuderte und gegen die Wand krachen ließ. Sein Wutschrei brachte den Gesang der Vögel im Wald zum Verstummen und das Erdreich begann zu Beben. In letzter Sekunde konnten sich die Sechs und die Hexe in Sicherheit bringen, ehe das gesamte Haus in sich zusammenstürzte, da es der Macht von Daeon nicht standhielt.
"Okay, der letzte Satz hat das Fass zum Überlaufen gebracht", stellte Azazel fest und sie erschauderten als sie Daeon entdeckten, der mitten in den Trümmern des Hauses stand. Sein Schatten züngelte wie ein loderndes Feuer an ihm und seine Augen, - ach du Schreck, die glühten nicht mehr rot, die waren Schwarz, einfach nur finster Schwarz. Ein mächtiges Knurren entfloh seiner Kehle und als er zu der Hexe blickte, begann diese vor Angst zu kreischen. Die Aura, die er ausstrahlte, zwang sie in die Knie und sie flehte um Gnade als er langsam und bedrohlich auf sie zuschritt.
"Bring mich in diesen verdammten Palast, sofort", befahl er und brüllte das letzte Wort.
"Das kann ich nicht, es war nicht gelogen, ich kann es nicht", rief sie und schrie als er sie an den Haaren packte und näher zu sich heranzog. Seine bloße Erscheinung raubte ihr den Atem, seine Macht war unbeschreiblich, erdrückend und wahrhaftig die eines Gottes. Belial und die anderen wichen hastig etwas zurück, selbst sie fürchteten ihn in diesem Zustand.
"Wenn du es nicht kannst, wirst du hier und jetzt Sterben", grollte Daeon und die Hexe schrie als sein Schatten sie umhüllte und ihren Körper zu zerquetschten drohte.
"Nein, bitte nicht, ich flehe dich an. Hör zu, ich kann dich nicht hinbringen, du selbst dich aber schon", schrie sie verzweifelt und augenblicklich ließ Daeon von ihr ab und nach mehrmaligem Blinzeln, klärten sich seine Augen und er brachte seine Macht wieder unter seiner Kontrolle. Sogleich warf sich die Hexe vor seinen Füßen.
"Für euch, ist es einfacher als ihr denkt den Palast zu finden. So einfach, das es fast schon Lächerlich ist. Ihr habt nur nach euren Bruder und nach eurer Braut gesucht, nicht aber nach euch selbst", sagte sie und Daeon blinzelte verwirrt.
"Nach mir selbst?", fragte er.
"Der Ring, den eure Braut trägt. Er wird euch zu ihr führen. Egal wie mächtig ein Zauber ist, der Schatten im Ringstein ist der eure und keine Macht der Welt, kann euch von ihm trennen", antwortete die Hexe und Daeon sog scharf die Luft ein. War es wirklich so einfach? Konnte er der Hexe glauben? Sogleich schloss er seine Augen und versuchte sich zu Konzentrieren. Zunächst spürte er jedoch nichts und in ihm wuchs der Zorn, da er glaubte, die Hexe habe ihn belogen. Doch dann war es, als würde er mit seinen Sinnen eine Mauer durchbrechen und deutlich nahm er plötzlich seinen aufgebrachten Schatten wahr. Jener Teil, der sich im Ringstein befand und darin vor Wut tobte, in dem Verlangen auszubrechen und seine Göttin zu schützen. Ruckartig schlug Daeon seine Augen auf und packte Belial an der Hand.
"Ich hab ihn", rief er und sogleich griffen die anderen nach Daeon, berührten ihn und er Teleportierte sich zusammen mit ihnen davon. Die Hexe blieb zurück, froh darüber, noch am Leben zu sein.

Die Braut des Schattens (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt