Chapter 39

1.1K 37 16
                                    

As she lay her head upon his chest,
his heart beat to a tune
that soothed her soul
– Louise Alexandra Erskine

Luca

Später am Abend als Vica und Andrzej schon längst gegangen sind, liegen Christina und ich immer noch auf der Couch, ihr Kopf in meinem Schoß und schauen Dirty Dancing, einen von Christinas absoluten Lieblingsfilmen. Bis auf die Geräusche des Films ist es still und wir genießen einfach die Zeit, die wir zusammen haben. Bis mein Magen auf einmal ein tiefes und sehr lautes Knurren von sich gibt, das sogar das hitzige Gespräch der beiden Hauptfiguren auf dem Bildschirm übertönt. Christina hebt grinsend den Kopf von meinem Schoß und dreht sich herum, sodass sie mich ansehen kann. "Dass du immer Hunger haben kannst und trotzdem so gut aussiehst. Es ist echt unfair." 
"Tja, ich bin halt echt sexy." Christina boxt mich lachend in die Seite und ich grinse, als sie den Kopf schüttelt. "Du bist echt unmöglich."
"Wieso, ich dachte du magst mein Sixpack?" Sie hebt abwägend die Schultern. "Tu ich auch aber vielleicht überleg ich mir das mit uns doch nochmal. Ich mag nämlich keine Machos", entgegnet sie ohne auch nur mit dem Mundwinkel zu zucken und für einen kurzen Augenblick bekomme ich echt Schiss, dass sie das ernst meinen könnte bis sich auf einmal ein Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitet. Schnell entspanne ich mich wieder und steige auf ihre Neckereien ein. Betont gelassen zucke ich die Schultern. "Auch gut. Ich hab genug weibliche Groupies, da wird sich schon ein Ersatz finden."
"Ey." Empört schaut Christina mich an, einen ehrlich betroffenen Ausdruck auf dem Gesicht. "Was denn? Du wolltest dir das mit uns doch nochmal überlegen", entgegne ich scherzhaft, merke aber recht schnell, dass Christina ernsthaft verunsichert ist. "Hey, das war ein Witz", beruhige ich sie erschrocken und lege sanft eine Hand an ihre Wange. Einen Moment lang scheint sie noch abzuwägen, was sie von der ganzen Sache halten soll, dann schiebt sie beleidigt die Unterlippe vor. "Du bist gemein", schmollt sie, bevor sie sich wieder zurücklehnt und den Blick zurück auf den Bildschirm lenkt. Im Film tanzen Baby und ihr Tanztrainer, dessen Namen ich mir nicht merken kann, gerade zum ersten Mal miteinander, und auf schräge Weise erinnert mich die Szene an unsere eigene Geschichte. Mit der Hand fange ich an durch ihre Haare zu streichen und beobachte jetzt gedankenverloren, wie die dunklen Strähnen durch meine Finger gleiten. "Ich würde dich nicht ersetzen, Christina. Das weißt du, oder?", sage ich irgendwann leise und sofort spüre ich, wie Christina sich auf meinem Schoß anspannt. "Das sagst du jetzt." Meine Hand erstarrt an ihrem Kopf und ich schaue erstaunt auf sie hinunter, aber Christinas Blick ist immer noch starr auf den Fernseher gerichtet. "Was soll das denn heißen? Hast du wirklich Sorgen, dass ich dich von heute auf morgen ersetze? Nach allem was wir bisher schon erlebt haben?" Jetzt nimmt sie den Blick von der Handlung auf dem Bildschirm und sieht mich mit glänzenden Augen an. "Ganz ehrlich, wenn du mich so fragst..." Sie bricht ab und seufzt leise. "Ich weiß es ist dämlich. Aber wir haben nie darüber geredet wieso du dich so plötzlich von Michéle getrennt hast", erwidert sie zögernd.  "Christina." Mit einem sanften Druck bedeute ich ihr, sich umzudrehen und sie rutscht so weit von mir, dass ich ihr ins Gesicht sehen kann. "Michéle ist eine super Freundin, aber nicht die richtige Frau für mich. Wir waren einfach zu verschieden, um als Einheit zu funktionieren." Behutsam greife ich nach ihrer Hand und streiche mit dem Daumen über die weiche Haut auf ihren Handrücken. "Aber bei dir ist das was anderes, das weißt du doch. Du bist nicht irgendjemand für mich, Christina. Oder meinst du ich könnte mir mit jeder x-beliebigen Frau vorstellen, in der Zukunft eine Familie zu gründen?" Bei meinen Worten beißt sie sich auf die Unterlippe, dann schüttelt sie zögerlich den Kopf. "Tut mir leid, das war dumm von mir." 
"Also wirst du mich nicht gegen einen weniger macho-mäßigen Typen ersetzen?", versuche ich die Stimmung ein wenig aufzulockern und atme erleichtert auf, als sie sich sichtlich entspannt. Amüsiert erwidert sie meinen Blick. "Nein, ich denke ich werd dich behalten."
"Da bin ich aber froh", murmle ich, bevor ich mich vorbeuge und meine Lippen sanft auf ihre lege. Dadurch, dass sie immer noch zur Hälfte auf meinem Schoß sitzt muss ich mich zu ihr herunterbeugen, weshalb sie sich ein Stück aufrichtet, um mich in der Mitte zu treffen. Ihre Hände wandert nach oben in meine Haare und streichen durch meine Locken, eine Geste die ihr zu gefallen scheint, wie ich in den letzten Wochen herausgefunden haben. Mit einem letzten, hauchzarten Kuss auf meinen Mundwinkel löst sie sich schließlich von mir und ein freches Grinsen breitet sich auf ihren Lippen aus. "Außerdem...ich glaube es gibt niemanden auf dieser Welt, der weniger Macho ist wie du", nimmt sie unser vorheriges Gesprächsthema wieder auf. Mit hochgezogenen Augenbrauen blicke ich auf sie herunter. "Ich kann durchaus sehr einschüchternd sein, wenn ich will." Sie kichert belustigt. "Ja genau. So einschüchternd wie ein kleiner Welpe eben sein kann." Ein leises Schnaufen kommt über meine Lippen. "Was hast du da gesagt?" Herausfordernd funkle ich sie an. "Ich hab gesagt, dass du aussiehst wie ein kleiner Welpe", widerholt sie mit einem provokanten Glitzern in den Augen und ich ziehe zischend die Luft ein. "An deiner Stelle würde ich jetzt schleunigst die Flucht ergreifen, sonst zeig ich dir nämlich gleich wie einschüchternd ich wirklich sein kann", drohe ich ihr scherzhaft. "Oh nein, das wagst du nicht...", setzt sie noch an, bevor sie hektisch von meinem Schoß rutscht und schlinge schnell einen Arm um ihre Hüfte, bevor sie sich aus dem Staub machen kann. Christina quietscht auf aber ich gebe ihr gar keine Zeit mehr sich zu wehren, sondern packe stattdessen ihre Seiten und fange an, sie hemmungslos zu kitzeln. "Luca...!Hör auf damit!", fleht sie zwischen einem Kreischen und einem Lachen und strampelt wie verrückt, um meine Hände abzuschütteln aber ich lasse mich nicht erweichen. "Zuerst gibst du zu, dass ich nicht aussehe wie ein kleiner Hund!" Wieder versucht sie sich aus meinem Griff zu befreien und trommelt mit ihren kleinen Händen gegen meine Brust, womit sie allerdings nichts bewirkt, außer dabei furchtbar süß auszusehen. "Okay, okay, ich sags ja!", japst sie lachend, während sie sich immer noch unter mir windet. "Du siehst nicht aus wie ein Hundewelpe!" Zufrieden lasse ich endlich von ihr ab und sie sackt schnaufend neben mir auf der Couch zusammen. "Siehst du, ich sag doch, ich kann sehr einschüchternd sein", ziehe ich sie neckend auf, was mir erstmal ein Augenrollen ihrerseits einbringt. "Halt die Klappe und geh dir was zu Essen holen du Nimmersatt und lass mich in Ruhe", lacht sie und schubst mich scherzhaft, sodass ich ein Stück zur Seite kippe. Wie aufs Stichwort meldet sich mein Magen zu Wort und ich erinnere mich wieder daran, womit diese Diskussion überhaupt gestartet hat. Also rapple ich mich auf und mache mich immer noch schmunzelnd auf den Weg in die Küche, während Christina sich ein Kissen schnappt und sich zurück auf die Couch kuschelt, um den Film fertig anzusehen und sich ein bisschen zu erholen.

"Hey Christina? Wo hast du denn das Popcorn hin?", rufe ich kurze Zeit später ins Wohnzimmer und lasse meinen Blick suchend über den Inhalt ihres Schranks gleiten, in dem sie normalerweise die Süßigkeiten aufbewahrt. Neben Kinderriegeln und Gummibärchen in Bambi-Form - ein Geschenk von Andrzej - entdecke ich noch einen Haufen anderer Süßigkeiten aber die gelbe Packung des Popcorns, auf die ich es abgesehen habe, kann ich nirgends finden. "Ich hätte schwören können, ich hab es gestern in den Süßigkeitenschrank geräumt!" Ich verharre, um ihre Antwort zu verstehen, aber die Wohnung bleibt still. "Christina?" Wieder nichts. Stirnrunzelnd schließe ich den Schrank und beeile mich, zurück zur Couch zu kommen. Obwohl es ihr gerade noch gut gegangen ist, kann ich meinen Beschützerinstinkt nicht abschalten und schlagartig gehen mir die schrecklichsten Szenarien durch den Kopf. Wurde sie entführt? Geht es ihr nicht gut? Vielleicht haben sich die Ärzte doch geirrt und es war keine einfache Magenverstimmung?  All diese Horrorvorstellungen lösen sich zum Glück schlagartig in Luft auf, als ich zurück ins Wohnzimmer trete und mein Blick auf Christina fällt. Ein gerührtes Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, als ich das Bild in mir aufnehme. Christina liegt immer noch auf der Couch, die Augen geschlossen und schläft tief und fest. Einen Arm hat sie um das Kissen geschlungen, das sie wie ein Kuscheltier an ihre Brust drückt, der andere ist unter ihrem Kopf angewinkelt. Auf der Seite liegend sind ihr einige Haare ins Gesicht gefallen, und ich strecke langsam und vorsichtig die Hand aus, um sie wieder hinter ihr Ohr zu stecken. Ihre Augenlider flattern nicht einmal, als meine Finger die weiche Haut an ihrer Wange streifen und ich kann nicht anders, als ihr einen kurzen Kuss auf die Schläfe zu drücken. Kurz überlege ich ob ich sie ins Schlafzimmer tragen soll, entscheide mich aber dann dagegen. Christina sieht einfach so friedlich aus, wie sie da liegt und der Tag war anstrengend genug. Also lasse ich sie schlafen und nehme mir stattdessen eine Decke vom Fußende der Couch, die ich behutsam über ihrem zierlichen Körper ausbreite. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, ziehe ich sie hoch, sodass sie ihre Schultern erreicht und drücke sie leicht nach unten, damit sie sie nicht gleich wieder wegstrampeln kann. Eine Weile lang bleibe ich einfach so stehen, meine Hand immer noch auf ihrer Schulter und beobachte Christina, wie sie auf ihrer Couch liegt. Sie sieht im Schlaf aus wie ein Engel. Ihre Gesichtszüge sind völlig entspannt und ihr dunkles Haar fällt ihr samtweich über die Schultern. Ich hätte sie für immer so ansehen können. Auf einmal kommt mir das Gespräch mit Vica und Andrzej in den Sinn und ich denke an all das, was ich Christina heute gesagt habe. Über meinen Familienwunsch und über meine Gefühle zu ihr. Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum. Mein Blick verweilt noch einen Moment länger auf ihrem Gesicht und in der Sekunde fasse ich einen Entschluss. Ohne noch länger nachzudenken nehme ich mein Handy, das immer noch auf dem Wohnzimmertisch liegt, und scrolle durch meine Kontakte, bis ich auf den Namen stoße, den ich gesucht habe. Mit einem letzten versichernden Blick auf Christina ziehe ich mich in ihr Schlafzimmer zurück und schließe leise die Tür hinter mir, während ich dem gleichmäßigen Tuten lausche. Kurz befürchte ich, er würde gar nicht abheben aber dann knackt es kurz und gleich darauf puste ich erleichtert die Luft aus. "Hey, Lu! Schön, dass man von dir auch mal wieder was hört", begrüßt mein Bruder mich am anderen Ende der Leitung. "Wie geht's deiner Hand?" Ich blicke hinunter auf meine Hand, die zur Sicherheit zwar immer noch eingebunden ist, aber sich schon wieder ganz gesund anfühlt. "Schon viel besser, danke." Auf einmal bin ich furchtbar nervös und muss mich einmal kurz räuspern, ehe ich weitersprechen kann. "Wieso ich eigentlich anrufe...", setze ich an, breche dann aber wieder ab. Himmel, wieso bin ich auf einmal so aufgeregt? Das ist schließlich Cyril, mit dem ich hier spreche. "Raus mit Sprache, Brüderchen. Was brauchst du?" Mein Blick fällt auf Christinas Bambi Schlafanzug auf dem Bett und ein kleines Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus. Ich hole nochmal tief Luft, umfasse das Handy fester und sage dann: "Ich bräuchte die Nummer von deiner Maklerin." 

Magnetic SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt