Kapitel 19

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Schon nach kurzer Zeit war Remus in sein geliebtes Heim zurückgekehrt. Als er eintrat hörte er, wie in der Küche gearbeitet wurde. Remus war völlig erstaunt und riskierte einen Blick. Livia war heute nicht mit Casey ausgeflogen, sondern verbrachte den Tag zuhause, um die Küche wieder salonfähig zu machen. Die vorherigen Tage hatten sie nur die Sachen benutzt, die sie zum Kochen brauchten, sich aber noch nicht die Mühe gemacht, alle Utensilien dort einzuräumen, wo sie hingehörten. Dementsprechend sahen viele Räume noch so aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Livia hob den Kopf, als sie Remus Schritte hörte. Ihre Blicke trafen sich einen kurzen Moment. Livia vertiefte sich wieder in die Arbeit und tat so, als wäre nichts gewesen. Remus schüttelte den Kopf und machte Anstalten zu gehen, da hörte er seine Frau etwas flüstern.
Remus hielt inne und drehte sich zu ihr. „Entschuldigung, was?“, fragte er sie.
„Ich sagte, es tut mir leid.“ Ihre Stimme klang angespannt, jedoch aufrichtig genug, dass Remus sich neben sie gesellte.
„Das braucht es nicht“, meinte er, „Natürlich wäre es mir anders lieber gewesen, doch kann ich dich ja auch verstehen.“
Livia zögerte einen Augenblick. „Kannst du mir denn nun sagen, was los ist?“ Sie pausierte ihre Arbeit mittendrin und machte keine Bewegung mehr, um auch ja jedes Wort von Remus verstehen zu können. Nur ansehen konnte sie ihn noch immer nicht. „Ist sie so sauer auf mich?“, fragte sich Remus.
Er schwankte einen Augenblick. Er war der Versuchung nahe gewesen. Er wollte es ihr erzählen, alles endlich loswerden. Ihr endlich sagen, was ihn Tag für Tag bedrückte. Ihr sagen, was er getan hatte, nicht nur für die Familie, sondern auch, was er für die Bevölkerung getan hatte. Er hatte bereits den Mund geöffnet und zu einer Antwort angesetzt. Jedoch brachte er es nicht übers Herz. Er wusste, dass sie nun in Sicherheit waren. Dennoch hatte er Angst. Angst davor, dass seine Frau ihn mit anderen Augen sehen würde, dass sie nicht verstehen würde, was er alles aufs Spiel gesetzt hatte, um ihnen ein schönes Leben zu ermöglichen. Er hatte Angst, dass sein ganzes Leben in sich zusammenbrechen würde.
„Es tut mir leid. Ich würde es dir wirklich gerne erzählen.“
Livia zuckte kurz zusammen und blieb angespannt stehen. Im nächsten Moment lockerte sie sich wieder. Sie ließ den Kopf ein wenig hängen, sagte aber mit zärtlicher Stimme: „Ich weiß es doch… Ein Versuch war es wert. Es tut mir leid, dass ich mich so aufdränge. Du machst mir ehrlich Sorgen. Nicht nur um deinetwegen, sondern auch wegen Casey. Bitte sag mir zumindest, dass wir hier sicher sind. Bitte versprich mir, dass unser Kind in Frieden groß werden kann.“ Bei den letzten Worten unterdrückte sie ein leises Schluchzen.
„Das sind wir“, erwiderte Remus. Er hatte ein wenig lauter geklungen, als er es vorgehabt hatte, doch seine Frau schien das nicht zu stören. „Wir sind sicher. Wir werden hier nun eine Weile bleiben. Es wird noch ein paar wenige Dinge geben, die ich erledigen muss, aber danach werde ich mir eine Arbeit hier in der Nähe suchen. Dann werde ich endlich mehr Zeit mit meiner Familie haben.“
Nun begann Livia zu weinen. Remus trat näher und nahm sie in die Arme. Sie kuschelte sich an ihn. In dieser Position verharrten sie eine Weile, wobei nur Livia’s Schluchzen zu hören war.
Nach einer Weile entschuldigte sich Livia erneut. Kurz darauf fragte Remus sie: „Weißt du noch, was ich gesagt habe, nachdem wir zusammengekommen sind?“
Remus hatte Livia kennengelernt, als sie mit ihrem Vater nach Pestileia gezogen waren. Sie hatten kaum Kontakt gehabt, da Remus oft im Außendienst tätig gewesen war. Sie allerdings half ihrem Vater auf dem Markt beim Gemüseverkauf. Er lernte sie erst näher kennen, als Remus einen Auftrag von Livias Vater erhalten hatte. Es war eine kleine Eskortmission gewesen, bei der Gemüse in ein anderes Dorf gebracht werden sollte. Dabei hatten Livia und Remus viel Zeit gemeinsam verbracht. Doch bei dieser Mission blieb es nicht. Zuerst waren es gemeinsame Arbeiten, dann Dates und schlussendlich hatten sie geheiratet und ein Kind bekommen.
Livia schüttelte auf seine Frage hin den Kopf. „Du hast so vieles gesagt und Eines war betörender als das Andere. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass du mir eine Art Liebeszauber auf den Hals gejagt hast.“
Remus lächelte über diese Aussage. „Ich habe dir gesagt, dass ich alles für uns tun werde und jetzt natürlich auch für Casey; dass du die Welt bist, ohne die ich nicht mehr leben kann; dass du der Sinn meines Lebens bist und ich dich niemals verlieren möchte. Deshalb verzeih mir bitte, dass ich genau aus diesen Gründen nicht sagen kann, was geschehen ist. Ich habe Angst davor, dass du mich dann nicht mehr lieben könntest, so wie du es jetzt tust.“
Sie blickte ihm vorwurfsvoll in die Augen. „Also hast du mit einer anderen Frau…“
Remus schaute sie entsetzt an: „Natürlich nicht!“ Darauf begann Livia zu lachen.
„Das weiß ich doch. Keine Sorge.“ Nun wischte sie sich Lachtränen aus den Augen. „Dennoch sollst auch du wissen, dass ich eins und eins zusammenzählen kann. Ich kann mir vorstellen, in welche Richtung deine Arbeit geht, die du verrichtest. Deshalb wünsche ich mir auch ein wenig Vertrauen von deiner Seite.“
Remus zögerte. Livia bemerkte es und fuhr fort: „Du brauchst es nicht jetzt zu tun. Lass dir Zeit. Ich will nur, dass du weißt, dass ich für dich da bin. Ich liebe dich.“ Dabei drückte sie ihr Haupt wieder in Remus‘ Brust.
Er umarmte sie erneut. „Ich liebe dich doch auch.“

A Faunus TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt