Das Leben ist kein Ponyhof

Abschied

Heute war Mittwoch und ich war erst gerade aus dem Bett gekommen. Kyle schlief heute Nacht nicht bei mir, deshalb war es ganz komisch als ich heute Morgen alleine aufwachte.
Am Montag war der Tierarzt gekommen und hat alle Pferde entwurmt, das ging sehr gut, klar ein paar Pferde wollten erst das Maul nicht aufmachen, aber schlussendlich klappte es bei allen. Gestern war überhaupt nichts los und ich ritt einfach den ganzen Tag, es war mal so richtig schön nichts wichtiges auf dem Plan zu haben. Heute wird Annika vorbei kommen um meinen Stand anzuschauen. Sie sprach von einmal am Nachmittag, deshalb hatte ich den Morgen noch Zeit ungestört zu sein. 
"Guten Morgen Philipp. Kann ich heute mit Lavirco, Vaya und Cash Unterricht haben?" Ich blieb bei der Reittafel stehen die ich gestern noch schnell fertig gestellt hatte. "Na klar, sag mir einfach früh genug Bescheid." Ich nickte und schaute ihm kurz hinterher wie er den Stall verliess. Ich überlegte welches Pferd ich zuerst bewegen sollte. Ich entschied mich für Spartan und holte den Wallach von seiner Weide. Sie hatten alle keine Decke an, aber nächste Woche sollte ziemlich kalt werden und dann wieder wärmer wie diese Woche. Richtig komisches Wetter. 
Nachdem der schwarze Wallach zum Dressurreiten vorbereitet war, führte ich ihn in die kleinere Reithalle. Die Reithalle war komplett leer geräumt, alle Hindernisse standen in der kleinen Abstellkammer. Ich stieg von der Absteighilfe auf und ritt ihn am langen Zügel warm nachdem ich den Radio eingeschaltet hatte. Eine der Einsteller hatte am Montag den Radio in diese Halle gestellt da sie besser mit Musik reiten konnte, deswegen kaufte eine andere Einstellerin für die grosse Reithalle auch einen kleinen Radio und so hatten wir jetzt in beiden Reithallen einen Radio was ich irgendwie auch ganz cool fand.
"Hey Lexa." Ich schaute hoch, hielt aber Vaya's Huf weiterhin in der Hand. "Killian! Was machst du denn hier?" Nun stellte ich den Huf trotzdem ab obwohl er noch nicht fertig ausgekratzt war. "Ich wollte mal schauen wie es so geht. Am Samstag hast du Turnier wie ich gehört habe?" Er blieb neben Vaya stehen und schaute mich an. "Ja. Heute ist die letzte Springstunde mit ihr. Du kannst gerne bleiben und zuschauen, ich würde sagen wir sind besser dran als am Klassik Cup." "Das hoffe ich sehr. Ich bleibe um Vaya und dich zu schauen, nachher muss ich aber weiter. Wie kommst du mit Fleur voran?" Ich beugte mich wieder zum Huf und nahm ihn wieder hoch um ihn fertig auszukratzen und erzählte die Fortschritte von Fleur. "Die Anlehnung klappt schon in allen Gangarten wunderbar und wir haben mit dem Springen angefangen. Ich habe auch sehr viel Freiarbeit, Bodenarbeit und so gemacht und das liebt sie. Ich bin sie auch schon ohne Sattel geritten und sie ist super brav dabei." Ich stellte den fertig ausgekratzten Huf auf den Boden und nahm den letzten. "Das hört sich super an. Ich habe eine Anfrage für sie bekommen und das ist eigentlich auch der Grund warum ich gekommen bin." Ich riss die Augen auf und liess deswegen den Huf auf den Boden 'fallen', da ich ihn einfach losliess. "Nein...mit Fleur hatte ich noch so viele Pläne..." Ich liess niedergeschlagen den Hufauskratzer in die Putzbox fallen. "Ich weiss und es tut mir auch Leid. Aber du wusstest, dass ich sie irgendwann mal zurück holen würde und bei Fleur habe ich jetzt wirklich ein gutes Angebot bekommen. Ein Mädchen in deinem Alter wird sie zum Geburtstag bekommen und da sie viel Erfahrung mit Jungpferden hat und auch ihre Eltern im Reitsport tätig sind, wird sie Fleur für sich selber fertig ausbilden. Ich werde sie nach deiner Reitstunde mitnehmen." Er hatte diesen Ton drauf, dem man lieber nicht widersprach und so nahm ich es einfach hin. Ich zeigte Killian ihren Sattelschrank und während er diesen ausräumte, machte ich Vaya für die Reitstunde fertig. 
"Aufgewärmt?" Philipp kam mit seiner knallgrünen Winterjacke in die Reithalle und stellte sich neben einen der Sprünge die aufgebaut waren. Ich musste zwei Mal hinschauen um zu verstehen das er doch tatsächlich einen kleinen Parcours aufgebaut hatte. "Ja, auch ich ändere manchmal meine Prioritäten. Da der Klassik Cup nicht wirklich gut gelaufen ist, dachte ich wir üben heute mal doch das Parcours reiten. Sogar mit einem Zuschauer." Er zeigte auf Killian der in der Halle am Rand stand. Ich nickte auf seine erste Frage hin und als er mir die erste Übung erklärte, galoppierte ich an und ritt die erste Distanz zum aufwärmen an. Die Hindernisse waren zum Anfang noch tiefer gebaut als L, aber er würde sie noch höher stellen, zumindest sagte er das nachdem er die Übung erklärt hatte. Ich galoppierte auf den Steil zu, war aber mit meinen Gedanken bei Fleur und so kamen wir ziemlich dicht und Vaya hatte überhaupt keine Chance ihre Beine richtig zu heben. Sie schmiss die obere Stange und kam aus dem Takt. Ich wendete vor dem Oxer ab und machte eine Volte um mich trotzdem irgendwie zu sammeln. Wir kamen passender über den Oxer aber ich fühlte mich wie ein Anfänger der gerade zum ersten Mal eine Distanz gesprungen war. "Lexa konzentrier dich! Nochmal!" Philipp schien verärgert zu sein, ich konnte es ihm aber auch nicht verübeln. 
Die ganze Stunde verlief noch ziemlich schlecht und wir liessen sogar diese Höhe. Philipp sagte am Ende der Stunde 'wenn du am Samstag so reitest, müssen wir gar nicht erst hinfahren!' Diese Aussage hatte mich sehr getroffen und ich nahm mir vor am Samstag zu rocken. 
Nachdem Vaya wieder auf ihrer Weide stand, nahm ich anstatt ein anderes Pferd zum reiten, Fleur mit. Die Mittagssonne schien heute richtig schön und ich würde alles dafür geben nochmals unter dieser Sonne ohne Sattel mit der Falbstute auszureiten. Am Putzplatz bekam sie eine Decke von mir drauf und wurde nochmals von mir gekuschelt. Killian machte das Auto mit dem Anhänger Startklar und Philipp war schon lange beim nächsten Pferd. "Du wirst es gut haben dort wo du hinkommst. Ich werde dich sicher wieder sehen! Danke das du mich ohne Sattel auf dir reiten gelassen hast...ich werde das und auch dich nie vergessen, meine erste Jungpferde Erfahrung." Ich gab ihr ein Leckerli und kuschelte mich in ihr flauschiges Teddywinterfell. Eine Träne kullerte meine Wangen hinunter und ich vergrub mein Gesicht tiefer in ihrem Fell. Erst als sie versuchte auszuweichen, stellte ich mich normal hin, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und band Fleur vom Anbindering los. Mit langsamen und trägen Schritten lief ich zu Killian der mir den Strick aus der Hand nahm und die junge Stute in den Anhänger führte. "Ich weiss es hat dich mit Fleur durcheinander gebracht, aber deswegen solltest du dich trotzdem beim Reiten konzentrieren können. Ich will dir keine Druck fürs Wochenende machen, aber wenn du nicht gut mit beiden abschneidest, hole ich sie mir vielleicht wieder zurück und gebe sie jemandem besseres. Bis dann Lexa." Ohne das ich darauf antworten konnte, stieg er ins Auto und fuhr durchs Tor welches er zuvor geöffnet hatte. Mit einer gewissen Lahmheit in den Beinen blieb ich stehen und starrte ihnen nach, ich wollte Vaya und Lavirco nicht auch noch verlieren...