Ich darf es nicht vermasseln...

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Turniertag! Schon am Morgen war ich total aufgeregt weil ich das Turnier auf keinen Fall vermasseln durfte. Ich wollte Vaya nicht auch noch verlieren, damit würde ich nicht fertig werden. Die letzten zwei Tage waren komisch ohne Fleur, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt dass sie nicht mehr bei mir war. Stella würde kurz bevor wir losfahren auch kommen um mit mir mitzukommen, April und Kyle konnten mich leider nicht begleiten.
Ich stand um 4.30 Uhr auf und half Tina im Morgenstall. Das Turnier fand erst am Nachmittag statt, deshalb hatte ich den Morgen Zeit um ein paar Pferde zu reiten und Tina zu helfen.
Philipp begann um 8.00 Uhr, als Tina und ich die letzten Boxen misteten, mit seinem ersten Pferd und ich holte nach dem Ausmisten auch gleich Hope und startete mit ihr. Ich wollte wieder ein bisschen locker Dressurreiten da sie es die letzten zwei Tage sehr gut gemacht hatte.
Als ich aufgestiegen bin und warm ritt, sah ich zwei Pensionäre ihre Pferde von der Weide holen. Ich ritt auf dem kleinen Reitplatz weil dieser im Moment kaum benutzt wurde. Das Aufwärmen am langen Zügel funktionierte schon so gut, das ich sie einfach mit kleinen Hilfen der Beine steuern konnte, ich hatte auch keine Sporen an im Training, zumindest bei den meisten Pferden, es gab ein paar Ausnahmen wie Breezy zum Beispiel. Vor dem traben, nahm ich die Zügel auf, da sie aber noch nicht in die Anlehnung kam, hatte ich die Zügel auch nicht eng und hielt sie eigentlich ziemlich locker. Mein Ziel war im Moment nicht, sie an die Anlehnung zu bringen, sondern dass sie im allgemeinen den Kopf locker fallen liess und durch den Rücken reitet und die Hinterhand aktiviert. Mehr verlangte ich noch nicht da sie auch noch im Aufbautraining war. Das Traben ging eigentlich sehr gut, am Anfang hob sie sich noch oft heraus aber je mehr Volten ich ritt, desto tiefer kam sie mit dem Kopf und kaute ruhig am Gebiss. Das Galoppieren lief auch gut, nur versuchte sie ab und zu mal ihre Hinterbeine zu heben was ihr aber nicht wirklich gelang. Aber sonst lief sie locker und hat sich nicht fest gemacht.
Seit gestern machte ich die Pferde hauptsächlich unter dem Solarium fertig, auch nach dem Reiten weil sie nun langsam zu schwitzen begannen nach dem Training. Ich nahm ihr alles ab und bürstete sie über und gab ihr ein Leckerli zur Belohnung, danach räumte ich alles weg und holte gleichzeitig auch die Sachen für Diabolo. Mit ihm wollte ich heute auch Dressurmässig arbeiten und wollte auch wieder galoppieren. Am Mittwoch galoppierte er das erste Mal an der Longe und gestern konnte er das erste Mal unter mir galoppieren. Das lief eigentlich gut, nur kam er schnell aus dem Takt und hat auch einen Bocksprung gemacht. Ich holte den schwarzen Hengst von der Weide und begann ihn zu putzen während Hope unter dem Solarium trocknete.
Ich gab Diabolo die Galopphilfe und er sprang sofort in einen gleichmässig schönen Galopp. Da er, bevor ich ihn vom Schlachter gerettet habe, sehr gut ausgebildet war, beherrschte er die einfachsten Übungen und Hilfen immer noch sehr gut. Der 11-jährige Hengst machte sehr gerne und sehr gut mit und nach einer Stunde Training liess ich ihn noch einen Moment am langen Zügel ausschritten.
Nach Diabolo holte ich Lavirco um einen Ausritt vor dem morgigen Turnier zu machen. Ich sattelte ihn mit einem Sattelpad um es mal auszutesten.
Draussen stieg ich auf und ritt los Richtung Wald. Er war erst ziemlich verwirrt das meine Beine einfach so runterhingen, gewöhnte sich aber schnell daran und als es zum ersten Mal traben ging, legte er einen Zahn zu als er merkte wie frei er so war. Ich versuchte ihn zu bremsen bevor ich runterrutschen würde und es klappte auch sehr gut, ich war froh darüber in den letzten paar Wochen so Sattelfest geworden zu sein. Auch das Galoppieren klappte wunderbar und wir kehrten nach 71 Minuten zurück zum Hof.
Ich betüdelte ihn noch ein wenig um ihn eventuell ein klein wenig für Morgen zu bestechen. Da es jetzt schon Zeit für Mittagessen war, ging ich ins Schloss und schöpfte mir vom Kartoffelstock eine kleine Portion da ich gar nicht so grossen Hunger vor Aufregung hatte.
Nach dem Mittagessen kam Stella und longierte noch Subst, in dieser Zeit holte ich Vaya von der Weide und begann sie zu Putzen und ihre weissen Fesseln zu waschen.
"Willst du ihre Mähne einflechten?" Stella kam gerade von der Weide zurück bei der sie Subst gerade freigelassen hatte. "Ich weiss nicht so recht, es ist ja kein Stilspringen, aber ich finde es einfach schöner...nur hab ich gerade keine Lust mir die Mühe zu machen und es braucht verdammt viel Zeit und ich muss noch so viel machen." "Dann lass mich sie machen, ich habe bei Subst viel geübt." Stella sah mich an und drückte mich sanft von Vaya weg. "Nagut, danke dir. Ich gehe schnell den Anhänger einräumen." Ich lief in die Sattelkammer um Vaya's Sachen zusammen zu packen. Sattel, Trense, Schabracke, Ersatzhalfter und Strick, Abschwitzdecke, gefütterte Decke, Wassereimer, Gamaschen und Streichkappen, Sattelgurt, Vorderzeug, Reithelm, Reitstiefel, Reithandschuhe, Sporen, Springgerte, Jacket, Bollenboy und Gabel, Karotten... In Gedanken ging ich meine Liste durch und war am Ende zufrieden und ging in mein Zimmer um meine Turnierklamotten anzuziehen.
Um 13.30 Uhr fuhren Stella, Philipp und ich mit Vaya los zum Turnier und ich war so aufgeregt wie noch nie da ich wusste, wenn ich keine gute Leistung hinbekam, würde mir Vaya weggenommen werden.
Am Turnier angekommen, gingen wir zuerst zur Meldestelle und meldeten uns an das wir hier waren, die Turniergebühr die 55€ betrug, hatte ich Anfangs Woche schon eingezahlt.
"Lexa, mach dir nicht zu grosse Gedanken, es wird schon klappen. Wir gehen jetzt gemeinsam den Parcours ab und dann können wir in Ruhe Vaya fertig machen und warmreiten." Philipp versuchte mich zu beruhigen. Nachdem wir die Starterliste durchgeschaut hatten, ich erst 31. Starterin war, standen wir beim Anhänger und ich lief nervös auf und ab. Stella sass auf der Rampe und stellte irgendetwas in ihrer Kamera ein, nachher würde sie mitkommen den Parcours abzulaufen da sie nächste Saison auch mit Subst starten wollte.
"Stella, welchen Teil findest du am schwierigsten?" Philipp, Stella und ich standen mitten in der Reithalle und schauten uns den Parcours nochmals an. Zuvor waren wir ihn abgelaufen und nun konnte Stella ihr gelerntes anwenden, ich war eher damit beschäftigt mir die erste Phase zu merken da es ein 2-Phasen-Springen war. "Ich glaube die zweite Kombination in der zweiten Phase und dann die Distanz mit 4 Galoppsprüngen wird sicher anspruchsvoll. Vielleicht auch die Wendung von 9 zu 10, ich weiss nicht ist echt schwierig so zum sagen...", unsicher schaute sie sich den Parcours nochmals an. Ich folgte ihrem Blick, blieb aber bei der ersten Kombi hängen. "Die erste Kombi wird auch anspruchsvoll. Es ist ein enger Galoppsprung und wenn Vaya schon vorhin zieht, wird es ziemlich eng..."
Sprung und Landung, der letzte Oxer zum aufwärmen gemeistert. Ich klopfte ihren braunen Hals und liess sie am langen Zügel laufen. Beim Abreiten war sie sehr ruhig und hörte gut auf mich, doch in der Halle könnte es wieder ganz anders sein, vor allem auch weil die Halle so gross war.
"Das war Nadine Clarsson mit Fiona de pix mit vier Fehlerpunkten und einer Zeit von 89.34 Sekunden. Jetzt sehen wir Lexa Sommer auf Vayana de Blesse, Besitzer ist Killian Perte." Der Richter labberte noch irgendetwas während ich auf das Zeichen zum Start wartete. Ein paar Hindernisse hatte ich der Stute schon gezeigt während die vorherige Reiterin geritten war und so konnte ich gleich loslegen falls die Startglocke irgendwann mal ertönen sollte. Bis jetzt gab es erst wenige Nullfehlerritte und viele davon geschahen in der zweiten Phase, ich musste es einfach in die zweite Phase schaffen und dann könnte ich Vaya vielleicht behalten.
1...2...3...4...Sprung. Mit einer perfekten Distanz flogen wir über den ersten Steilsprung und ich wendete gleich eine Rechtswendung ein für den zweiten Sprung. Wir kamen ein bisschen dicht über den Oxer, Vaya hob ihre Beine zum Glück hoch und so konnten wir ohne Fehler zur Distanz mit 6 Galoppsprüngen. Da der Sprung zuvor dicht war, kamen wir auch hier ein bisschen unpassend und Vaya musste sich mit aller Kraft abdrücken. Sie quittierte es mir mit heftigem Schweifschlagen und einmal kurz den Kopf hochreissen, mit einer halben Parade und leichtem Schenkeldruck konnte ich es aber wieder beheben und über den vierten Sprung zu dem wir wieder ziemlich passend kamen. Ich fixierte meinen Blick auf Sprung 5, eine Kombination aus Oxer und dann Steil. Es war eine rechts gebogene Linie und da rechts Vaya's gute Seite war, hatte ich keine Bedenken. Der Oxer war super, 1 Galoppsprung und über den Steil, fehlerfrei kamen wir auf die andere Seite und ich musste sofort eine scharfe Linkswendung einleiten. Vaya wechselte während der Wendung zwei Mal ihren Galopp weil sie verwirrt war, war am Ende dann aber im richtigen und wir konnten über Sprung Nummer 6 fliegen. Mit 6 Galoppsprüngen weiter zum Steilsprung, nur leider machten wir nicht 6 Galoppsprünge wie jeder andere Reiter, sondern machten erst 5 grosse Galoppsprünge und quetschten dann noch einen sechsten rein da es zu gross war mit 5 aber zu dicht mit 6. Schlussendlich sprangen wir trotzdem mit 6 Galoppsprüngen aber ich hörte das Anschlagen der Hufe an der Stange. Ich führte die braune Stute links herum zum Oxer und schielte rüber, die Stange lag noch in ihrer Halterung. Ich spürte unter mir, wie sich Vaya abhob und unkontrolliert über den Oxer sprang, ich versuchte sie kontrolliert zu bekommen um mit 5 Galoppsprüngen zu Sprung 9 zu gelangen und somit auch in die zweite Phase zu gelangen. Der Steil kam ziemlich dicht, aber irgendwie schafften wir es rüber und ich spürte nur noch wie die Stute über dem Sprung ausschlug und ich fast vorne über fiel. Ich konnte mich irgendwie halten und lenkte sie Links zwischen der ersten Kombination durch zu Sprung 10. Die Wendung war richtig gut geritten und wir kamen auch passend zum Sprung, perfekt um wieder Ruhe in die Runde zu bekommen. Ich gab ihr zwei halbe Paraden und lenkte sie auf Sprung 11 in einer gebogenen Distanz. 7...6...5...4...3...2...nein Vaya! Und schon hob die Stute ab, viel zu gross und ich hörte nur noch das Klappern der Stangen und spürte den schmerzhaften Aufprall auf dem Sandboden. Ehrfürchtiges Einatmen ertönte in der Halle und ich versuchte mich zu bewegen. Etwas lag auf meinen Beinen und ich konnte mich nicht bewegen, ein lautes Piepen dröhnte in meinen Ohren. Scharren von Hufen spielten sich nahe an meinem Kopf ab, ich konnte meinen Kopf aber nicht drehen. Ich öffnete meine Augen, alles war verschwommen, neben mir im Augenwinkel sah ich braunes Fell aufblitzten. Stangen lagen auf meinen Beinen und ich versuchte mich raus zu schlängeln. Ein Arm hielt mich an den Schultern fest, ich blickte zu einem der Turnierärzte. Mir wurde schwarz vor Augen und ich spürte wie sich alles in mir nach Schlaf sehnte.

"Wird sie wieder gesund?" "Ja, sie hat einen gebrochenen Fuss aber das wird wieder. Ich lasse Sie jetzt alleine, sie sollte bald aufwachen." Ich blinzelte, was sollte das heissen mein Fuss ist gebrochen? "Hallo Spatz, wie geht es dir?" Meine Mutter setzte sich an den Rand des Krankenhaus Bettes und strich mir eine schweissnasse Strähne aus dem Gesicht. "Gut, denke ich? Wo ist Vaya?" Nach und nach fiel mir ein was geschehen war. Der Sturz mit Vaya. Ging es ihr gut? "Spatz...sie ist...Killian hat sie direkt vom Turnier mitgenommen. Wir wissen nicht was nachher geschehen ist. Er sagte nur, das er auch die anderen drei abholen kommt, er will sie nicht mehr in deiner Obhut." Ich hörte nicht mehr zu, meine Welt brach gerade in Klitzekleine Stücke. Cara Mia, Cyrano, Lavirco und auch Vaya. Fleur war ihm nicht genug? Die ersten Tränen bahnten sich aus meinen Augen und ich wollte nur noch alleine sein. "Geht bitte." Ich drehte mich zur Wand um, hörte nur noch leises Gemurmel und schlussendlich die Zimmertür die zuging. Ich schluchzte, konnte das wirklich wahr sein? Hatte Killian mir wieder alle weggenommen? Ich hatte so viel gelernt von ihnen, warum tat er mir das an? Er wusste von Anfang an dass ich keine perfekte Reiterin war und erst mit eigenen Pferden und Turnieren anfange, was hatte er erwartet? Ein überdurchschnittliches Talent wie in Filmen und Büchern? Bei der alles nach Plan läuft und nie was scheitert? Wie gerne würde ich in einem Film leben und ein paar Pechsträhnen haben aber am Ende wird ja sowieso alles gut. Nein, ich war im echten Leben, kein Autor oder Regisseur der mein Leben schrieb.
"Lexa..." Jemand besonderes legte sich neben mich ins Bett und drückte seinen Kopf an meine Rücken. Sein Atem bereitete mir Gänsehaut am ganzen Rücken und ich lächelte. Kyle schaffte es einfach immer mich aufzuheitern. Wir redeten sehr lange und er konnte mich irgendwie aufmuntern, nach ein paar Stunden kam die Krankenschwester und liess mich nach Hause gehen. Ich war froh endlich aus dem Krankenhaus zu sein und im Auto mit Kyle und meinen Eltern zu sitzen, es war aber eine unangenehme stille Fahrt weil niemand etwas sagen wollte. 
Zuhause humpelte ich mit den Krücken gleich in den Stall. Es war schon nach 22.00 Uhr, keine Ahnung was genau für Zeit war, aber ich musste sehen ob sie noch hier waren. Ich öffnete das Stalltor zum Hauptstall und lief zu den Boxen der Berittpferde. Alle waren leer. "Neeinn!!" Ich liess mich an der Boxenwand hinuntergleiten und vergrub mein Gesicht in meinen Knien. Mein gebrochener Fuss merkte ich gar nicht mehr, ich hatte ihn noch überhaupt nicht gespürt. Wahrscheinlich war ich so mit Schmerzmitteln vollgepumpt dass mich der Schmerz Morgen überrumpeln würde. Würde es noch schlimmer gehen als wenn mir Pferd für Pferd weggenommen wird? Egal wie kurz ich sie hatte, mir waren alle schon ins Herz gewachsen. 
Kyle setzte sich neben mich und drückte meinen Kopf gegen seine Brust. Ich durchnässte seine Jacke und versuchte mich zu beruhigen, aber alles was sich die letzten Tage angestaut hatte, kam zum Vorschein. Auch ich konnte Mal zu Boden gehen und seit Fleur weg war, passierte das des Öfteren. Die letzten Tage waren nicht meine besten Tage, das stand fest. 
Ich wusste nicht wie lange wir da sassen und den Pferden beim Heu fressen zuhörten, irgendwann spürte ich nur wie mich Kyle ins Schloss trug und es irgendwie ins Bett schaffte. Er zog meinen rechten Schuh aus und zog meinen Pullover und Jacke aus, irgendwie schaffte er es auch meine Reithose auszuziehen und legte dann die Decke über mich. Viel mehr als dass er sich zu mir legte, nahm ich nicht mehr wahr da mich die Müdigkeit einholte und mich zu sich zog.

Das Leben ist kein PonyhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt