Kapitel 30 - Gefesselte Mächte

2.1K 115 3
                                    

Wären sie nun nicht in dieser dämlichen Situation gefangen, wäre Daeon den Trollen eigentlich sehr dankbar dafür, das sie alles taten, um Cassandra zu beschützen. Doch leider sahen sie auch in ihm eine Gefahr und reagierten auf sein Nahen mit wilder Raserei. Die hellsten in der Birne waren die Trolle nicht aber dennoch war es schwer, an ihnen vorbei und zu Cassandra zu gelangen. Immer wieder musste Daeon den Hieben, Tritten und Keulen der Trolle ausweichen und leider wurde er mehr als einmal getroffen und fortgeschleudert. Auch seine Freunde kassierten ordentliche Prügel und Cassandra selbst lief ungerührt weiter. Sie drehte sich kein einziges Mal herum und schien gar nicht wahrzunehmen, was hinter ihr passierte.
"Zwecklos, wir kommen nicht an sie heran", fluchte Samuel, nachdem sie zum gefühlten hundertsten Male gescheitert waren und sich zurückzogen um zu verschnaufen. Ab einer gewissen Entfernung zwischen ihnen und Cassandra, begannen sich die Trolle nämlich sofort wieder zu beruhigen und begannen damit, ihrer Herrin den Weg weiter frei Zuschlagen.
"Ich kann mich kaum auf den Beinen halten", krächzte Belial und sie alle, fühlten sich schwächer als sonst. Daeon ahnte, das Cassandra daran die Schuld trug. Es war eine ihrer Gaben, ihre Feinde zu schwächen und diese Kraft setzte sie unbewusst frei.
"Diese Trolle sind nicht gerade die Hellsten, daher schlage ich vor, ihr lockt sie weg", meinte Daeon nach kurzer Verschnaufpause.
"Ach was? Und du marschierst dann brav und ohne Prügel zu Cassandra während wir uns um die Dickhäuter kümmern müssen?", fragte Belial und als Daeon nickte, zeigte der Rotschopf ihm murrend den Stinkefinger.
"Ich finde diese Idee gar nicht so übel. Alle auf einmal funktioniert nicht, wie wir eben gesehen haben. Ich finde, wir sollten es versuchen", sagte Jeremy und nach einer kurzen Debatte stimmten alle zu, selbst Belial.
"Einer der Brüder bleibt bei mir, wo auch immer Cassandra blutet, einer von ihnen muss die Wunde heilen, damit diese Biester endlich in ihre Welt zurückkehren", sagte Daeon und sofort spielten die Brüder eine Runde Schnick Schnack Schnuck. Dieses Spiel hatten sie von Andrew gelernt und Gregor war der glückliche, der bei Daeon bleiben durfte. Die anderen stürzten sich nun auf die Trolle und versuchten diese, von Cassandra fortzulocken. Das funktionierte sogar ohne sonderliche Probleme, die Trolle waren einfach zu Blöd um zu bemerken, das dies nur eine List war. Als sie weit genug von Cassandra entfernt waren, preschten Daeon und Gregor los. Doch wie sich herausstellte, schienen die Trolle einen sechsten Sinn zu haben, sie spürten sofort, dass sich jemand ihrer Herrin näherte. Zornig brachen sie die Verfolgung auf die anderen fünf ab und kehrten zurück. Doch auch wenn sie dank ihrer Größe, große Schritte taten, waren sie zu langsam und dies bedeutete für Daeon genügend Zeit, um Cassandra zu erreichen. Was er auch tat und sie am Arm zu fassen bekam. Doch kaum hatte er sie berührt, wirbelte Cassandra zu ihm herum und er blickte direkt in ihre silbernen Augen. Obwohl ihm dieser Anblick von früher vertraut war und er diese Augen liebte, schockierten sie ihn nun. Es war ein beweis dafür, das es keinen Zweifel mehr daran gab, das Cassandra tatsächlich ein Summoner geworden ist. Er wusste nicht so recht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht, er liebte beides, sowohl den Summoner in ihr als auch den Menschen, aber er fürchtete die Macht, die den Verstand seiner liebsten verschlang. Diese Gedanken brachten Daeon zum Zögern und das war sein Fehler. Als er spürte, wie Cassandra ihre Hand auf seine Brust legte, war es bereits zu spät. Ihre Macht entlud sich gegen ihn und von einer enormen Druckwelle erfasst, wurde er davongeschleudert. Den armen Gregor riss er dabei mit sich und beide krachten, Gregor voraus, gegen einen Baum, der durch die Wucht entwurzelt wurde und knackend umkippte.
"Wow, ich habe ganz vergessen, wie stark sie sein kann", stöhnte Daeon, während er ächzend versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Cassandra hatte ihm bereits wieder den Rücken gekehrt und lief in aller Seelenruhe weiter. Er wollte ihr hinterher, doch die Trolle erreichten ihn und Gregor. Rasch wichen sie dem riesigen Fuß eines Trolles aus, der wütend nach ihnen trat. Aus dem letzten Loch pfeifend, zogen sich die beiden zusammen mit den anderen wieder in sicherer Entfernung zurück um neue Kräfte zu sammeln und der schwächenden Magie von Cassandra zu entgehen.
"Das bringt nichts", fluchte Samuel.
"Doch, wir dürfen nicht aufgeben. Ich war nur unvorsichtig gewesen, beim nächsten Versuch klappt es", widersprach Daeon und Gregor nickte.
"Er hat recht, immerhin haben wir sie schon erreichen können, wir schaffen das", meinte er und die anderen stimmten seufzend zu. Sie hatten sowieso keine andere Wahl als es weiterhin zu versuchen. Es wäre katastrophal wenn Cassandra mit ihren Trollen weitermarschierte und irgendwann ein Dorf oder gar eine Stadt erreichte. Noch dazu wollte keiner von ihnen, das Cassandra in ihrem jetzigen Zustand blieb. Nachdem sie genügend Kräfte gesammelt hatten, wandten sie noch einmal dieselbe Taktik an und wieder fielen die Trolle darauf rein und ließen sich fortlocken. Daeon und Gregor warteten geduldig, bis sie weit genug entfernt waren, ehe sie zu Cassandra eilten. Wie schon zuvor wurde dies von den Trollen bemerkt und Daeon gelang es erneut Cassandra am Arm zu packen. Zornig drehte sie sich zu ihm herum, doch bevor sie ihre Kräfte gegen ihn einsetzen konnte, stellte er ihr das Bein, sodass sie mit einem Keuchen rücklings zu Boden stürzte. Sogleich setzte sich Daeon auf sie, fesselte sie mit seinem Gewicht an den Boden, packte ihre Hände und drückte sie nieder. Das gefiel ihr ganz und gar nicht, sie wehrte sich aus Leibeskräften, doch diesmal war er in der Lage sie zu beherrschen. Schwer musste er jedoch schlucken, denn obwohl sie ihn direkt ansah, erkannte sie ihn nicht. Hatte die Macht ihren Verstand bereits gespalten? Würde sie für immer ein vom Instinkt gesteuertes Wesen bleiben? Er spürte und hörte, wie die Trolle näher kamen und suchte nun hastig ihren Körper nach irgendwelchen Verletzungen ab. Vor lauter Sorge hatte er eine schwere Wunde vermutet und war umso erleichterter, nun zu erkennen, dass sie lediglich einen kleinen Schnitt an ihrem Daumen hatte. Leuchtendes Blut sickerte aus der winzigen Wunde, stark genug um die Trolle in dieser Welt zu halten. Ihre Macht war enorm, sie strahlte eine unglaubliche Aura aus. Kein Wunder, das sie in solch einem Zustand war, sie war, von dieser Kraft einfach überrannt worden. Nie hatte sie gelernt, diese zu Kontrollieren.
"Gregor, los jetzt, heile sie!", rief Daeon und gehorsam ging Gregor an sein Werk. Aber noch während der Schnitt unter seinen Tränen heilte, blickte Daeon auf und sah, das die Trolle sie erreicht hatten. Wütende Hände fuhren in ihre Richtungen und er wusste, bekamen sie ihn zu fassen, würde er zerquetscht werden. Doch als der letzte Blutstropfen aus der Wunde sickerte, verloren die Trolle die Macht, sich in dieser Welt zu halten und zerstoben wie Staub im Wind. Erleichtert atmete Daeon auf und sah zu den anderen, die nun hastig zu ihnen kamen.
"Gut gemacht, nun banne sie", rief Samuel, doch da gelang es Cassandra schon, ihren Arm zu befreien. Ihre kleine zierliche Faust, die eine enorme Wucht mit sich brachte, traf Daeon mitten in das Gesicht. Er flog von ihr herunter und sogleich erhob sie sich, knurrend wie ein wildes Tier. Erschrocken stürzten sich die anderen auf sie, als sie in ihren eigenen Finger beißen wollte, um ihr Blut fließen zu lassen. Mit blutender Nase kam Daeon wieder auf die Beine. Er sah, das seine Freunde große Schwierigkeiten damit hatten, Cassandra zu bändigen. Hastig schloss er seine Augen und konzentrierte sich auf seinen Schatten, der sich im Ringstein befand. Er wusste nicht genau, ob es funktionieren würde, doch er hoffte es. Der Schatten folgte seinem Befehl und begann sich im Inneren des Ringes auszubreiten, seine Finsternis verschluckte das weiße Seelenlicht und der Ringstein wurde Rabenschwarz. Auch wenn das Seelenstück von Cassandra, in dem Ring, nur ein Bruchteil ihrer selbst war, war es mit ihrer Seele im Einklang und so konnte er sie kontrollieren und damit auch die Macht in ihr. Sein Schatten legte, die macht des Summoner in unsichtbare Ketten, er spürte, wie alles in Cassandra sich dagegen zu wehren versuchte. Doch es gelang ihm, zumindest fast. Ein Funken an Macht verweigerte sich ihm und rauschte weiterhin durch ihren Körper, unkontrolliert aber bei weitem nicht mehr so Gefährlich. Als er sein Werk vollendet hatte, hielt Cassandra augenblicklich inne und mit einem jämmerlichen Keuchen sackte sie bewusstlos zusammen. Sofort eilte Daeon zu ihr, kniete sich nieder und legte sie in seine Arme.
"Hat es funktioniert?", fragten die anderen besorgt. Daeon bejahte und er war sich im Klaren darüber, das er diese Kraft nicht für immer Bannen konnte. Das wollte er auch nicht, aber bevor er die unsichtbaren Fesseln löste, musste Cassandra lernen, mit ihrer Macht umgehen zu können.
"Ein wenig fließt noch in ihrem Blut, daher sollten wir streng darauf achten, dass sie sich nicht verletzt. Der kleinste Bluttropfen könnte dazu führen, dass sie unbewusst etwas beschwört", warnte Daeon.
"Das bekommen wir schon hin, wichtig ist nur, dass es ihr gut geht, tut es doch, oder?", fragte Jeremy besorgt. Doch Daeon gab ihm keine Antwort, denn er wusste es nicht. Wenn es ganz schlimm kam, würde sie für lange Zeit schlafen, wenn nicht sogar für immer. Und selbst, wenn sie erwachte, wusste er nicht, ob sie je wieder die Alte sein würde. Ihr Verstand könnte Schaden genommen haben und selbst wenn dies, was er hoffte, nicht der Fall sein sollte, würde es sie sicherlich Schockieren, wenn sie erfuhr, dass sie kein Mensch mehr war. Wie sollte er ihr dies nur erklären? Einfach die Wahrheit sagen wäre das beste und im Moment war er einfach nur froh, das ihr Herz noch schlug.
"Das ist mir echt eine Nummer zu groß, wie konnte sie plötzlich zu einem Summoner werden?", fragte George und allen war klar, das sie schon immer einer gewesen sein musste. Dies warf aber zahlreiche Fragen auf.
"Vielleicht sollten wir ihre Vergangenheit genauer ergründen, sie war doch immerhin ein Waisenkind. Wenn wir herausfinden könnten, wer ihre Eltern sind, wissen wir vielleicht mehr", schlug Belial vor und Daeon nickte.
"Doch zuerst bringen wir sie an einen sicheren Ort und beten, das sie erwacht", sagte er, küsste sanft die Stirn seiner Liebsten und löste sich dann mit ihr in Luft auf.

Die Braut des Schattens (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt