Its okay if you fall down and loose your spark. Just make sure that when you get back up, you rise as the whole damn fire.
Colette Werden
Leise fluchend bahnte ich mir den Weg durch die Stadt um endlich mein Dach zu erreichen. Normalerweise fuhr ich immer mit der Bahn hier her und normalerweise hätte ich zu dieser Jahreszeit auch wesentlich wärmere Klamotten an als meinen Schlafanzug und die dünne Jacke, die neben meinem Bett lag. Aber normalerweise wäre ich auch nie auf die Idee gekommen mitten in der Nacht mein Bett zu verlassen und vollkommen überstürzt zu flüchten. Aber heute war eben nicht normalerweise. Denn normalerweise wachte ich nicht voller Wut, Enttäuschung und Trauer auf. Und das alles nur wegen eines Traumes. Doch irgendetwas sagte mir, dass das nicht nur eine Erfindung meines Unterbewusstseins war, sondern das es eine Erinnerung war. Eine Erinnerung an eine Person, die ich schon vor Jahren vergessen hatte. Eine Person dessen Namen mir vor einigen Monaten auch im Traum geflüstert wurde. Und genau nach diesem Namen hatte ich meine Mum gefragt.
"Wer ist Sophia?" hatte ich sie damals gefragt. Doch sie ist mir ausgewichen. Wahrscheinlich reagiere ich hier vollkommen über. Immerhin war es ein Traum und in Wirklichkeit ist es gar nicht so gewesen, wie ich es geträumt hatte. Aber alles was ich in letzter Zeit gelernt hatte, war das in jedem Traum ein Stück Realität vorhanden war. Was bedeutet, dass wir Sophia sehr gut gekannt hatten und genau das war auch der Grund warum ich heute so überstürzt das Haus verlassen hatte und Zuflucht auf genau dem Dach zu suchten, dass mir schon immer geholfen hatte, wenn ich mal wieder meine eigenen Gedanken ordnen musste. Eigentlich wäre es in solchen Fällen mittlerweile Christian geworden. Doch die Tatsache das mich Mum dort als erstes suchen würde und die Tatsache, dass sie das Dach nicht kannte, hinderten mich daran zu Christian zu flüchten.
Und im Moment schwirrte mein Kopf voll Gedanken. Ich wollte wissen, wie ich mit dieser Erinnerung umgehen sollte. Ich wollte endlich Antworten auf alle Fragen, die Sophia und den Grund des Schweigens kennen. Ich wollte begreifen, warum mir meine Eltern die Chance zu trauern und sie in Erinnerung halten zu können, genommen hatten. Ich wollte wissen, wie ich reagieren soll, wenn ich dann all diese Antworten hatte. Aber vor allem wollte ich einfach nur weg. Weg von Mum, die Paradoxer Weise die einzige ist, die meine vorherigen Wünsche erfüllen könnte. Doch war ich derzeit, so sehr ich es auch wollte, noch nicht bereit dazu mich ihr zu stellen. Mich der ganzen Wahrheit zu stellen.
Mittlerweile strahlte mir schon die Morgensonne ins Gesicht und ließ meinen tauben Gliedmaßen wieder etwas wärmer werden. Allerdings wusste ich, dass ich einer starken Erkältung nicht mehr entgehen konnte. Und obwohl ich dies wusste, sah ich noch immer keinen Grund dieses verdammte Dach zu verlassen. Den jede weitere Stunde die ich nun hier schon verbracht hatte, schwanden die aufwühlenden Gefühle in mir. Nur eine Einzige blieb. Enttäuschung. Ich verstand es zwar nicht, warum meine Eltern mir Sophia vor so vielen Jahren vorenthalten hatten aber ich konnte nun verstehen, warum Mum mir nicht von ihr erzählte, als ich sie fragte. Ich glaube selbst, wenn sie gewollt hätte, hätte sie es nicht geschafft. Immerhin war gerade ihr Mann verstorben. Wie sollte sie also ihrer noch lebenden Tochter, also mir, etwas über ihre verstorbenen Tochter Sophia erzählen?
Das Geräusch einer sich öffnenden Tür lies mich kurzerhand herumwirbeln und wenig später in das erleichterte Gesicht von Christian zu blicken. "Gott Emely, deine Mum sucht dich schon überall." Normalerweise würde mir dieses Wissen ein schlechtes Gewissen bereiten, doch wie ich schon festgestellt hatte, war heute definitiv nicht normalerweise. Und genau aus diesem Grund ließ ich meinen Blick wieder nach vorne schweifen, damit ich die Aussicht auf die Stadt auf mich wirken lassen konnte. Als ich aus dem Augenwinkel heraus bemerkte, dass sich Christian neben mich setzte, wusste ich, dass ich irgendwann mit ihm darüber reden musste. Und genauso gut wusste auch er, dass er warten musste, bis ich den ersten Schritt machte. Und deshalb saßen wir nun schon eine Weile schweigend neben einander, den Blick stehts auf das Geschehen unter uns gerichtet.
"Wusstest du, dass ich eine Schwester hatte?" "Nein das wusste ich nicht." "Ich auch nicht." Ich hatte den letzten Teil so leise gesagt, dass es schon fast in der Stille die uns umgab verloren ging. Einige Minuten mussten vergangen sein, als ich Christians Stimme wieder neben mir vernahm. "Willst du darüber reden?" Das war wohl die einhundert Dollar Frage. Wollte ich den? Wollte ich das es Tatsächlich real wird und sich nicht nur in meinem Kopf abspielte? Und plötzlich wurde mir bewusst, dass es doch schon längst real war und ich nicht davonlaufen konnte. Und es doch tief im Inneren auch nicht wollte. Denn ansonsten hätte ich sicherlich nicht so reagieren dürfen und mitten in der Nacht fliehen. "Sophia war um einige Jahre älter als ich. Ich weiß nicht mehr genau wie viele. Ich war damals noch ganz klein, vielleicht im Kindergartenalter, und wollte immer mit ihr mithalten. Ich weiß nicht wie wir zu einem Pool kommen konnten. Ich weiß auch nicht wessen Pool es war. Ich weiß nur noch wie Sophia ausgerutschte und in den abgedeckten Pool stürzte." Ich merkte erst, dass mir Tränen über die Wangen liefen, als Christian sie wegwischte und mich in eine enge Umarmung zog. "Ich wollte ihr helfen. Ich wollte ihr wirklich helfen. Aber ich konnte nicht. Ich hatte soviel Angst, dass ich nur dastehen konnte und begann so laut ich nur konnte zu schreien." Ich brauchte einige Minuten um mich soweit wieder beruhigen zu können um weiter sprechen zu können. "Eigentlich weiß ich gar nicht in wie weit das der Wirklichkeit entspricht. Um ehrlich zu sein, habe ich das alles geträumt. Aber es hatte sich so real angefühlt und als ich vor einigen Monaten das erste Mal von einem Mädchen Namens Sophie träumte, und ich meine Mum fragte, wich sie mir aus. Ich weiß auch noch als mir meine Eltern damals eingeredet hatten, dass meine Freundin Sophie nur eine Phantasiefreundin gewesen war und ich schon längst zu alt für eine solche Freundin wäre. Aber als ich gestern Nacht ihr Gesicht sah, es war als würde ich mein eigenes sehen." Obwohl mich Christian nun endgültig für verrückt halten musste, gab er mir das was ich im Moment am meisten brauchte. Eine Schulter an die ich mich lehnen konnte. "Es ist verrückt. Mein ganzes Leben hatte ich das Gefühl als würde mir irgendetwas fehlen. Obwohl ich doch immer alles hatte. Eine Zeit lang dachte ich wirklich mit mir würde etwas nicht stimmen. Immerhin konnten doch auch alle anderen einfach nur glücklich sein. Warum also ich nicht? Tja, das wäre wenigstens eine Erklärung dafür. Oder ich habe nun wirklich meinen Verstand verloren. Ich weiß es einfach nicht mehr." Mein Blick hatte sich mittlerweile wieder geklärt und lag nun wieder auf dem Treiben unter uns. "Also wenn du mich fragst, ist mit deinem Verstand alles in Ordnung. Und wegen dem Rest, fragen wir jetzt deine Mum." Entgeistert blickte ich auf die Hand, die er mir schon entgegenstreckte um mir beim aufstehen zu helfen, doch als meine Augen sein entschlossenes Gesicht sahen, wusste ich, dass dies das einzig Richtige war um anfangen zu können, damit abzuschließen.

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In ewiger Liebe, Emely
Teen FictionFür Emely hatte das Leben schon immer Hindernisse breit. Da sie verschlossen und etwas ruhiger ist als gewöhnliche Teenager in ihrem Alter glauben ihre Eltern sie ist depressiv und schleppen sie gerne von Arzt zu Arzt. Dabei will Emely einfach nur i...