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Liebe ist nicht das was man erwartet zu bekommen, sondern das, was man bereit ist zu geben.

Kathrine Hepburn

"Letzter Aufruf für den Flug SU 5092 nach Bukarest." Dass ich es normalerweise nicht schaffe pünktlich am Flughafen zu sein, ist nichts neues für mich. Doch dass ich es auch heute nicht geschafft hatte, wundert mich selbst. Immerhin ist dies der wahrscheinlich wichtigste Flug in meinem Leben und ihn zu verpassen, wäre das Schlimmste, dass passieren könnte. Immerhin läuft die Zeit gegen mich und ich will auf keinen Fall, dass all meine Mühen umsonst waren, denn der Verlust wäre zu groß für mich. Mein einziges Glück war, dass ich außer der kleinen Handtasche kein Gepäck mitführte. Gerade noch pünktlich schaffte ich es zum Boarding und war froh mich endlich in den Sitz, der mir für die nächsten fünfzehn Stunden gehören würde, fallen lassen zu können.

Die letzten vierundzwanzig Stunden waren mehr als nur stressig für mich. Ich musste so viele Vorkehrungen treffen, dass ich nicht einmal mehr Zeit hatte mich bei meiner Mum, Sue oder Christian zu verabschieden. Vielleicht war das auch gar nicht so schlecht. Immerhin hätte ich sicherlich nicht gewusst, was ich ihnen hätte sagen können um die Wahrheit zu vertuschen. Denn mein wahres Vorhaben hätten sie niemals zugelassen. Bis gestern wusste ich noch nicht einmal, dass es irgendwo auf dieser Welt Ärzte gibt, die so etwas überhaupt durchführen. Aber in Rumänien, war so etwas zwar nicht legal, doch mit dem richtigen Kleingeld, war alles viel leichter. Schwieriger wurde es allerdings, bei uns in den Staaten einen Arzt zu finden, der mein Vorhaben, dass nun in Bukarest startet, beenden würde. Doch auch hier stellte sich heraus, dass genügen Geld und die richtigen Fragen Türen öffneten, von denen man glaubte, sie würden nicht einmal existieren.

Eigentlich wollte ich gleich nach dem Start beginnen, ein paar Zeilen für Christian zu schreiben, die ihm später alles erklären würden, dass ich bis jetzt nicht konnte. Doch leider hatten mich die letzten Wochen, insbesondere die letzten Stunden, so sehr ausgelaugt, dass ich den Start der Maschine nicht einmal mehr mitbekommen hatte.

"Entschuldigen Sie Miss, bitte setzten Sie sich auf, wir landen in Kürze." vernahm ich die Stimme der Flugbegleiterin und war froh immer noch meine Tasche in der Hand zu halten. Vor Müdigkeit hatte ich vollkommen vergessen, sie sicher aufzubewahren. Ich wüsste nicht, was ich gemacht hätte, hätte mir jemand die umgerechnet hunderttausend Dollar für Dr. Dragea gestohlen. Ich war noch nie so froh über meinen Job, als in den letzten Stunden, denn den Betrag, den ich an Dr. Dragea bezahlen musste, war nur ein Bruchteil im Vergleich zu dem, den ich dem Arzt in den Staaten zahlen musste. Ich muss zugeben, in bar hatte ich das ganze Geld auch nicht, doch wenn ich den Wert der ganzen Gemälde, die ich über die letzten Jahre von meinen Kunden vermacht bekommen hatte miteinberechnetet, konnte ich es mir leisten. Es ist sogar noch ein kleines bisschen übriggeblieben. Ich bin mir sicher Jason und Grace werden sich einmal daran erfreuen, immerhin wird es das letzte Geschenk sein, dass ich ihnen machen kann.

Als ich das Flughafengebäude verlies, erblickte ich schnell einen etwas älteren, schlaksigen Mann, der ein Schild mit meinem Namen darauf in den Händen hielt. Na hoffentlich war das nicht mein Arzt. Als wir das letzte Mal miteinander sprachen, hatten wir vereinbart, dass er mich am Flughafen abholen und mich gleich in seine Praxis fahren würde. Ich wusste zwar auf was ich mich da eingelassen hatte und dass ich deshalb auch nicht den gewohnten Standard erwarten konnte. Trotzdem wollte ich, dass das alles funktioniert und auf keinen Fall sollte irgendetwas schief gehen. Aber konnte ich es ab diesem Punkt überhaupt noch steuern? Schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich ab jetzt machtlos war. Sobald ich auf dem Tisch war, konnte alles schiefgehen und ich kann nichts dagegen unternehmen. Ich wusste zwar, dass es keine Garantie gab, dass mein Vorhaben funktionieren und Christian wieder gesund werden würde, doch seine Chancen würden sich um vieles erhöhen. Und das wahr es mir definitiv wert, also werde ich alle Bedenken und sämtliche Nervosität beiseiteschieben und mich auf das Wesentliche konzentrieren. Nämlich Christian. Erleichterung machte sich in mir breit, als er mir erklärte, dass Dr. Dragea keine Zeit finden konnte und ich ihn deshalb erst in der Praxis kennenlernen werde.

Ich war mehr als überrascht, als ich bei der Praxis von Dr. Dragea ankam. Sie war wirklich schön eingerichtet und das allerwichtigste so steril, dass sich sogar manche Kliniken zuhause eine Scheibe abschneiden könnten. Auch der Doktor selbst machte einen seriösen Eindruck und die Schwestern behandelten mich, als wäre ich gerade in einem Luxuskaufhaus beim Einkaufen. Naja, so weit hergeholt war es eigentlich gar nicht. Immerhin zahlte ich wirklich viel - doch der Ertrag war unbezahlbar.

Als ich die letzte Unterhaltung über den Eingriff hinter mir hatte, fand ich endlich Zeit meine Zeilen an Christian zu schreiben. Anders als gedacht, ging mir alles ganz leicht von der Hand. Alles was ich ihm jemals sagen wollte, doch nie konnte, war plötzlich ganz einfach. Es ist schon lustig, wie Schwieriges plötzlich ganz einfach wird und wie etwas das uns vorher unglaublich wichtig war unbedeutend wird. Wie man nie die richtigen Worte finden kann und dann auf einmal keine falschen mehr kennt. Und das alles nur weil es kein Morgen mehr geben wird.

Als ich an diesem Tag auf der Liege im OP-Saal lag, wurde mir bewusst, dass ich mein Leben letzten Endes wirklich gelebt hatte und dass ich mich unglaublich darauf freue ganz besondere Menschen bald wieder sehen zu können. Und als ich spürte, wie die Narkose Wirkung zeigte, musste ich lächeln, denn ich wusste, dass ich das Richtige tat.

In ewiger Liebe, EmelyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt