Mann kommt in einer Freundschaft nicht weit, wenn man nicht bereit ist, kleine Fehler zu verzeihen.
Jean de La Bruyère
Nachdem Mum gegangen war, habe ich mich, mit dem Versuch mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, nur noch im Bett herumgewälzt. Verzweifelt, weil es, wie sollte es auch anders sein, nicht funktioniert hatte, ließ mich schlussendlich die Klingel der Haustür aufschrecken. Etwas verwirrt, wer das nun sein könnte, wartete ich einige Sekunden ab nur um sicher zu gehen, mich nicht vielleicht doch verhört zu haben. Immerhin war es schon, wie mir mein Wecker verriet, weit nach zehn Uhr abends und Mum hatte immer einen Schlüssel dabei. Wie lang lag ich jetzt eigentlich schon in meinem Bett? Unglaublich, dass ich in all dieser Zeit kein Stückchen weitergekommen bin. Und schon klingelte es ein weiters Mal. Und genau deshalb blieb mir wohl auch nichts anderes übrig, als aus meinem Bett zu steigen und mich zur Haustür zu begeben um durch den Spion das Rätsel zu lösen.
Ich hatte noch nicht einmal richtig realisiert, wer da draußen stand, sprang ich auch schon einen Schritt zurück. Ich hatte ja mit fast allen Personen gerechnet, die auf der anderen Seite der Tür stehen hätten können. Doch dass ER hier auftauchen würde, damit hatte ich nun nicht einmal im Traum gedacht. Da ich aber wusste, dass ich vor diesem Gespräch wohl nicht mehr weglaufen konnte, atmete ich noch einmal tief ein und bereitete mich innerlich auf einen möglichen Schlag ins Gesicht vor, ehe ich die Tür öffnete.
"Hey." Und schon wieder entstand eine Stille zwischen uns, die er aber dieses Mal sofort zu brechen versuchte. Wobei ich fairer Weiße erwähnen muss, dass er die letzte Stille wahrscheinlich gar nicht hätte brechen können, da ich ihn da wohl etwas überrumpelt hatte und er gar nicht wirklich realisierten konnte, was ich ihm zu sagen versuchte. Womöglich war er mit der ganzen Situation auch einfach nur überfordert und dass noch viel mehr als ich.
"Deine Mum meinte dir geht es nicht so gut. Also hielt es meine Mum für eine gute Idee, dass ich dir etwas vom Abendessen vorbeibringe." Während er dies sagte, sah er mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte, mich aber auf eine verdrehte Art und Weise zum Lächeln brachte. "Danke." Und damit öffnete ich die Tür weiter und ging zur Seite, um ihn ins Haus zu beten. Sogleich ging er mit dem Essen auf dem Arm in die Küche und servierte es auf einem Teller. Etwas verwirrt von seinem Verhalten, gleichzeitig aber auch überrascht, dass er sich in meiner Küche so gut auskannte, lies ich mich auf den Stuhl an der Küchentheke fallen. Kurz darauf stellte mir Christian auch schon den wunderbar duftenden Auflauf seiner Mutter unter die Nase und wünschte mir einen guten Appetit.
Schweigend fing ich an zu essen. Und auch Christian schwieg vor sich hin. Das einzige Geräusch im Haus war meine Gabel, die ab und an auf meinen Teller prallte. Doch anders als die letzten Male war es keine einsame und unangenehme Stille. Nein dieses Mal hatte sie etwas Beruhigendes. Ich glaube wir beide hatten sie in diesem Moment genossen.
Als ich fertig gegessen hatte, richtete ich meinen Blick zum ersten Mal an diesem Abend, direkt an ihn. "Danke, dass du mir das Essen vorbeigebracht hast. Würdest du deiner Mum ausrichten, dass es köstlich war?" "Ich werde es weitergeben." Entgegen meiner Erwartungen, dass er jetzt gehen würde, blieb er einfach sitzen und sah mich an, als würden wir ein Gespräch führen. In Wirklichkeit schwiegen wir aber einfach wieder. Ich wusste nicht warum er dies tat, ich wusste nur, dass ein Teil von mir erleichtert war, dass er noch nicht gehen wollte.
"Okay, ich weiß nicht ob es klug von mir ist dich das Folgende zu fragen, aber mir geht es schon den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf." Während seiner Worte ging er ein Stück weiter auf die Theke zu und augenblicklich schien sich mein Herzschlag zu verdoppeln. "Was wolltest du mir heute sagen?" Ich ahnte es. Schon als er anfing zu reden, ahnte ich, dass er auf heute Nachmittag hinauswollte. Mein Herz schlug jetzt nicht mehr einfach nur schneller, nein es sprang mir regelrecht aus der Brust. Was soll ich ihm nur antworten? Wie soll ich eine Frage beantworten können, auf die ich selbst keine Antwort habe? "Ich weiß es nicht genau." Und schon war mein Blick wieder an meine Hände gefesselt, auf der Suche nach den Worten, die mein Verhalten rechtfertigen könnten. "Um ehrlich zu sein, habe ich erst bemerkt, dass ich nicht wusste was ich sagen sollte, als ich schon vor dir stand." Erst das Räuspern, dass aus seiner Kehle drang, lies mich ihn wieder ansehen. Langsam schüttelte er seinen Kopf und hatte dabei ein Grinsen auf den Lippen, dass ich beim besten Willen nicht deuten konnte und mir somit das Blut in den Adern gefrieren lies. "Emely, Emely. Warum habe ich mir so etwas in der Art schon gedacht?" Auf einmal konnte ich ihm ansehen, dass er sich das Lachen, dass auf keinen Fall spöttisch sein sollte, nicht mehr verkneifen konnte und plötzlich konnte auch ich mir ein Lachen mehr verhalten und lachte lauthals los. Viel zu amüsant empfand ich plötzlich Christians Gesichtsausdruck, als dass ich mir das Lachen hätte verkneifen können. Und ich glaube auch er fand sich selber ziemlich amüsant, denn auch er konnte sich nicht mehr halten.
"Willst du etwas trinken?" fragte ich Christian, als wir uns nach einer Weile endlich etwas beruhigt hatten. "Danke, Emely. Aber ich denke ich werde wieder nach Hause gehen. Du siehst müde aus und etwas schlaf könnte uns beiden sicherlich nicht schaden." Und mit dieser Aussage, verschwand sogleich jegliches Gefühl von Aufschwung, das ich noch vor wenigen Sekunden hatte. Plötzlich war es so als hätte man mir einen Dämpfer verpasst und schon überwiegte in mir wieder das Gefühl von Traurigkeit. Nur war es dieses Mal eine andere Art von Traurigkeit. Ich war nicht traurig, weil ich wieder einsam war. Ich war traurig, weil ich gehofft hatte, er würde noch etwas bleiben.
Als ich ihn zur Haustür begleitet hatte, setzte ich ein Lächeln auf, in der Hoffnung, dass ihm mein Stimmungsumschwung nicht auffallen würde.
"Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich morgen wieder vorbeikomme?" Ich glaube, bevor ich seine Worte überhaupt realisiert hatte, hatten sich meine Mundwinkel schon zu einem echten Lächeln verzogen. "Ich würde mich freuen." "Dann bis morgen, Emely. Gute Nacht."
Und sogleich ich die Haustür hinter mir geschlossen hatte, bemerkte ich wie müde ich wirklich war, weswegen ich mich auch sofort Bettfertig machte und wenig später mit einer unglaublichen Vorfreude auf den morgigen Tag einschlief.

DU LIEST GERADE
In ewiger Liebe, Emely
Novela JuvenilFür Emely hatte das Leben schon immer Hindernisse breit. Da sie verschlossen und etwas ruhiger ist als gewöhnliche Teenager in ihrem Alter glauben ihre Eltern sie ist depressiv und schleppen sie gerne von Arzt zu Arzt. Dabei will Emely einfach nur i...