If you dont leave your past in the past, it will destroy your future. Live for what today has to offer you, not for what yesterday has taken away.
Unbekannt
Ich war unglaublich froh, dass Christian nicht einen Moment von meiner Seite wich. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich niemals den Mut aufgebracht, ein derartiges Gespräch mit meiner Mum führen zu können.
Eine Weile saßen wir uns nun stillschweigend gegenüber. Schon als wir das Haus betreten hatten, hatte sich meine Mum gefühlte hundertmal entschuldigt. Und in dem Moment wurde mir klar, dass Christian sie vorgewarnt haben musste. Woher sollte sie sonst wissen, dass es an ihr lag, dass ich mitten in der Nacht die Flucht ergriffen hatte. Als Mum dann endlich mit ihren Entschuldigungen fertig war, folgten wir ihr ins Wohnzimmer indem sich dann eine eiserne Stille über uns legte.
Ich weiß, dass du deinem Vater und mir wahrscheinlich nie verzeihen kannst, Emely. Aber es erschien uns damals als das Richtige." Mit diesen Worten durchbrach Mum endlich die Stille. "Wie konnte es das Richtige sein, mir meine Schwester zu nehmen?" Fassungslos sah ich ihr in die Augen. "Du warst damals erst vier Jahre alt und so traurig. Du hattest nur noch geweint. Wolltest nicht mehr schlafen, nicht mehr essen. Als du dann irgendwann vor Müdigkeit doch noch eingeschlafen warst, hatte es keine Stunde gedauert bis du wieder schreiend aufgewacht bist. Egal was wir dir zur Beruhigung gaben, es hatte nicht geholfen. Wir wussten einfach nicht mehr weiter. In irgendeinem Ratgeber hatten wir dann erfahren, dass viele Kinder einen Phantasiefreund haben, diese aber wenn sie älter werden irgendwann einfach vergessen. Also dachten wir uns, wenn wir dir sagen, dass Sophia nur eine solche Freundin von dir war, du über ihren Tod hinwegkommen würdest. Und es hatte auch funktioniert. Du hattest wieder angefangen zu essen und zu schlafen. Ursprünglich wollten wir dir die Wahrheit erzählen wenn du älter bist und damit umgehen kannst. Doch irgendwie haben wir diesen Zeitpunkt verpasst und plötzlich hattest du dich vor uns verschlossen. Wir wollten einfach nur das du glücklich werden kannst und wir wollten nicht auch noch unser zweites Kind verlieren." Immer wieder verlor sie während ihrer Rede eine Träne, doch in den Arm konnte ich sie trotzdem nicht nehmen. Nicht solange ich nicht die ganze Wahrheit kannte. "Mum? Was ist damals wirklich passiert. Ich meine wie ist sie gestorben?" Ich weiß, dass es im Moment eigentlich zu viel von ihr verlangt ist, mir davon zu erzählen. Doch ich musste einfach wissen, was wirklich geschehen ist und wie viel davon meine Phantasie beigetragen hat. "Dein Vater war kurz davor befördert zu werden und arbeitete deshalb fast Tag und Nacht. Und ich war fast ausschließlich mit dem Haushalt und euch beschäftigt. An diesem Tag war dein Vater schon früh morgens zur Arbeit aufgebrochen. Ich war erkältet. Sosehr, dass ich meinen Wecker nicht gehört hatte. Als ich dann irgendwann wach wurde und auf die Uhr blickte und zeitgleich die Sirenen hörte, wusste ich, dass mit euch etwas passiert sein musste. Noch im Schlafanzug bin ich damals auf die Straße gerannt und dem Notarzt eine Straße weiter gefolgt." Sie legte eine kurze Pause ein um ihre zittrige Stimme wieder in den Griff zu bekommen. "Die Besitzer des Hauses hatten auf dem Grundstück Überwachungskameras verteilt. Eine davon hatte auch gefilmt, daher konnte die Polizei auch feststellen, was genau geschah." "Was war darauf zu sehen? Bitte Mum, ich muss es wissen." Obwohl sich meine Stimme nicht besser anhörte als die meiner Mum musste ich jetzt alles wissen. "Ich selbst habe es nie gesehen. Ich konnte einfach nicht." "Mum, bitte." Mittlerweile hatte sich eine Übelkeit in mir ausgebreitet und am liebsten würde ich mich in meinem Bett verstecken und nie wieder aufstehen. Doch zu gut kannte ich mich, sollte ich jetzt abbrechen und gehen, wäre ich nie wieder bereit die ganze Wahrheit zu hören. "Ihr seid angeblich durch das hintere Gartentor gekommen und hattet selbst gebastelte Boote aus Papier dabei. Sophia wollte dir zeigen, wie sie schwimmen können. Dabei war allerdings die Poolabdeckung im Weg. Laut der Polizei wollte sie diese wegzeihen, hat dabei das Gleichgewicht verloren und ist hineingestürzt. Die Plane hatte sich um Sophia gewickelt, sodass sie sich nicht mehr befreien konnte. Du musstest dir alles mitansehen und hast um Hilfe gerufen. Selbst als sie sich nicht mehr bewegte, standst du dort und hast geschrien, bis dich endlich einer der Nachbarn bemerkte und den Notruf wählte." Ihr Blick war mittlerweile gegen ihre Hände gerichtet und immer wieder wurde sie durch ihr eigenes Schluchzen unterbrochen. Auch mir liefen die Tränen übers Gesicht, spürte sie auf meine Hände tropfen, konnte meinen Blick nicht von meiner Mum abwenden. Konnte nicht zu ihr gehen, konnte nichts sagen. Irgendwann hob sich ihr flehender Blick "Es tut mir so leid, Emely. Hätte ich doch bloß meinen Wecker gehört." Ich wusste nicht ob es ihre Worte waren oder ob es ihr Blick war, alles was ich wusste war, dass ich zu ihr musste. Ihr sagen, dass ich sie leibte, dass sie keine Schuld hatte, dass alles ein Unfall war, ein Schicksal das nicht hätte verhindert werden können. Zumindest sagte dies Dr. Mayer in einer unserer unzähligen Stunden. Bis jetzt hatte ich nicht verstanden wie man gewisse Dinge nicht verhindern könnte. Doch jetzt weiß ich es besser. Mum hatte immer alles für mich getan. War immer für mich da. Und wenn nicht einmal sie es schaffte, etwas Derartiges zu verhindern, musste es wohl so etwas wie Schicksal und Bestimmung geben. Und vielleicht hat Dr. Mayer auch damit recht, dass manche Menschen zu früh aber ohne Schmerzen gehen müssen um von späteren Schmerzen beschützt zu werden.
Bis spät in der Nacht saßen wir noch im Wohnzimmer, haben zusammen geweint und gelacht. Und haben dabei eines der wohl ehrlichsten und befreiendsten Gespräche Allerzeiten geführt.
Christian hatte uns irgendwann verlassen, allerdings war ich so auf meine Mum fixiert, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wann. Deshalb hinderte mich auch die späte Uhrzeit nicht, ihn anzurufen um mich zu bedanken. Ohne ihn hätte ich das heute nicht geschafft und ich wollte, ihm das noch heute wissen lassen. "Emely? Gehts dir gut?" Als ich seine nervöse Stimme hörte, war es plötzlich keine so gute Idee mehr in mitten in der Nacht anzurufen. "Ja, alles gut. Ich wollte dich nicht erschrecken, tut mit leid. Eigentlich wollte ich mich mal wieder bedanken. Dass du heute da warst und dass du immer für mich da bist." "Em, wann wirst du wohl verstehen, dass du dich nicht immer bedanken musst. Schon gar nicht dafür." Erleichtert vernahm ich seine belustigte Stimme. "Also Emely, pass jetzt ganz genau auf, denn ich werde es nicht nochmal sagen." Schmunzelnd musste ich feststellen, dass ich diese Worte nicht zum ersten Mal hörte und ganz sicher nicht zum letzten Mal. "Ich werde immer für dich da sein. Ganz egal wann, ganz egal wo, was auch immer passieren mag."

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In ewiger Liebe, Emely
Roman pour AdolescentsFür Emely hatte das Leben schon immer Hindernisse breit. Da sie verschlossen und etwas ruhiger ist als gewöhnliche Teenager in ihrem Alter glauben ihre Eltern sie ist depressiv und schleppen sie gerne von Arzt zu Arzt. Dabei will Emely einfach nur i...