Kapitel 11

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Der Mann vor Ghost grinste ihn an, während sie umzingelt wurden von mehreren Gestalten. Sie alle hatten Masken auf und strahlten einen gewissen Blutdurst aus. Auf ihren Kleidern prangte das stolze Symbol der White Fang. „Sehr witzig“, dachte sich Ghost, „Schlussendlich werde ich von meinen eigenen Landsleuten geschlagen. Welch Ironie.“
Der erste Schlag erwischte ihn am linken Wangenknochen. Der zweite schlug ihm einen Zahn aus. Die nächsten Schläge konnte er nicht mehr zählen. Sie kamen von allen Seiten und trafen jegliche Stellen, die weh taten. Ghost schmeckte das Blut in seinem Mund. Der Schweiß vermischte sich mit der roten Flüssigkeit. Es tropfte seinen Kopf hinunter und verklebte sein linkes Auge. Seine Handgelenke schienen taub von den Fesseln geworden zu sein.
Der eine Schlag traf ihn direkt in den Magen, was ihn würgen ließ.
Nach einer Zeit klopfte der Mensch einmal mit seinem Gehstock auf den Boden. Der Hagel von Fäusten hörte auf. Die Faunus traten langsam zurück, um dem Orangehaarigen einen besseren Blick auf sein Opfer werfen zu lassen.
„Autsch, das scheint weh getan zu haben. Ich glaube nicht, dass man das mit ein wenig Schminke wieder wegmachen kann. So, probieren wir es nochmals. Wer bist du?“
Ghost spuckte ihm als Antwort ins Gesicht. Mit zugekniffenen Augen wischte sich der Mann das Blut ab. „Hey, das hätte ins Auge gehen können. Scheint so, als ob du einen Nachtisch brauchen könntest.“
Erneut wurde mit dem Gehstock auf den Boden geklopft. Dieses Mal rührten sich die Mitglieder der White Fang nicht. Stattdessen kam eine kleinere Gestalt aus der Dunkelheit hervor. Den Schirm in der rechten Hand auf dem Boden nachschleifend kam sie Schritt für Schritt näher. Die junge Frau hatte pink-braune Haare und dazu ein passendes Outfit. Was aber am Auffälligsten war, waren ihre Augen. Passend zu der Frisur hatte das eine Auge pinke, das Andere eine braune Farbe. Ihr hämischer Blick ließ Ghost erschaudern. „Sie war es!“, erkannte er, „Sie hatte mich ausgeknockt.“
„Na, Neo, ich würde dir normalerweise sagen, du sollst sein hübsches Gesicht schonen, aber davon ist jetzt leider nicht mehr viel übrig. Genieß es!“, meinte der Orangehaarige zu der Frau. Diese nickte nur kurz, bevor sie weiter auf Ghost zu marschierte. Gerade als sie ihren Schirm ausstreckte und damit seine Nase berührte, wurde eine Tür hinter ihm aufgestoßen.
Ein wenig Licht strahlte hindurch und erhellte das Schauspiel vor ihm ein wenig. Hastige Schritte bewegten sich auf ihn zu, stolzierten an ihm vorbei und blieben neben dem Mann stehen. Der Mann hatte erst einen genervten Ausdruck. Der Neuankömmling war wie die anderen von der White Fang in eine Uniform mit Kapuze und einer Maske gekleidet. Einzig seine Hundeohren waren anders. Der Faunus beugte sich zu dem Mann hinunter und flüsterte ihm Etwas ins Ohr. Seine Miene änderte sich rasch. Er wurde erst fröhlich und schien dann eher säuerlich zu sein, als hätte man ihm gerade einen Loli geklaut. „Na gut“, bellte er, „Neo, du musst dich mit dem Spielen noch ein wenig gedulden. Weil du mir den Spaß verdorben hast, wirst du dich aber auch um unseren Gast kümmern.“ Dabei sprach er zum Neuankömmling, der rasch nickte.
Der Orangehaarige stand auf, klopfte sich die Kleidung ab, steckte sich die Zigarre wieder in den Mund und schritt erhobenen Hauptes aus dem Raum hinaus. Neo trabte ihm hinterher, ohne Ghost eines weiteren Blickes zu würdigen. Die restlichen Faunus verließen einer nach dem Anderen ebenfalls den Raum.
Der einzig Verbliebene, war der Faunus mit den Hundeohren, der Ghost weiterhin musterte. Der Gefesselte schaute ihm verächtlich in die Augenschlitze.
Das White-Fang-Mitglied trat langsam näher. „So, was werden wir zwei nun tun?“, fragte er den Gefangenen. Ghost gab keine Antwort. Er brauchte diesem Mistkerl nicht auch noch in die Hände zu spielen. Sein Gegenüber legte den Kopf schief. „Seit wann bist du denn so still geworden?“
Ghost blinzelte kurz als sein Aufpasser die Maske vom Gesicht zog. Der Gefangene war kurz überrascht, doch beruhigte er sich rasch wieder.
„Guten Morgen, Harry“, grüßte Ghost den Faunus vor ihm.
Harry grinste ihn an: „Hallo, Brüderchen. Bei dir ist es wohl so aufregend wie eh und je.“
„Du machst wohl Witze“, gab Ghost zurück, „Ich hätte wissen sollen, dass du hier noch irgendwo rumkriechen könntest. So engagiert wie du für die White Fang schon seit Beginn warst?“
Harrys Miene verzog sich. „Du wirst doch nicht wieder davon anfangen, oder?“
„Natürlich fange ich wieder davon an!“, schrie Ghost seinen Bruder an, „Du hast unsere Familie im Stich gelassen! Du warst derjenige, der sie zum Sterben zurückließ! Und in all den Jahren hat es dich nicht im Entferntesten interessiert, was mit deiner anderen Familie passiert!“
Harry blickte sich um, ob die anderen Faunus sie nicht etwa belauschten. Als er sich dessen vergewissert hatte, wandte er sich wieder seinem Bruder zu. „Das stimmt kein bisschen! Ich hatte meine Gründe. Du warst weg, genau wie Zena auch. Und als es um den Schutz der Faunus ging, musste ich meine Rolle spielen. Wer hätte denn ahnen können, dass genau dann unser Haus überfallen wird? Und sorry, dass ich nicht so einen offenen Terminkalender habe wie du. Ich auf jeden Fall bin sehr beschäftigt. Ich kann nicht jeden Abend meine Geschwister babysitten.“
Ghost schnitt ihm das Wort ab: „Hast du überhaupt eine Ahnung wo deine Schwester ist?“
Stille herrschte. Harry schüttelte den Kopf. „Sie hat den Kontakt mit mir abgebrochen.“
„Nachdem du zwei Jahre lang ihre Briefe ignoriert hast! Schon klar will sie keinen Kontakt mehr mit dir, nachdem du sie im Stich gelassen hast, als sie dich brauchte und du unsere Eltern ermordet hast!“
„ICH HABE SIE NICHT ERMORDET!“
Der Schrei hallte durch die Hallen und war lange nachdem die Worte Harrys Kehle verlassen hatten immer noch zu hören. Er hatte eine Träne auf der Wange. Seine Mundwinkel zuckten.
Dann schließlich trat Harry an den Stuhl heran und löste die Fesseln.
„Du wirst dich einquartieren lassen. Morgens um 7 Uhr beginnt deine Schicht und endet abends um 9.“
„Danke, Herr Kommandant“, gab Ghost trocken zurück. Als dieser aufstehen und aus der Tür marschieren wollte, packte sein Bruder ihm am gesunden Arm.
„Du bist hier nur geduldet. Keine Vergehen! Du bleibst unser Gefangener, nur bist du als Arbeitskraft besser zu gebrauchen als ein angeketteter Krüppel.“

A Faunus TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt