Kapitel 16

121 12 2
                                    

Ich hatte gerade unsanft meine Schuhe und meinen Rucksack ins Eck neben meiner Zimmertür geschleudert, als sich diese langsam öffnete.
Durch den Schatten, den die Person hinter der Tür in mein Zimmer warf, war mir schon klar, wer gerade auf mich zu kam, bevor überhaupt ein Wort gesagt worden war.
Alejandro. ,Ash?' wisperte er vorsichtig durch die einen Spalt geöffnete Tür. Seine Stimme gleichte der eines kleinen Engels, so weich und unschuldig war sie.
,Ja? Komm rein' Kaum hatte ich ausgesprochen, wurde der Spalt größer, mein Bruder trat ein, schloss   die Tür, und torkelte mit einem verheulten Gesicht auf mich zu.
Bei diesem Anblick zog sich alles in mir zusammen. Es war natürlich nicht das Erste mal, dass ich ihn weinend sah, aber jedes mal zerriss es mir aufs neue das Herz. Wie automatisiert öffnete ich meine Arme, und lud ihn somit zu einer Umarmung ein, welche er auch sofort annahm.
,Heyy, was ist los?' Er saß nun auf meinem Schoß, wo er noch ein paar mal schluchzte, bevor er sich zu einer Antwort zusammenraffte. ,Ich hatte Angst um dich. Jeden Tag werden Leute umgebracht, die sich für uns einsetzten, und du bist heute so spät nach Hause gekommen.'
Ich zog ihn noch einmal in eine feste Umarmung, wobei ich erst einmal über das Gesagte nachdenken musste. ,Mir passiert schon nichts, ich habe meine Aufpasser, vertrau mir.' Ich schmunzelte beim Gedanken an Tank auf Alejandro  herab, wobei er zu mir hoch sah, nickte  und sich eine letzte kleine Träne aus seinem Augenwinkel wischte.
,Ab ins Bett jetzt, es ist schon spät' scheuchte ich ihn auf, woraufhin er mein Zimmer verließ. ,Gute Nacht' nuschelte er noch kurz, bevor sich die Tür wieder schloß.
Gedankenverloren ließ ich mich zurück in mein geliebtes Himmelbett fallen, und starrte an die Decke. War das, was die letzten Tage wirklich passiert ist, real?
Natürlich, du Vollidiot. Spätestens dein weinender Bruder sollte dir das zu verstehen gegeben haben.
Ok, das war wohl ein Argument.
Ich wechselte meine Klamotten, duschte, und putzte meine Zähne, bevor ich in mein Bett sank und ich mich meinen Träumen widmete.
-
Das schrille, allzu vertraute Piepen meines Weckers riss mich aus meinem Schlaf. Verdammt, wie ich dieses Geräusch hasste.
Ich rappelte mich auf, schlug meine Hand auf die Oberseite des nervtötenden Geräts, wodurch es endlich verstummte, deckte mich schweren Herzens auf, schwang meine Füße über die Bettkante, und richtete mich langsam auf.
Wie gewohnt lief ich schlaftaub in die Küche, beachtete meine Umgebung nicht, und schlug meinen kleinen Zeh an der Kante des Türrahmens an. ,FUCK!' Schnell schlug ich meine Hand vor den Mund, bestimmt hatte ich die Anderen durch den
Lärm geweckt.
Moment. Es war niemand da. Normalerweise schlich um diese Uhrzeit wenigstens meine Mom durch die Gänge, aber selbst von ihr war bis jetzt keine Spur.
Verwirrt schliff ich mich in die Küche, wo ein Zettel in der Handschrift meiner Mutter auf dem Tresen lag.

Guten Morgen Ashley,
ich schreibe diesen Zettel, weil du bestimmt schon wieder vergessen hast, dass dein Vater, Alejandro und ich dieses Wochenende bei deiner Oma sind. Musst dir also keine Sorgen machen :) Du weißt, wo du das Nötige findest, ich habe dir außerdem noch etwas Geld unter die Kaffeemaschine gelegt. Bis Sonntag abend!

Stimmt, da war ja was. Ich hatte meine Oma nie sonderlich gemocht, deswegen bevorzugte ich es, daheim zu bleiben, während die Anderen sie besuchten.
Mein Blick glitt zur Kaffeemaschine, unter der ganze 150€ klemmten. IHR ERNST? ,Etwas' Geld? Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Geld benötigt.

Hiermit beginnt die Lesenacht :) 1/5

Riot Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt