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Du musst nicht immer einen Plan haben. Manchmal musst du nur atmen, vertrauen, loslassen und schauen was passiert.

Mandy Hale

Mittlerweile war Mittwoch, was zugleich Therapie bei Dr. Mayers bedeutete. Ich kann nicht genau sagen was, aber die letzte Sitzung hatte etwas in mir ausgelöst, dass ich, man könnte meinen, etwas Vorfreude empfand. Heute will ich ihm von meinem Entschluss erzählen, auf den ich zugegebenermaßen stolz bin, wobei die Aufregung, die ich momentan verspüre, überwiegt. Diese Aufregung aber hoffe ich, legt sich sobald ich seine Sicht bezüglich meines Vorhabens kenne.

Während der Schule ereignete sich nichts Besonderes, denn auch an diesem Tag blieb es lediglich bei ein paar Blicken die Christian mir schenkte. Mir ist natürlich bewusst, dass nur wenige Tage zwischen meiner Entschuldigung und heute liegen, dennoch würde ich mir wünschen endlich über das ständige austauschen von Blicken hinweg zu kommen. Natürlich kann ich mir denken warum Christian mich nicht direkt anspricht und ich kann es ihm auch nicht übelnehmen. Zu oft habe ich ihm zu verstehen gegeben, dass ich alleine bleiben möchte, was gleichzeitig bedeutet, dass diesbezüglich ich diejenige sein musste, die den ersten Schritt macht. Ich bin zwar stolz auf mich, mich gegen das Alleinsein entschieden zu haben, aber diese gleich bei Christian in die Tat umzusetzen gelang mir einfach nicht. Viel zu groß war die Angst er könnte mich zurückweisen und meinen Entschluss dadurch ins wanken bringen. Vorher will ich, oder besser gesagt, vorher muss ich mit Dr. Mayers darüber gesprochen haben. Immerhin ist auch er derjenige, der mich hinterher auffangen muss, sollte ich es nicht schaffen. Es ist eigenartig und ich kann es auch immer noch nicht glauben, aber aus einen mir unerfindlichen Grund, weiß ich mittlerweile, dass Dr. Mayers mir tatsächlich helfen will. Was aber noch viel unglaublicher ist, ist die Tatsache, dass ich begonnen habe ihm zu vertrauen. Und ehe ich mich versah, befand ich mich auch schon wieder auf dem Sofa in seiner Praxis.

"Hallo Emely. Wie war deine Woche?" Mit Erleichterung stellte ich fest, dass sich Dr. Mayers auch heute auf seine Standardfrage besonnen hat. Ein Teil von mir war doch etwas angespannt, ob sich seit dem letzten Mal etwas zwischen unserer Kommunikation verändert hat. Es wäre für mich doch sehr komisch gewesen, wenn er meine Aufgeschlossenheit von der letzten Sitzung erwartet hätte. Es ist irgendwo eigenartig, aber obwohl ich ihm letztens von meiner Erkenntnis berichtet hatte, glaube ich, dass ich das nicht getan hätte, wenn er es erwartet hätte. Und was noch viel wichtiger ist, ich weiß nicht ob ich ihm heute von meinem Entschluss erzählen würde, hätte er es erwartet. "Meine Woche war gut." Mit den Gedanken beim letzten Abendessen mit den Mikalsons musste ich lächeln. "Gut. Willst du mir etwas Neues über Christian erzählen?" Und sogleich begann ich von der Warterei in der Schule. Ich erzählte ihm vom gesamten Abendessen und von meiner Entschuldigung und Christian Reaktion darauf. Ich sprach so schnell, dass ich schon befürchtete, Dr. Mayers würde mir nicht folgen können, doch auch in der Hinsicht hatte ich ihn wieder einmal unterschätzt. "Wie hast du dich nach diesem Abend gefühlt?" "Ich weiß nicht genau. Ich glaube in erster Linie war ich erleichtert darüber, dass er mir überhaupt die Chance gegeben hat, um mich ausführlich zu entschuldigen. Und ich war auch glücklich. Er hatte den Eindruck gemacht, dass er mir mein Verhalten verzeiht. Aber gleichzeitig war ich auch etwas traurig, denn mir wurde in diesem Moment bewusst, dass ich es mir von Anfang an schwer gemacht hatte. Ich hätte mich nie bei ihm entschuldigen müssen und hätte es nun nicht so schwer, wenn ich mich mit ihm anfreunden würde." "Das letzte Mal, als wir über Christian gesprochen hatten, wolltest du dich nur bei ihm entschuldigen. Nun hört es sich so an, als denkst du an eine Freundschaft mit ihm. Was hat sich seither für dich verändert?" "Ich glaube, es kommt einfach daher, dass ich mich nach diesem Samstag viel besser gefühlt hatte. Irgendwie leichter. Ich habe auch wirklich gut geschlafen und bin morgens mit guter Laune aufgestanden. Ich denke, dass das alles von Christian ausgeht. In der Schule hatte sich nicht viel verändert. Lediglich ein paar Blicke hatten wir ausgetauscht. Plötzlich aber wollte ich, dass er mich ansprach und wir uns über irgendetwas belanglosem unterhielten. Ich denke da wurde mir bewusst, dass ich mir mit Christian eine Freundschaft vorstellen kann."

Nach meiner Antwort sah er mich einfach nur stumm an. Ebenso, wie er es schon einmal gemacht hatte, wohlwissend, dass ich noch nicht fertig gesprochen hatte. Er räumte mir damit nur etwas Zeit ein, um mich neu zu sortieren und weiter sprechen zu können. Damals konnte ich sein Schweigen nicht deutet, heute allerdings schon.

"Wissen Sie, ich habe einen Platz gefunden, den ich in den letzten Tagen immer nach der Schule besuchte. Ich war einfach dort und habe die Menschen um mich herum beobachtet. Irgendwann habe ich festgestellt, dass die meisten Menschen ihren Alltag in unmittelbarer Nähe zu Anderen meistern, oft sogar Hand in Hand mit ihnen zusammenarbeiten, aber trotzdem nichts über den jeweils anderen wissen. Vor einer Weile, wollte ich später genauso sein, wie diese Menschen. Meinen Alltag zu meistern aber von niemanden beachtet werden. Aber jetzt wo ich einen Einblick in dieses Leben hatte, will ich es nicht mehr. Irgendwie ist es mir auf einmal wichtig geworden, eine Person im Leben zu haben, der man vertrauen kann. Und ich glaube Christian ist jemand dem ich vertrauen kann. Denken Sie, ich kann ihm vertrauen?" Verunsichert sah ich Dr. Mayers an. Denn ja es stimmt, dass ich glaube Christian vertrauen zu können. Doch tat ich damit das Richtige? "Lerne ihn kennen und irgendwann, wirst du dir deine Frage selbst beantworten können. Würde ich dir eine Antwort darauf geben, wäre sie falsch. Denn nur du allein kannst das entscheiden. Man kann keinem anderem Menschen vertrauen, weil es dir jemand sagt. Man kann jemanden nur vertrauen, wenn man das Vertrauen fühlt."

In dieser Nacht schlief ich nicht viel. Immerzu musste ich über die Worte von Dr. Mayers nachdenken. Ich solle fühlen, ob ich Christian vertrauen kann. Aber wie soll das gehen? Woher soll ich wissen, wann ich dieses Vertrauen fühle? Als ich ihn genau das fragte, lächelte er aber nur und meinte ich würde es schon wissen, wenn es soweit war. Noch nicht einmal als ich am nächsten Morgen in der Schule eintraf hatten sich meine Gedanken von diesem Thema befreit. Erst als ich dann den Schulflur entlanglief und Christian an seinem Spind stehen sah, waren meine Gedanken frei. In dem Moment als ich ihm in die Augen blickte, wurde mir klar, dass ich es einfach versuchen sollte. Denn ganz egal ob ich Christian irgendwann vertrauen konnte oder nicht, muss ich es probieren. Würde ich es nicht tun, dann würde ich mir wahrscheinlich die einzige Chance auf eine Freundschaft mit ihm verbauen. Und das Einzige, dass noch viel schlimmer ist, als es zu versuchen und zu scheitern, ist es erst gar nicht versucht zu haben. Genau an diesem Punkt erinnerte ich mich wieder an mein Gefühl, dass ich oben auf dem Dach hatte und ehe ich mich versah, war ich schon im nächsten Augenblick bei Christian angekommen.

In ewiger Liebe, EmelyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt