Kapitel 13

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Ghost streckte den Kopf aus dem Wagon. Im Hauptraum lief Hochbetrieb. Überall standen Frachtroboter, Wachen und Faunus, die ihrer Arbeit nachgingen. „Das wird ein schweres Durchkommen“.
Er seufzte. Seine erste Priorität war seine Sachen zu finden. Ohne seine Waffe hatte er keine Chance aus diesem unterirdischen Labyrinth rauszukommen.
Ghost atmete tief durch und probierte sein Glück. Er stieg aus dem Zug aus und schlurfte wie immer an allen Arbeitern vorbei, als wäre er auf dem Weg zu seinem Arbeitsposten. Viele Faunus beachteten ihn gar nicht erst und die Wenigen, die es taten, verzogen ihr Gesicht und blickten sogleich wieder in eine andere Richtung.
Es funktionierte. Ghost musste sich zusammenreißen, um vor Erleichterung nicht gleich loszujubeln. Er spielte seine Rolle weiter, bis er zum ersten Tor auf seinem Weg gelangte, das in eine der verschlungenen Gänge führte. In den Durchgängen war wesentlich weniger los als in der Hauptkammer, weswegen sich Ghost ein wenig entspannen konnte. Er schlich durch die verzweigten Tunnel. Jeder Schritt, den er hörte, ließ ihn für kurze Zeit wieder aufhorchen. Auf dem Weg zum Lagerraum begegnete er nur zwei weiteren Faunus, die sich in die entgegengesetzte Richtung davon machten und von ihm genauso wenig Notiz nahmen, wie ihre Kollegen vorher. „Die White Fang ist auch nicht mehr, was es einmal war“, dachte sich Ghost.
Endlich kam er am Lager an. Nach einem letzten verstohlenen Blick nach links und rechts, öffnete er schließlich die Tür und huschte rasch hinein. Drinnen war es stockdunkel. Es brauchte einen Moment, bis sich Ghost‘ Faunusaugen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und er die einzelnen Regale ausmachen konnte. Der Raum an sich war nicht sonderlich groß, nur vollgepackt bis zur Decke hin. Die Personen, die sich den Überblick behalten hatten über dieses Chaos, sind abgezogen worden und mussten ebenfalls bei den Vorkehrungen im Hauptraum helfen.
Ehe er mit der Suche begann, setzte sich Ghost auf den kalten Fußboden und besah sich seinen Stumpf. Selbst mit der Nachtsicht konnte er seine Verletzung nicht perfekt ausmachen. Er tastete neben der Tür nach einem Lichtschalter und eine Sekunde später wurde der Raum in gleißend helles Licht getaucht. Mit klarer Sicht machte er sich nun daran seinen Arm frisch zu verbinden. Kaum war dies erledigt, stand Ghost auf. Rasch lief er die verschiedenen Regale ab und suchte nach irgendeinem Hinweis auf den Verbleib seiner Sachen. Er brauchte nicht lange bis er seine Tasche unter einem Berg von Müll in einer Ecke entdeckte. Das Einzige, das fehlte, war seine Waffe. Selbst nach dem dritten Durchsuchen der Regale, war keine Spur seines verlängerten Arms zu entdecken.
Er stoppte kurz, schloss die Augen und dachte nach. Sie hatten ihn schon einmal hier Sachen abholen lassen. Damals hatte er einen kurzen Blick auf den Raum und die Arbeiter werfen können. „Hatten sie nicht ein Buch, mit dem Sie jegliche Transaktionen und Verschiebungen festhalten mussten?“
Ghost schlenderte zum Arbeitsplatz hinüber. Dieser bestand aus einem kleinen Schreibtisch mit einer Stehlampe daneben. Der Tisch hatte lauter Kratzer und war noch mehr zugemüllt als der Raum an sich.
Ghost ging vor dem Tisch in die Knie und öffnete jede einzelne Schublade des Schreibtisches, bis er endlich fand, wonach er suchte. Der Einband war aus Leder gefertigt und schien mit dem Gewicht selbst dem „Großen Buch von Atlas“ Konkurrenz zu machen. Ghost blätterte es durch. Noch nicht einmal die Hälfte aller Seiten war beschrieben und so suchte er die letzten paar Verschiebungsdaten heraus.
An drittletzter Stelle stand das Objekt seiner Begierde. Weitergereicht an die Führungsposition. Angeordnet von Roman Torchwick.
Ghost seufzte erneut. Konnte es nicht einmal einfach laufen? Er spielte kurz mit dem Gedanken seine Waffe doch einfach zurückzulassen und zu versuchen zu entkommen, solange sein Verschwinden noch von Niemandem bemerkt wurde. Doch irgendetwas juckte ihn daran. Er konnte nur nicht feststellen, was es war.
Er verließ den Raum wieder, unschlüssig, wohin ihn seine Füße nun tragen sollten. Vorerst schien es ihm eine gute Idee zu sein, den Weg weiter hineinzugehen. In der anderen Richtung hatte er noch nie einen Ausgang gesehen, weshalb es wahrscheinlicher war, dass er in der Gegenrichtung an die Oberfläche kommen konnte. Außerdem war auf demselben Weg auch das Hauptquartier der Führungsposition. Vielleicht hatte er dennoch eine Chance seine Waffe auf dem Weg zurück zu ergattern?
Grübelnd setzte er seinen Weg fort, nur um in die Arme von vier Wachen zu laufen. Zuerst bemerkte Ghost sie gar nicht und lief weiter auf sie zu, während diese die Waffen zückten und auf ihn richteten.
„Sofort stehen bleiben!“, rief ihm Einer entgegen, „Hände über den Kopf! Los!“
Zuerst verdutzt blieb Ghost stehen und versuchte zu realisieren, was gerade passierte. „Achso, sie hatten den Doc gefunden. Was für ein Jammer…“, dachte er sich. Ohne Widerworte streckte sich Ghost die Arme über den Kopf.
„Und nun auf die Knie! Nun mach schon!“, befahl ihm eine Wache mit Nachdruck. Sie schlichen langsam näher zu ihm. Ghost tat wie ihm geheißen. Die erste Wache stand bereits neben ihm und zückte die Handschellen. Jetzt musste er schnell sein.
Ghost ließ seine Faust von unten her gegen das Kinn der Wache fahren, der durch die Wucht und den Schmerz nach hinten kippte. Die restlichen Wachen erschraken an der Reaktion des Gefangen und zögerten einen kurzen Moment.
Dies nutzte Ghost aus. Er schlug mit seiner Linken die Waffen auf die Seite, bemerkte aber zu spät, dass das sein verletzter Arm war. Der Schmerz durchzuckte ihn, was ihn kurz zusammenfahren ließ und der Wache links neben ihm die Zeit gab, die er brauchte. Ghost spürte einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf und fiel auf den Boden. Er versuchte sich wiederaufzurichten, wurde aber auf der Stelle von einem Stiefel wieder zu Boden gedrückt. Ein weiterer Faunus legte ihm inzwischen die Handschellen auf dem Rücken an.
Die Wache, die den Schlag abgekriegt hatte, war wieder auf die Beine gekommen. „Verdammt“, rief er aus, „Was für ein Bastard. Ich habe mir auf die Zunge gebissen.“
Ein Weiterer meinte: „Hör auf zu heulen. Wenigstens haben wir ihn jetzt wieder. Aber auf den Ärger hätte ich gut verzichten können. Kommt, Leute. Helft mir ihn zum Boss zu bringen.“ Gemeinsam packten sie ihn unter den Achseln, zogen ihn hoch und schleppten ihn den Tunnel entlang.

A Faunus TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt