Kapitel 1 (Hochzeit)

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Es sollte ein schöner Tag sein.

Es ist ein schöner Tag.

Und desto öfter ich das zu mir sage, desto wahrer wird es. Einmal tief durchatmen und dann werden wir wieder zur alten Willow.
Aber gibt es sie überhaupt noch?

Mit dumpfem Blick starre ich über das schwappende Wasser des in den Boden gebauten Brunnens und spüre nichts. Eine Verfassung in der ich mich seit wenigen Wochen befinde ohne wirklich den Grund zu wissen. Was ist aus meinem glücklichen Ich geworden?

Selbst der leichte Wind vergeht abrupt, als würde er keine Antwort für mich herausfinden wollen. Wirklich auf niemanden ist Verlass. Aber auf Bram schon.

Stumm lasse ich den fremden Gedanken durch meinen Körper hallen. Obwohl mich diese Stimme über die Jahre glücklich gemacht und mich ermutigt hat glücklich zu sein, frage ich mich nun mehr und mehr, was sie in mir zu suchen hat. Wieso ist sie da?

Fast denke ich, der Wind hätte Mitleid bekommen und würde anfangen an mir zu wehen, doch schnell spüre ich die unnormale Wärme, die sich an meiner mit goldenen Ringen bezogenen Hand ausbreitet und eine andere meine Taille umfährt bis ich seinen Körper durch den Chiffon spüre.

Ach ja, der besondere Tag.

Teils aus meiner Starre befreit atme ich wieder tief durch und schließe dabei die Augen, sobald ich merke, dass ich mich bei seiner Anwesenheit anders fühle. Besser. Ruhiger. Auch wenn sich das die letzte Zeit komischerweise auch verändert hatte. „Hey." raunt er leise und zart an meinem Hals bevor er diesen küsst. „Jordan meinte, er wäre uns nicht böse, wenn wir früher abhauen. Aber ich würde schon gern einige seiner Leute Kennenlernen und einen bleibenden Eindruck hinterlassen, verstehst du?"

Seine Umarmung würde sicherlich den fallenden Stoff zerknittern würde es kein Vermögen kosten. Doch ich mache mir weniger Sorgen um das Kleid, als um meine neuen Gefühle, die Bram auslöst. Woher kommt diese Distanz? Ich fühle ihn und spüre auch ganz genau, wie seine Hände darum betteln unter mein Kleid zu dürfen, aber zur selben Zeit ist er auch auf einmal anders für mich.

„Willow?" hebt er den Kopf um mich anzusehen.
„Hm?" Leicht lächelnd drehe ich den Kopf zu ihm.
„Alles in Ordnung?"

„Natürlich. Immerhin ist das ein besonderer Tag." Drehe ich mich vom Brunnen Richtung Hauptgebäude um, „Und die Kulisse hätte nicht besser sein können."
Die Hochzeit findet in einem riesigen griechischen Gebäude mitten auf einer Wiese im Nichts statt. Das Pärchen hat des Öfteren schon angedeutet, dass das Motto davon kommt, dass der Ehemann schon innerhalb der Schulzeit wie Hercules für die jetzige Frau aussah und es seitdem ihr gängiger Witz war. Deshalb sind auch die Gäste dementsprechend gekleidet.

„Unsere wird noch viel besser." raunt er in mein Ohr, während seine Umarmung wieder fester wird. Das behauptet er schon die gesamte Feier lang.

Sei es bei der Zeremonie, wie, dass mein Gang zum Altar bei weitem graziöser und besser durchdacht sein wird. Oder bei der Dekoration, die in sanften blau-und grüntönen gehalten wurde, sodass ich das Gefühl habe, ich wäre zwischen Wasser und Wald. Seiner Meinung nach wären das keine angebrachten Farben. "Jordan und Hailey haben doch Millionen. Da verstehe ich nicht, warum sie nicht mehr daraus machen. Ich weiß, dass ich dir die beste weiße Hochzeit bescheren werde."
Ich habe schon Sorge, was er zu der Haupthalle sagen wird, sobald wir diese betreten dürfen. Sicherlich etwas, wie: "Unsere wird größer sein, Baby."

Dabei ist es atemberaubend hier. Der Anfang fand hauptsächlich im Freien statt und nichts ist zu pompös. Man merkt, dass es Jordan und Haley nur um das Zusammensein geht und nicht um die Blumen oder den Kuchen oder wie der Wind gerade weht. Sie sind einfache Leute mit einer großen Liebe zueinander und das ist was für mich zählt.

Selbst bei dem Kleid ist Haley geblieben von dem sie lange zuvor bei unserer ersten Begegnung erzählt hatte.


1 1/2 Jahre zuvor

"Es soll in einer A-Linie von mir fallen. Vollkommen aus Spitze und mit Ärmeln, die frei an den Schultern sind. Und die Farben unserer Feier werde ich im Schmuck tragen."

"Das klingt unglaublich." staune ich und kann mich nicht halten vor Vorfreude. Wenn ich tatsächlich auf eine Hochzeit von so verliebten Menschen gehen darf, wäre ich wahrhaftig glücklich. Vor allem wenn Bram meine Begleitung sein wird.
Leider werde ich dadurch nur an unsere eigene Lage erinnert, was das Thema Hochzeit betrifft. Ob es überhaupt jemals passieren wird?

"Das kommt von meiner Großmutter. So hatte sie ihr Kleid gestalten und ich werde diese Tradition für sie weiterführen, weil meine Mutter es nicht für ihre Stiefmutter tun wollte." spielt sie an ihrem Diamantring.
Mit gekrümmten Brauen sehe ich sie an. "Aber..solltest du nicht das tun, was du für gut befindest?"
Sofort hebt sie schüchtern die Hände. "Oh nein nein. Natürlich hast du Recht. Aber meine Oma und ich sind sehr nah und da mache ich das wirklich gerne. Wohlfühlen würde ich mich in jedem Kleid, solange ich es für Jordan trage."
Dieses Mädchen ist etwas besonderes.
Obwohl wir uns erst vor zwei Stunden kennengelernt hatten verstehen wir uns sehr gut. So schnell ging es bei mir bisher noch bei keinem. Außer vielleicht mit Maddie.
Sofort Trübsal blasend denke ich an sie. Mein Kontakt zu ihr ist ganz schön eingerostet. Nicht nur weil Bram ihn versucht in Maßen zu halten, sondern auch, weil sie nicht mehr weiß, wer ich bin. Witziger Weise weiß ich das selbst nicht und das ergeht mir schon seit langem so.
Ich kann manchmal nicht fassen, dass ich sie bitten musste den damaligen Mord an Eric für sich zu behalten. Ich schätze ich war es schon damals gewohnt. Aber ich kann bis heute nicht mit mir selbst leben, mit dem Glauben, dass meine beste Freundin durch Brams Mord leidet und nicht einmal einen Psychiater zur Hilfe holen kann, ohne gleich davon Preis zu geben. Dass ich ihr nicht beistehe..

Sie hasst mich.

"Ist alles in Ordnung?"
Aus den Gedanken gerissen blinzle ich in die grünen Augen von Haley. Doch mir wollen die Worte in der Panik nicht entfliehen. Ich kann immer noch nicht damit umgehen. Ich werden erst ruhig, wenn Bram mich in die Arme nimmt.
"Wie sieht es bei dir und Bram aus? Denkst du er bereitet schon etwas vor?" neigt sie sich mit einem Lächeln vor, was andeuten soll, dass sie es nur gut meint. Aber sie denkt ihre Hochzeitspläne deprimieren mich, dabei ist es etwas ganz anderes.
Mit verkrampftem Lächeln zwinge ich mich alles wegzustecken. "Oh, da ist noch nichts. Nein. Wir...lassen es langsam angehen." nicke ich, als würde ich mich selbst nur loben wollen, dass ich es geschafft habe Worte überhaupt auszusprechen.

Als hätte ich sie hypnotisiert nickt sie langsam mit, jedoch mit einem ernstem und mich durchdringenden Blick. Scheinbar ist das Thema Hochzeit vergessen. Ihre noch eben zusammen gepressten Lippen öffnen sich vorsichtig und stellen mir eine Frage, die ich lange nicht mehr gehört hatte.

"Kann ich dir helfen?"

Won't lose youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt