Kapitel 6

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Ghost saß auf seinem Bett. Er hielt mit seiner Hand eine Packung Eis an die Stelle, mit der er mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen war. Die Tür war hinter ihm vom Hotelbesitzer aufgestoßen worden, der herausfinden wollte, was dieses Klirren verursacht hatte. Dabei hatte er Ghost am Rücken erwischt und ihn umgestoßen. Doch zur selben Zeit war auch der Albtraum verschwunden. Nur der Geruch von altem Holz und Kräutern blieb am Raum haften.
Der Besitzer stand mit dem Rücken zu ihm an der Wand, an der das Bild gehangen hatte. Er blickte trübe auf die Scherben nieder, doch war er weder wütend, noch frustriert. Er hatte Angst, was jetzt kommen würde. Die Stille wurde von Ghost unterbrochen.
„Wollen sie mir noch irgendwas erzählen, was es hiermit auf sich hat?“ Der alte Mann schwieg noch ein paar Sekunden und stellte dann eine Gegenfrage: „Was ist passiert? Was haben sie gesehen?“
Ghost wägte kurz ab, ob er zuerst seine Antwort verlangen sollte, gab dann aber klein bei. „Ein Mädchen mit braunen langen Haaren. Sie hatte geweint. Doch da war auch noch eine andere, grimmähnliche Kreatur. Allerdings habe ich noch nie eine solche Art von Grimm gesehen.“
Der Besitzer hielt kurz inne. „Ein Mädchen? Also ist es schon wieder geschehen. Ich wollte sie warnen, aber sie mussten ja ihren Kopf durchzwängen.“ Seine Stimme war auf keinen Fall feindselig, eher bedauernd.
Der Faunus wollte schon nachhaken, als sich der Mensch auf einmal umdrehte und ihm ins Gesicht sah. „Seit kurzer Zeit melden viele Kunden ein Ähnliches Phänomen. Sie sehen ein Mädchen und ein Monster, die sie heimsuchen. Einige meinen sogar, dass das Mädchen es befehligt. Allerdings passiert dies nur in diesem einen Zimmer. Alle anderen Zimmer bleiben von diesem Spuck verschont.“
Ghost nahm sich ein Stück Brot, das er mit sich gebracht hatte.
Der Besitzer sah ihm beim Essen zu. „Ich habe mich noch nicht für das Trinkgeld bedankt. Ich stelle ihnen gerne einen Proviant für die weitere Reise zur Verfügung.“
Ghost hörte ihm nicht zu. Seine Gedanken liefen den Abend noch einmal durch, bis er schließlich zitternd seine Lippen öffnete: „Nur aus Neugier: Wo haben sie eigentlich dieses Bild her?“
Der Hotelbesitzer sah ihn verwirrt an. „Das habe ich selbst gemalt. Warum?“ Der Faunus vertrieb seine Gedanken und antwortete ihm: „Egal. War nur ein Gedankenspiel.“ Sein Gegenüber nickte kurz, immer noch skeptisch.
„Auf jeden Fall“, begann Ghost erneut, „Ich sollte nachher langsam aufbrechen. Ich habe noch einen kleinen Fußmarsch vor mir.“
„Wie bitte? Aber ich brauche eure Hilfe! Sie sehen halbwegs so aus, als könnten sie herausfinden, was hier überhaupt vor sich geht.“ Der Faunus winkte ab: „Ich habe dir genug Geld dagelassen. Das ist die Sache eines Huntsman.“ Er trat an die Tür und seine Füße trugen ihn mit seinem Gepäck auf den Schultern Richtung Haupteingang. Der Besitzer rannte ihm flehend hinterher. „Bitte, seien sie gnädig. Versuchen sie es wenigstens. Das könnte mich ruinieren.“
„Das liegt allein an euch. Ich habe die Mittel zur Verfügung gestellt. Ihr müsst von nun an handeln. Ich habe eine eigene Mission.“
Als sie an der Rezeption ankamen, stand derselbe junge Mann wieder dahinter, wie schon am Vortag. Ihre Blicke trafen sich, wodurch der Rezeptionist sogleich eine Packung hervor nahm. „Ihr Proviant, Mister.“
Ghost setzte zu einer Antwort an, als die Haupteingangstür aufschlug und 5 Männer eintraten. 4 davon waren in schwarze Anzüge gekleidet. Der Letzte von ihnen jedoch war in Alltagskleidung unterwegs. Dieser führte die Gruppe an. Er stolzierte zum Hotelbesitzer, stieß dabei Ghost auf die Seite und hielt dem Alten eine Pistole an den Kopf. „Ich habe doch gesagt, dass es noch ein Nachspiel geben wird.“ Die anderen Männer im Partnerlook zogen nun ebenfalls ihre Waffen.
Der Rezeptionist verkroch sich hinter dem Tresen, während der Besitzer erschrocken zur Salzsäule erstarrte. Er begann zu zittern und bibberte: „Was… was fällt ihnen ein? Ich informiere die Polizei darüber!“ „Versuchs doch“, meinte der Drohende mit einem Lächeln, „Doch lebend wirst du das Gebäude nicht verlassen.“
Ein Seufzen hallte im Raum wider. Der Anführer der Gang sah zu Ghost hinüber. „Was los, Ungeheuer? Hast du auch noch was zu melden? Keine Sorge. Wir haben genug Kugeln für alle da. Wir können dich ja nicht einfach gehen lassen, nachdem du dieses Spektakel gesehen hast, ohne zu bezahlen.“
Ghost schüttelte den Kopf. Ihm war nicht einmal zum Lachen zu mute. „Das wird ja immer schlimmer. Drück einem Mann eine Waffe in die Hand und er meint sofort, er sei unbesiegbar.“
„Oho? Der Abschaum kann Töne kloppen? Du gefällst mir.“ Er richtete die Pistole nun auf Ghost. „Wer genau bist du? Wie lange wird dein Mut anhalten, bis deine Beine zittern vor Angst?“
Ghost erhob weder die Arme, noch machte er irgendwelche Anstalten, sich zu ergeben. Er blieb regungslos stehen und blickte dem Drohenden direkt in die Augen.
Der Hotelbesitzer sah seine Chance. Er machte zwei Schritte zurück und drehte sich schließlich um, um loszulaufen. Die Bewegungen bemerkte der Anführer allerdings, drehte sich rasch um und schoss dem Fliehenden in den Rücken. Der Hotelbesitzer wurde von der Kugel erfasst und plumpste vorn über auf den Boden. Diese Gelegenheit blieb aber nicht ungenutzt. Ghost zückte seine eigene Waffe und im nächsten Augenblick, war der ausgestreckte Arm des Mörders von seinem übrigen Körper getrennt. Er schrie auf unter Qualen. Sein Gefolge richtete die Waffen erschrocken auf den Faunus und begann zu schießen. Ghost wich dem Kugelhagel aus, der im Raum ein riesiges Chaos anrichtete. Der Rezeptionist schrie hinter seiner Deckung. Ghosts Hand umklammerte den Hals des Anführers und hielt ihn vor sich hin. „Feuer einstellen! Sofort!“, rief dieser, als er bemerkte, in welcher Situation er war. Die Schießerei hörte augenblicklich auf, doch die Waffen ruhten weiterhin auf dem Geiselnehmer. Ghost grinste: „Danke vielmals, Mensch.“ „Mein Name ist Trevor!“, fauchte dieser zurück. „Nicht von Belangen. Pfeif deine Leute zurück und verschwindet von hier. Sonst werde ich mein Werk hier an dir vollenden“, flüsterte der Faunus seiner Geisel ins Ohr. Trevor schielte voller Wut zu Ghost hoch, ehe er eine Handbewegung machte, um seine Männer zu signalisieren, dass sie sich zurückziehen sollen. Missmutig gehorchten diese und traten langsam aus dem Gebäude hinaus. Ghost lockerte den Griff. „So, und jetzt du. Und keine Nachspielchen mehr. Ihr habt genug angerichtet.“ Ghost ließ Trevor los, der sofort seinen eigenen Hals umfasste und ein paar Schritte wegstolperte. „Du hast keine Ahnung, mit wem du dich hier anlegst. Das hatte nichts mit dir zu tun. Mein Boss wird dich in Stücke zerfetzen!“
Ghost hatte genug von dieser Überheblichkeit: „Dann sag deinem Boss, er soll einen großen Eimer mitbringen. Dann kann ich seine Einzelteile schön verpacken und an dich zurückschicken. Die Sauerei musst allerdings du dann aufwischen.“
Trevor wurde noch wütender, doch bemerkte er wieder sein fehlender Arm, dessen Schmerz durch den Schock und der Wut für kurze Zeit betäubt gewesen war. Er stöhnte und umklammerte den Stumpf, während er, ohne ein weiteres Wort zu sagen, sich auf den Rückzug machte.
Ghost entspannte sich und blickte noch einmal zurück zu der Leiche des Hotelbesitzers.
„Was für ein Jammer… Er war verloren, bevor ich ihm überhaupt helfen konnte…“
Der Rezeptionist kam aus seinem Versteck hervor und blickte Ghost mit verstörtem Blick an. Der Faunus stöberte in seiner Tasche und gab dem jungen Mann ein kleines Trinkgeld. „Es tut mir leid“, bemerkte er und packte den zur Verfügung gestellten Proviant ein, bevor er sich auf machte, um seine eigene Reise fortzusetzen.

A Faunus TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt