Kapitel 14

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In der Hauptkammer war Hochbetrieb. Die White Fang legte sich richtig ins Zeug. Keine Pausen wurden gemacht. Selbst die Wachen halfen tatkräftig bei kleineren Jobs mit.
Unter all diesen aktiven Leuten wurde von vier Wachen ein Gefangener über den Boden geschleppt. Der Gefangene hing schlaff in den Armen seiner Bewacher, während er stöhnte, da seine Beine schon völlig zerkratzt waren von dem kalten unebenen Boden, über den sie ihn hievten.
Ghost sparte seine Kraft. Es war besser, wenn sie dachten, dass er sich nicht mehr wehren könne. Und mit ein bisschen Glück würden sie ihn genau zu der Person bringen, die seine Waffe beschlagnahmt hatte.
Die Wachen steuerten mit ihrem Gepäck geradewegs auf einen der Container des Güterzugs zu. Schon von draußen konnte man die Männer im Innern wild diskutieren hören. „… kann ich nicht gebrauchen. Du weißt, was ich mit Leuten mache, die ein bisschen zu viel von sich selbst halten, oder?“
Die zweite Person antwortete prompt: „Das tut nichts zur Sache. Du weißt genau, unter wessen Befehl wir hier sind, Roman. Mag sein, dass die anderen Faunus dein Spielchen mitmachen, doch ich unterstehe den White Fang, nicht irgendeinem dreckigen Menschen.“
„Gut gekläfft, Wuffi. Nur, wie sagt man so schön? Beiße nie die Hand, die dich füttert. Schließlich bin ich deiner Bitte nachgekommen und habe deinen Bruder nicht Neo überlassen. Nur, wenn er mir weiter solchen Ärger macht, wird sein Tod unumgänglich sein. Das ist dir doch auch klar, oder?“, erwiderte die erste Stimme. Sie klang dabei sehr heiter, als würde sie einem Kind gerade erklären, dass ein Bach nicht den Berg hinauf fließen konnte.
Sie waren nun vor der Tür des Containers angekommen und der vordere Faunus pochte lautstark dagegen. „Jaja, ich bin unterwegs. Bist du das, Larry?“ fragte die erste Stimme erneut. Die Schiebetür des Wagons wurde aufgestoßen und der Orangehaarige blickte auf die fünf Personen herab.
„Wie ich sehe habt ihr mir ein Geschenk mitgebracht? Das ist aber nett von euch. Kettet ihn an den Stuhl in der Ecke!“, befahl Roman Torchwick.
Als die Faunus ihn über den Absatz in den Raum schleppten, erhaschte Ghost einen kurzen Blick auf seinen Bruder, der das Spektakel aus der Ecke des Abteils betrachtete. Sie brachten ihn an das von der Tür am weitesten entfernen Ende des Wagons. Als sie fertig mit dem Fesseln waren, klatschte Roman zwei-dreimal in die Hände und scheuchte die Wachen aus dem Zug.
Die Türen auf beiden Seiten blieben offen.
„Puh, das war vielleicht stickig hier drin. Also, ich danke dir, dass du meine Einladung angenommen hast und zu unserem Date erschienen bist.“ Roman trat ein wenig näher an Ghost heran, der nichts erwiderte.
„Hör zu, Kleiner. Ich habe langsam ein kleines Problem mit dir. Zuerst tötest du Roy, den einzigen meiner Angestellten, der wusste, wie man anständig Karten spielt und seinen Job gut erledigt. Danach hast du einem lieben Mitarbeiter von mir die Hand abgeschlagen, nur, weil du dich eingemischt hast. Und nun tötest du noch die widerw…“ Roman blickte kurz über die Schulter zu Harry. „…ich meine, meine neuen Freunde aus der White Fang und versuchst abzuhauen, ohne eine Abschiedskarte zu schreiben. Weißt du, wie anstrengend es ist, einen Gefangenen zu unterhalten?“ Er legte eine kurze Pause ein. „Dein Bruder hat darum gebettelt, dass wir dich am Leben lassen. Doch du wirfst meine Gnade in den Wind. Ich weiß nicht, wie ich darauf noch reagieren soll. Ich mag keine Spielverderber und meine Party soll perfekt werden.“ Roman blieb vor Ghost stehen und ging in die Hocke. Er grinste dem Gefangenen ins Gesicht und machte ihm seine Überlegenheit damit Ausdruck. Dann drehte er seinen Kopf zu Harry.
„Was meinst du, sollen wir ihn einen Kopf kürzer machen?“, fragte Roman Ghost‘s Bruder.
Harry ging auf Roman zu. „Wenn du es wagst, ihn anzurühren…“, doch weiter kam er nicht. Roman hatte seinen Stock in Harry’s Magen gestoßen und ihn mit seiner Rückhand einen Schlag ins Gesicht gegeben. Harry, so überrascht über die Reaktion, taumelte einen Augenblick.
„Da hat wohl Jemand seine Lektion noch immer nicht gelernt, was?“ Roman seufzte. 
Harry erholte sich von dem Schock und ging nun zum Gegenangriff über. Einen Augenblick später lag die Spitze eines Sonnenschirms auf Harry‘s Kehle. Neo, das zweifarbige Mädchen, war wie aus dem nichts aufgetaucht und hatte ihren Schirm wie eine Waffe auf Roman’s Angreifer gerichtet. Ihr Mund spitzte sich zu einem Lächeln.
Roman richtete seinen Anzug wieder und zündete sich eine Zigarre an. Alles um ihn herum schien wie eingefroren zu sein. Er ging erneut vor Ghost in die Hocke und blickte ihm tief in die Augen.
Im nächsten Augenblick verpasste Roman ihm einen Schlag in die Magengrube. Ghost stöhnte auf und spuckte. Roman erhob sich wieder. Nun blickte er zu Harry hinüber. Sein Statement war klar gewesen. Harry zögerte zu sprechen.
„Nun, da wir uns jetzt alle einig darüber sind, wer die Fäden in der Hand hält, können wir zum geschäftlichen Teil kommen. Das wird ein Spaß.“ Er klatschte erneut in die Hände.
„Was willst du von uns?“, fragte Harry, „Eine Entschuldigung? Eine Wiedergutmachung? Glaubst du, du wirst damit einfach davonkommen? Nicht vor Adam!“
Roman schnalzte mit der Zunge. „Aber nicht doch. Adam macht mir keine Sorgen. Und wenn er dir Sorgen bereitet, würde ich ganz schnell meine Prioritäten neu setzen. Glaub mir, Hundi, es gibt Schlimmeres auf diesem Planeten als Adam Taurus. Und was die Entschuldigung angeht, da liegt ihr nicht einmal so falsch.“ Er wandte sich wieder Ghost zu. „Aber keine Sorge, du musst dich nicht auch noch bei mir entschuldigen. Du entschuldigst dich einzig und allein bei ihm.“ Ghost folgte Roman’s ausgestrecktem Zeigefinger, der auf den Mann zeigte, der gerade eingetreten ist. Er war eher klein gebaut und hatte kurze, braune Haare. Seine linke Hand umfasste seine metallene Rechte. „Darf ich mich vorstellen?“, fragte dieser, „Trevor, zu euren Diensten.“ Er führte einen übertriebenen Knicks aus, ehe er Ghost ebenfalls einen Schlag verpasste.
Erneut spuckte Ghost aus, dieses Mal hatte seine Spucke aber schon einen roten Farbton angenommen. Der Neuankömmling beugte sich neben Ghost’s Ohr vor. „Erfreut mich wiederzusehen? Ich habe mich noch gar nicht für den Verlust meines Armes bedankt. Aber sei’s drum. Nun habe ich alle Zeit der Welt, dir den Gefallen zu erwidern.“
Die nächsten Schläge donnerten auf Ghost hinab. Ghost’s Aura begann zu flackern. Roman stand ein wenig abseits und schaute dem Treiben zu, als ihn auf einmal eine Stimme von draußen rief.
„Hey, Boss! Wir haben hier was gefunden, das Sie vielleicht sehen möchten.“
Alle hielten Inne und blickten zu Roman. Dieser schaute weiterhin zu Ghost hinüber und rief zurück: „Ist es gut oder schlecht, Perry? Denn lass mich dir sagen, ich hatte vielleicht einen Tag!“
Es gab eine kurze Pause, ehe Perry antwortete: „Öh… Es ist ein kleines Mädchen?“
Augenblicklich streckte Roman seinen Kopf aus der Tür. „Das wäre eher schlecht.“
Er zog die Zigarre aus seinem Mund und warf sie auf den Boden.

A Faunus TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt