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Manchmal zeigt sich der Weg erst, wenn man anfängt ihn zu gehen.

Paulo Coelho

Seit dem Tod meines Vaters waren nun zwei Wochen vergangen. Und wer hätte gedacht, dass ich vorerst von sämtlichen Verpflichtungen befreit sein würde, hatte sich einschließlich mir gehörig geirrt. Den wie sollte es auch anders sein, war ich natürlich bei meinem neuen Therapeuten. Da Dr. Denton und meine Mum denken, dass ich mit der derzeitigen Situation nicht umgehen könnte und es mich daher nur noch mehr in meine Depressionen stürzen würde, haben sie beschlossen jemand Anderen dazu zu holen. Naja, das waren zumindest die Worte meiner Mum. Im Grunde finde ich es ja auch nicht schlecht zu einem neuen Therapeuten zu gehen, immerhin hätte es Dad bestimmt glücklich gemacht. Ich konnte es ihm zwar nicht mehr zeigen, dass ich mich ändere, aber ich werde sicherlich nicht meinen Entschluss über Bord werfen. Ganz egal wie schwer es noch werden würde. Ich möchte ab jetzt jemand sein, auf den er stolz sein kann.

Was mich an dem Ganzen allerdings stört ist die Tatsache, dass sie Dads Tod, als derzeitige Situation abstempeln. Sie tuen so als wäre er nur vorübergehend nicht da. Als würde er wieder zurückkommen, wenn wir nur lange genug warten. Es ist fast so als wäre er nur auf einer Geschäftsreise. Ich glaube, meine Mum will sich mit seinem Tod nicht abfinden.

In den letzten zwei Wochen, fiel nicht einmal das Wort Beerdigung in unserem Haus. Wir gingen zum Beispiel nicht auf Dads Beerdigung, wir gingen Dad besuchen. Sie kocht auch weiterhin für ihn mit und hat gestern noch seine Wäsche gebügelt. Wahrscheinlich würde sie den Therapeuten viel eher brauchen als ich, doch genau das würde sie wahrscheinlich niemals einsehen.

"Wie geht es dir Emely?" Und schon wurde ich mit der Standartfrage, auf die wahrscheinlich noch nie jemand eine ehrliche Antwort gegeben hat, begrüßt. Dr. Mayer hätte sich auf alle Fälle eine bessere Frage einfallen lassen können. Irgendeine, die einfach zu beantworten wäre. Aber wie es mir geht, ist eine der schwierigsten Fragen, die es zu beantworten gibt. Ich weiß ich sollte sie ehrlich beantworten, aber würde ich das machen, dann würde er mir entweder nicht glauben oder schlimmer er würde nachhacken. Denn die ehrliche Antwort wäre, dass ich es nicht weiß. "Ich denke gut." "Warum denkst du, dass es dir gut geht?" "Weil es mir nicht gut geht, wenn ich an meinen Dad denke, da ich ihn vermisse. Aber dann denke ich, dass Sterben zum Leben gehört. Es ist ein natürlicher Kreislauf den man nicht aufhalten kann. Und ich denke an andere Menschen, die viel mehr als ich verloren haben, denen es viel schlechter geht als mir. Und dann geht es mir wieder besser, da ich weiß, dass ich noch meine Mum habe, dass ich ein Dach über dem Kopf habe und ich bin froh darüber, meinen Dad gekannt zu haben. Deshalb denke ich, dass es mir gut geht.<<

Eine Weile war es still. Eine Stille, in der sich Dr. Mayer meiner Meinung nach viel zu viel notierte.

"Und nun sagst du mir bitte, was du wirklich sagen wolltest." Jetzt weiß ich auch warum meine Mum unbedingt Dr. Mayer als meinen Therapeuten wollte. Er war gut, verdammt gut. Und wahrscheinlich konnte er mich lesen wie ein offenes Buch, ansonsten hätte er nicht merken können, dass meine Antwort eine Lüge war. Dafür war sie einfach viel zu gut. "Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht wie es mir geht."

Und wie auch immer er es machte, konnte ich an seinen Blick erkennen, dass er wusste, dass ich gerade dass erste Mal seit ich durch seine Tür gekommen war die Wahrheit gesagt hatte. Was mich aber wirklich überraschte war, dass er ganz anders als ich dachte, nicht nachfragte. Das einzige was er darauf hin machte, war sich bei mir, für meine Ehrlichkeit zu bedanken.

Im Laufe unserer Sitzung bekam ich einen ganz neuen Eindruck von Dr. Mayer. Er war plötzlich nicht mehr jemand, der in mir sehen wollte, was meine Mum ihm sagt. Ganz im Gegenteil, es kam mir so vor als wollte er sich sein eigenes Bild von mir machen. Ganz ohne Vorurteile. Und ich glaube er ist der Erste, bei dem ich es mir vorstellen konnte ehrlich zu sein, ohne dass er es gegen mich verwenden würde.

Zum Ende gab er mir noch eine Aufgabe mit nach Hause. Ich sollte immer notieren, wann ich mich gut fühlte und warum. Das Selbe sollte ich auch machen, wenn ich mich schlecht fühlte und auch wenn ich nicht wusste, wie ich mich in einer Situation fühlte, sollte ich dies genauso aufschreiben. In der nächsten Sitzung werden wir dann diese Liste durchgehen. Ebenso sagte er auch, dass es reichen würde, wenn ich erst nächste Woche wieder zu ihm kommen würde, denn ich würde diese Zeit brauchen um eine Liste aufstellen zu können. Warum er darauf so viel wert legte, wusste ich nicht. Aber im Endeffekt, war es auch egal, denn ich war zum ersten Mal nach einer Therapiesitzung zufrieden. Und dieses Gefühl wollte ich definitiv nicht wegen einer einfachen Aufgabe verlieren.

Meine Mum allerdings war von dieser Aktion weniger begeistert, aber als Dr. Mayer mit ihr unter vier Augen über das Warum sprach, akzeptierte sie seine Entscheidung.

In ewiger Liebe, EmelyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt