Chapter 41

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Christina

So schön unsere neue Wohnung auch ist, so viel Arbeit bringt sie auch mit. Und so finden wir uns ein paar Wochen später in unserem neuen Gästezimmer wieder, ich in einem ziemlich dämlichen Maleranzug und Luca in Jeans und T-Shirt, vor uns drei Eimer weißer Farbe und ein ganzes Arsenal an verschiedenen Pinseln und Rollen. "Na dann lass uns mal loslegen!", verkündet Luca euphorisch und greift nach der nächstbesten Malerrolle, die er auch gleich schwungvoll in den ersten Eimer taucht. Mit einem leisen Platschen spritzt die Farbe über den Rand aber das kriegt er gar nicht mit, denn er hat sich bereits zur noch grauen Wand umgedreht und fängt eifrig an, die Flüssigkeit darauf zu verteilen. Amüsiert sehe ich zu, wie er die Rolle über die Wand bewegt, auf und ab und seitwärts, bis sein Abschnitt aussieht wie die Spielwiese eines Dreijährigen. Grinsend beiße ich mir auf die Unterlippe. "Ich glaube nicht, dass das so richtig ist", merke ich schließlich schmunzelnd an und beobachte belustigt, wie Luca sich zu mir herumdreht und empört die Hände in die Hüften stützt. "Na hör mal, das ist nicht das erste Mal, dass ich eine Wand streiche."
"So sieht es aber aus."   
"Du bist ganz schön vorlaut für jemanden, der nicht mal an die oberste Stufe der Leiter kommt." 
"Und du bist ganz schön vorlaut für jemanden, der offensichtlich nicht weiß wie man eine Wand streicht", schieße ich zurück bevor ich mir selbst einen Pinsel greife und ihn in den Farbtopf tauche. "Dass du jetzt immer das letzte Wort haben musst..." Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Luca sich anstrengt genervt zu gucken aber seine zuckenden Mundwinkel kosten ihn dabei einiges an Glaubwürdigkeit. "Tja, ich schätze das gehört mit zum Christina-Paket", entgegne ich schulterzuckend und strecke ihm die Zunge raus, ehe ich anfange die Farbe gleichmäßig auf der Wand zu verteilen. Immer noch ein leichtes Lächeln auf den Lippen wendet auch Luca sich wieder seiner Arbeit zu, doch das gemurmelte "Ich denke, damit kann ich mehr als gut leben" entgeht mir trotzdem nicht. 

Eine Weile lang arbeiten wir still nebeneinander, die einzigen Geräusche sind die schmatzenden Töne unser Farbrollen und die leise Musik, die leise aus Lucas Handylautsprecher dringt. Während ich meine Malerrolle zum zweiten Mal über die selbe Stelle gleiten lasse, denke ich darüber nach wie unwirklich die Situation eigentlich ist, dass ich hier neben Luca in unserer gemeinsamen Wohnung stehe und eine Wand streiche. Ich kann mich noch zu gut an den letzten Valentinstag erinnern, als ich in Motsis Tanzschule zu Besuch war und sie mir prophezeit hat, dass 2020 das Jahr werden würde, in dem es bei mir endlich mal mit der Liebe klappen wird. Wie automatisch blicke ich zu Luca, der gerade dabei ist den oberen Teil der Wand zu streichen - diesmal brav so wie ich es ihm vorher nochmal gezeigt habe. Beim Über-Kopf-Streichen sind ein paar Farbspritzer in seinen verwuschelten Haaren gelandet, die schon wieder in alle Richtungen abstehen und ich muss lächeln, weil er so niedlich aussieht, wenn er konzentriert die Zunge zwischen die Lippen geklemmt hat, während er versucht jede noch graue Stelle der Wand zu erwischen. Wie Recht Motsi doch gehabt hat. "Du weißt, dass die Wand sich nicht von selbst streicht, wenn du mich die ganze Zeit anstarrst, oder?", reißt mich auf einmal Lucas belustigte Stimme aus meinen Gedanken. "Kann ich doch nichts dafür, wenn du so gut aussiehst", rechtfertige ich mich, während er die Malerrolle sinken lässt und zu mir herüber kommt. "Oooh, war das etwa ein Kompliment?" 
"Nein, das war nur eine Feststellung." Luca macht ein ernstes Gesicht und nickt verständnisvoll. "Ah ja. Nur eine Feststellung also." Grinsend beugt er sich zu mir und drückt mir einen liebevollen Kuss auf die Nasenspitze. "Du siehst übrigens auch sehr süß aus in deinem schicken Mondanzug." Bei seinen Worten schleicht sich ein gerührtes Lächeln auf meine Lippen. Im nächsten Moment verwandelt sich das allerdings in einen empörten Gesichtsausdruck denn Luca hebt frech die Hand und schmiert mir damit prompt einen Klecks Farbe auf die Nasenspitze. "Hey!" Natürlich versuche ich mich sofort zu rächen, aber Luca ist zu schnell und so erwische ich nur seinen Oberarm, den jetzt ein schöner weißer Streifen ziert. Allerdings lässt Luca das natürlich auch nicht auf sich sitzen und so bin ich ihm hilflos ausgeliefert, als er mit seiner Farbrolle bewaffnet auf mich zuspringt und meinem Anzug und auch einem Teil meines T-Shirts darunter einen neuen Anstrich verpasst. "Okay, okay, ich geb auf!", lache ich irgendwann, bevor wir uns noch mehr einsauen können. Luca lässt sofort die Rolle sinken und grinst triumphierend. Auf einmal kommt mir eine Idee und ich muss mich anstrengen, um ein ernstes Gesicht beizubehalten. Na warte, dich krieg ich schon noch. Kapitulierend hebe ich die Hände. "Frieden?", schlage ich vor und Luca, der sich schon als Sieger unserer kleinen Schlacht sieht, nickt grinsend. "Krieg der Gewinner nicht normalerweise eine Belohnung?", fragt er verschmitzt und ich lache innerlich laut auf. Oh Luca, du machst es mir auch echt zu einfach. "Ach ja? Woran denkst du denn da?", frage ich gespielt ahnungslos, während ich langsam auf ihn zukomme, bis wir direkt voreinander stehen und ich verführerisch von unten zu ihm hochschauen kann. Luca gibt keine Antwort, stattdessen legt er seine Hände an meine Hüften und zieht mich so ruckartig zu sich, dass mein Körper mit seinem kollidiert und ich mich wirklich zusammenreißen muss, um meinen Plan nicht aus den Augen zu verlieren. "Da fällt mir schon was ein", flüstert er, bevor er sich zu mir herunterbeugt, um mich zu küssen. 3, 2, 1. Ich warte bis seine Lippen fast auf meinen liegen. Und dann hebe ich die Hand und bedecke seine komplette Nase mit einem breiten Streifen weißer Farbe. Erschrocken zuckt Luca zurück und reißt die Augen auf, als er realisiert, was ich getan habe. 

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