Chapter 11

1.1K 33 5
                                    

Hold my hand and
I'll go anywhere with you

Christina

Strahlender Sonnenschein empfängt uns, als wir ein paar Stunden später in der Schweiz aus dem Flugzeug steigen. Während ich in Köln noch Schirm und Jacke gebraucht habe, ist es hier so warm, dass man problemlos ohne Jacke herumlaufen kann. Obwohl mir vom Flug alles wehtut und mir wahnsinnig warm ist, nehme ich nichts davon richtig wahr, denn die Aufregung, die mit jedem Schritt in mir anwächst, überdeckt alles andere. Während wir durch den Flughafen gehen, klammere ich mich an meinem Koffer fest. Luca hat angeboten ihn für mich zu nehmen, aber ich habe abgelehnt, so haben meine Hände wenigstens was zu tun. Ich schlucke schwer und straffe die Schultern. Du schaffst das. Es gibt keinen Grund nervös zu sein, versuche ich mir einzureden, schüttle aber gleich darauf stirnrunzelnd den Kopf. Von wegen, es gibt keinen Grund nervös zu sein. Ich lerne ja bloß die Familie meines Freundes kennen. Als hätte Luca meine Gedanken erraten, greift er nach meiner Hand und drückt sie kurz. "Es ist alles gut, du brauchst nicht nervös zu sein", flüstert er mir aufmunternd zu. Ich nicke, obwohl sich meine Knie immer noch wie Wackelpudding anfühlen. Ich versuche wirklich, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen aber da sind wir bereits an den gläsernen Durchgangstüren angekommen, die uns von der Empfangshalle trennen und Luca lässt meine Hand los, um mir die Tür aufzuhalten. Es dauert nur ein paar Sekunden, bis meine Augen Lucas Familie ausmachen. Ich erkenne seine Mutter sofort. Zum einen, weil ich sie ja schon beim Lets Dance-Finale gesehen habe und zum anderen, weil sie ein riesengroßes, selbstgemachtes Schild in die Luft streckt, auf dem in glitzernden Buchstaben „Herzlich Willkommen zuhause, Luca" steht. Neben ihr steht ein Mann, ich schätze ihn etwas älter als seine Mum, der ebenfalls ein Schild in den Händen hält. Auf seinem steht allerdings mein Name und dazu ein großes Herz. Kaum entdeckt Lucas Mum uns, kann sie nichts mehr halten. Mit einem überglücklichen Aufschrei stürmt sie auf Luca zu und zieht ihn überschwänglich in ihre Arme, wobei sie prompt das Schild fallen lässt. Sie drückte ihn noch einen Moment an sich, dann löst sie sich von ihm und strahlt ihn an. „Ich bin ja so froh, dass du zuhause bist", meint sie in ihrem süßen Akzent. Zumindest denke ich das, denn so richtig verstehen tue ich die Schweizer immer noch nicht. Und das trotz Lucas Versuchen, mir ein paar Worte Schweizerdeutsch beizubringen. Dann tritt auch sein Vater auf Luca zu und zieht ihn ebenfalls in eine feste Umarmung. Zwar macht Luca sich  schnell von seinem Vater los, aber sein glückliches Lächeln entgeht mir nicht. Aber viel Zeit bleibt mir nicht, mich über das Wiedersehen zu freuen. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als Lucas Mutter einen Schritt zur Seite macht und ihr Blick auf mich fällt. Unschlüssig stehe ich hinter Luca, meine Hand immer noch um den Griff von meinem Koffer gekrallt und zwinge mich zu einem Lächeln, von dem ich hoffe, dass es nicht aussieht wie eine Grimasse. Normalerweise umarme ich jeden. Wirklich, auch wenn ich die Leute zum ersten Mal treffe, umarme ich sie für gewöhnlich. Aber bei Lucas Eltern bin ich auf einmal unsicher. Ich will auf keinen Fall einen schlechten ersten Eindruck machen, indem ich sie gleich bei der ersten Begegnung mehr oder weniger anspringe. Bevor ich mir noch weiter den Kopf zerbrechen kann, kommt sie schon auf mich zu und zieht mich kurzerhand in ihre Arme. „Ich bin Marianne. Es ist so schön dich endlich mal richtig kennenzulernen, Christina", sagt sie, als sie sich von mir löst und mich mindestens genauso liebevoll anlächelt wie ihren Sohn. Der hat sich mittlerweile neben mich gestellt und sanft einen Arm um meinen Rücken gelegt. „Ich freu mich auch endlich wieder in der Schweiz zu sein", entgegne ich höflich und lehne mich ein Stück in Lucas Richtung. Lucas Vater, der jetzt neben seine Frau getreten ist, begrüßt mich ebenfalls und fragt mich etwas, nur leider ist sein Akzent noch viel stärker als der von Marianne. Dementsprechend überfordert blicke ich ihn jetzt an, während ich versuche irgendetwas von dem zu entschlüsseln was er gerade gesagt hat. „Tut mir leid, aber ich habe kein einziges Wort verstanden", gestehe ich schließlich verlegen, was Luca und seine Eltern in schallendes Gelächter ausbrechen lassen. "Er hat gesagt, dass sie sich sehr freuen, dass du mitgekommen bist", übersetzt Luca schmunzelnd für mich und ich nicke mit roten Wangen. "Und, dass zuhause schon ein leckeres Mittagessen auf uns wartet, wenn wir Hunger haben", fügt er strahlend hinzu und sofort fällt zumindest ein Teil der Anspannung von mir ab. Seine Eltern wirken wirklich liebenswürdig. "Auf gehts ihr zwei, sonst wird noch das sorgfältig vorbereitete Essen kalt und wir wollen doch nicht, dass deine Mutter schlechte Laune bekommt", sagt sein Vater - Andreas, wie ich gelernt habe - an Luca gewandt und zwinkert mir zu. Ein gerührtes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht als ich bemerke, dass er sich extra Mühe gibt, verständlich und akzentfrei zu reden. Er sammelt noch schnell das Poster auf, das seine Frau in ihrer Freude hat fallen lassen, und bedeutet uns dann mit einem Lächeln, dass wir uns ihm anschließen sollen. Erleichtert atme ich aus und folge Luca und seinen Eltern mit meinem Koffer im Schlepptau zum Parkplatz. Das erste Kennenlernen hab ich doch schonmal gut hinter mich gebracht. Wenn alle in Lucas Familie so herzlich sind wie seine Eltern, dann wird das bestimmt irgendwie klappen. 

Magnetic SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt