Kapitel 16

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"Klar, komm mit rauf", sage ich schließlich zu Will und wende mich der Strickleiter zu. Ich umfasse das Tau und ziehe mich daran hoch, den Fuß auf das unterste Brett stellend. So klettere ich immer weiter nach oben. Ich versuche mich zu beeilen, da ich einen gewissen Vorsprung zu Will gebrauchen kann, um wenigstens das größte Chaos in meine Zimmer zu beseitigen. Durch das zusätzliche Gewicht eines gewissen Werwols schwankt die Strickleiter etwas mehr als gewöhnlich, das macht mir den Aufstieg nicht gerade einfacher.
Schließlich bin ich oben angekommen und sehe mich einen Augenblick zu Will um. Dieser ist, wie erwartet, ein gutes Stück hinter mir und so stürme ich in mein Zimmer.
Es sieht aus...als wäre eine Bombe darin explodiert. In Windeseile schleudere ich die herumliegenden Klamotten in meinen Schrank. Mit meiner Windmagie lasse ich die Schranktüren zufallen und zucke bei dem Knall, den dies verursacht zusammen. Hoffentlich hat Will das nicht gehört.
Anschließend wirbele ich zu meinem Bett und streiche es notdürftig glatt. Mit dem Fuß schiebe ich ein paar Sachen die auf dem Boden liegen unters Bett. Mehr schaffe ich nicht mehr, denn schon steht Will vor mir im Türrahmen.
"Sorry für die Unordnung", murmele ich schnell. Dann lasse ich mich auf mein Bett fallen.
"Du bist ein Comic-Nerd", stellt der Werwolf fest. Lächelnd betrachtet er meine Poster.
"Ja...irgendwie schon", gebe ich zu und lache etwas nervös dabei.
"Ich hatte mal einen Freund, der hat auch Comics geliebt...der Typ hat mich fast angesprungen, als ich ihm einen Comic zum Geburtstag geschenkt habe, den er noch nicht hatte"
"Je nachdem was für ein Comic es ist, könnte mir das auch passieren", gebe ich zu und bereu es gleich wieder. Hoffentlich dachte Will jetzt nicht, dass ich ihn anspringen würde...das wäre maximal unangenehm.
"Also...Comics...auf was stehst du sonst noch so?", Will kam zu mir und setzte sich neben mir aufs Bett. Er schlüpfte aus seinen Schuhen und zog die Füße hoch, um es sich ein wenig bequemer zu machen.
"Och, da gibt es nicht viel", antwortete ich verlegen, "Comics...den Schwertkampf...ab und zu spiele ich mal was", ich deutete auf den Computer der auf meinem Schreibtisch stand. Nicht gerade das neuste Modell, aber das Teil hatte mir gute Dienste erwiesen.
"Drachen sammeln?", fügte Will hinzu und als ich wieder zu ihm sah, hatte er meinen kleinen Plüschdrachen in der Hand. Oh Mist. Den hatte ich ganz vergessen. Mir stieg schon wieder das Blut ins Gesicht. Das wurde irgendwie zu einer unangenehmen Angewohnheit.
"Ja...also...nein, ich hab nur einen und den habe ich als kleines Kind geschenkt bekommen, weißt du?"
Will lachte kurz und setzte den Plüschdrachen wieder auf das Bett.
"Alles gut, ich hab selbst noch ein Kuscheltier", sagte er schließlich und lächelte mich dabei freundlich an.
"Ach echt? Was...was hast du denn?"
"Einen Wolf"
Ungläubig sah ich Will an.
"Ist das nicht so...als wenn ich eine Plüschfee hätte?", fragte ich ihn verwirrt.
"Hm...vielleicht ein kleines bisschen. Aber Wölfe und Werwölfe sind ja nochmal zwei verschiedene Dinge"
"Erkennt man denn, ob man einen Wolf oder einen verwandelten Werwolf vor sich hat?", meine Neugierde war nun geweckt.
"Ja, schon. Man sieht es vor allem in den Augen. Sie sind viel wacher als die von Wölfen. Und Werwölfe sind etwas größer als normale Wölfe"
Ich nickte. 
"Und was hast du so für Hobbys?", stellte ich die Gegenfrage, bevor ich ganz vergessen konnte das zu tun.
"Och, ich bin viel mit Freunden draußen, weißt du. Und Gitarre spiel ich auch...nicht besonders gut, aber es ist ertragbar, weißt du?"
Erneut nickte ich.
"Ich habe nie ein Instrument gelernt..manchmal bereue ich es. Ich stelle es mir schön vor da zu sitzen und mich nur auf die Musik zu konzentrieren"
"Ja...es hat etwas sehr friedliches an sich...zumindest für mich. Ich habe meine Gitarre leider nicht da, ansonsten würde ich dir ein paar Handgriffe zeigen"
"Oh, das wäre cool gewesen", sage ich mit Bedauern in der Stimme.
Will stand wieder auf und begann weiter meine Sachen zu begutachten. Lange Zeit blieb er bei meinen Spielen stehen und nahm eines nach dem anderen in die Hand.
"Du hast echt kein Spiel in dem man kämpft, was?", fragte er mich, nachdem er ein Farmspiel hochhielt.
Verlegen sah ich zu Boden "lach mich nicht aus aber...meine Eltern erlauben es nicht...und hier kennt jeder jeden, keine Chance da heimlich an was ranzukommen", ich seufzte resigniert.
"Ist ja beschissen", Will stellte das Spiel wieder zurück ins Regal und ging einen Schritt zurück.
"Ja...aber naja, dafür kann ich ja im real life kämpfen"
"Dass deine Eltern dir das erlaubt haben..."
"Das war auch ein ganz schöner Kampf. Aber Mister Shalby konnte ihn Gott sei Dank dazu überreden", ich lächelte. Mr. Shalby war oft mehr Vater für mich als mein eigener. Der verstand mich einfach nicht. Wie auch. Er war nicht wirklich begabt darin über seinen eigenen Tellerrand hinauszublicken.
"Na dann, ein hoch auf Mr. Shalby", Will lächelte mich an und ich stimmte in sein freudiges Lächeln mit ein. Die Trübniss die mein Herz zuvor belegt hatte, als ich über meinen Vater nachgedacht hatte war verschwunden und ich konnte mich wieder daran erfreuen wie es jetzt gerade war. Ich fühlte mich freier als jemals zuvor.
Schließlich stand ich auch auf, griff mir einen Rucksack und ging zu meinem Schrank. Ich öffnete ihn, dabei achtete ich darauf, dass Will möglichst keinen Blick in das Chaos darin erhaschte, und stopfte ein paar Sachen, die ich in den nächsten Wochen gebrauchen konnte, in meine Tasche.
"Lass uns wieder zurückgehen", schlug ich vor, "vielleicht sind die anderen ja auch wieder da"
Will nickte und folgte mir.
Ich stieg erneut als erstes auf die Leiter und begann mit dem Abstieg. Will folgte mir kurz danach. Der Abstieg war noch wackeliger als der Aufstieg und Will schien auch noch Probleme mit der Höhe zu haben, die er nun viel mehr bemerkte als zuvor.
"Sobald du ein Gefühl für die Abstände der Sprossen bekommen hast schau nicht mehr nach unten", empfiehl ich ihm und setzte meinen Weg fort.

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen.
Ich habe mich nicht dazu entschieden, die Eltern auftauchen zu lassen, weil diese realistisch gesehen noch auf der Arbeit sind.
Und jetzt seid ihr wieder dran. Was könnte als nächstes geschehen? Schreibt es in die Kommentare und vergesst nicht für eine Lieblingsidee zu stimmen.

Also denne, haltet die Ohren steif.

Wingless-let us tell a storyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt