[28] Die Vergangenheit ist Gegenwärtig

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Es waren einige Wochen ins Land gegangen und die Stadt schien nichts von all den dramatischen Ereignissen der unterwegs mitbekommen zu haben. Giovanni war zurückgekehrt und hatte dafür seinen sterbenden Vater zurücklassen müssen, doch das was bei seinen Kindern passierte hatte für ihn Priorität.

"Du siehst nicht gut aus" meinte nun Leonardo der wehleidig seine Schwester betrachtete. "Echt? Wusste ich garnicht" fauchte sie ihn nur an, als sie über ihren kahlen Kopf fuhr. Jeglichen Behaarung außer ihre Augenbrauen waren verschwunden, durch die Therapie die ihren Krebs bezwingen sollte. "Willst du nicht mal wieder raus? Die Familie sehen" bot er ihr an, doch sie schüttelt wie sie es immer tat nur den Kopf. "Ich sehe aus wie eine wandelnde Leiche. Lass mich einfach in Ruhe" bat sie ihn erneut und er seufzte nur schwer. "Ich weiß, du empfängst eigentlich keine Post, aber du hast da ein kleines Päckchen bekommen" versuchte er sie einwenig aufzumuntern, doch weiterhin saß Viola still in ihrem Sessel, eingehüllt in eine Decke und beobachtete die stadt. "Es ist von Alessandro" und nun huschte ihr Kopf zur Seite. "Ich dachte mir doch, dass es dich interessieren würde" stellte er triumphierend fest, als er ihr nun die kleine Schatulle reichte. Sie öffnete sanft den Deckel und erblickte etwas von dem sie gedacht hatte, es wäre für immer verschwunden. Ihre Kreuzkette. Er hatte sie doch nicht verkauft. Ein kleiner Zettel trieb ihr dann doch die Tränen in die Augen. "Ich werde mir nie verzeihen. In ewiger Liebe- Alessandro". "Soll ich sie dir anziehen?" Bot Leonardo an, der das geschenk bereits gesehen hatte. Sie nickte nur stumm und überreichte ihm ihren kostbarsten Besitz. Als er ihr gerade den verschluss schloss, seufzte er nur und deutete auf einen Stapel von Briefen. "Ich mag den Detektiv zwar nicht, aber er schreibt dir jeden Tag. Willst du ihm nicht wenigstens mal antworten?" Erkundigte er sich, doch sie schüttelte vehement den Kopf. "Er sollte endlich begreifen, das die Liebe zwischen uns nie echt war. Sie war nur ein Lückenbüßer für das was Davide zurückließ" behauptete sie kühl und er ließ sich neben sie in einen Sessel fallen. "Keiner weiß was mit ihm passiert ist. Seine Leiche wurde zwar begraben, aber wir konnten ihr nur anhand seines Tatoos erkennen. Irgendjemand hat ihn so zugestellt und er war Klever, vater setzt alles daran seinen Mörder zu finden" erzählte er und obwohl es Viola so sehr betraf, verzog sie keine Miene. "Weißt du noch Leo, als wir Kinder waren hat Vater uns immer gegeneinander aufgehetzt.
Aus allem hat er einen Wettstreit gemacht und jedes Mal hast du gewonnen. Jedes Mal wenn ich verlor, dachte Vater ich sei zerbrechlich und verletzlich. Jedes Mal verlor er mehr Vertrauen in mich und meine Stärken" begann sie nun zu erzählen und er lauschte ihr ohne einen mucks von sich zugeben. "Eines Tages, es war Sommer, da spielte ich mit Mama im Garten. Du und Vater wart mit unseren Cousins jagen. Es war so heiß, das ich bereits einen Sonnenbrand bekam und weinte. Oh wie sehr weinte ich, als meine Haut so schmerzte. Doch Mama hat jedes Mal gesagt, daß sie mich vor allem schützen wird. Sogar vor der Sonne und so trug sie mich ins Haus und umarmte mich, solange bis ich merkte das es garnicht schlimm war" erzählte sie weiter, doch Leonardo sah sie besorgt an, denn er kannte die Geschichte. Jedoch nicht aus der Sicht seiner Schwester, sondern aus seiner eigenen. "Viola, du solltest dich lieber etwas hinlegen und-" doch sie ignorierte seine Worte. "Sie umarmte mich und gerade als ich so glücklich war das meine Haut nicht mehr wehtat, rannte ich los. In den Wald hinein, bis ich nicht mehr wusste wo es zurück ging und da hörte ich es. So weit entfernt und doch so nah. Ihre Schreie werde ich nie vergessen. Als sie sie vergewaltigten und sie töteten" hauchte sie kaum hörbar, denn Tränen liefen ihr nun in strömen über die Wangen. "Vio, es war nicht deine Schuld" versuchte Leonardo, seine Schwester zu trösten, doch es half nichts. "Sie ist für mich gestorben und was habe ich aus meinem Leben gemacht? Ich bin bald dreißig. Habe nicht geheiratet, habe nie den Mann gefunden, der mir all das gibt was ich brauche und verrecke jetzt an Krebs. Was für eine Ironie" stellte sie fest bevor sie stark begann zu Husten. "Ich hab eine Schusswunde überlebt. Ich habe einen Autounfall überlebt, ich habe Davide's Schläge überlebt und sogar einen Brand und jetzt.. sterbe ich an einem Tumor in meiner Lunge" keuchend drückte sie sich die Atem Maske aus Mund und Nase, um einen starken Zug zu nehmen. "Du wirst nicht sterben!" Schwor er ihr, bevor er aufstand. "Ich werde dir den besten Arzt besorgen, denn es gibt!" Und mit diesen Worten verließ er ihr Apartment.

Alleine und nur mit dem Gedanken im Kopf das sie bald sterben würde, saß sie weiterhin dort wo sie immer war. In ihrem Sessel am Fenster. Ein Plattenspieler schien jedoch den Raum zu erhellen. Italienische Oper. "Seniora?" Ertönte es nun hinter ihr und sie drehte sich etwas um. "Was ist los Eduardo?" Wollte sie nun wissen. "Doktor Evans ist da, er würde gerne ihre Werte kontrollieren" erklärte er nur und sie nickte kurz. Schwach und wackelig auf den Beinen richtete sie sich auf und schaffte es nur durch die Hilfe ihres Bodyguards bis zu einem Raum, der umgebaut worden war. Ausgestattet mit den neusten und besten medizinischen Geräten. "Miss Valentini. Sie sehen besser aus als letztes mal" stellte der junge Doktor fest, doch sie glaubte ihm nicht mal ansatzweise. "Ich fühle mich, als hätte mich etwas überfahren" gab sie zu und er nickte leicht. "Sie wissen ja. Heute ist die letzte Tablette dran und ab morgen beginnen wir mit den Operationen" erklärte er mit ruhiger Stimme. "Alles was sie sagen Doktor" und so begann er erstmal sie abzuhören und ihr etwas Blut abzunehmen. "Hier ist die Tablette. Es ist wichtig das sie sie heute abend noch nehmen, da wir die Operation sonst morgen nicht durchführen können" erinnerte er sie erneut, bevor er ihr diese in die Hand drückte um dann wieder zu gehen und gerade als er aus dem Zimmer verschwand sah sie wehleidig zu der Tablette und für kurz überlegte sie einfach diese wegzuwerfen. Wäre es den so schlimm zu sterben?

Amore pericoloso | Dangerous loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt