Prolog

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14. Februar 1961

Ein Rabe zog leise kreischend seine Runden über einem großen heruntergekommenen Haus und landete schließlich auf einem Kaminsims. Keine Mutter, die noch bei Verstand war, würde ihr Kind auch nur in die Nähe dieses Viertels lassen. Nicht nur jedes Kind machte einen Bogen um diese Gegend, auch die Erwachsenen.

Die Häuser waren heruntergekommen, hatten viele Löcher in den Dächern, wo man Kübel darunter plaziert hatte, um eine Überschwemmung im Inneren zu vermeiden, sofern es bewohnt war. Der Putz war abgeblättert und teilweise Fenster eingeschlagen. Die Gärten vor den Häusern waren zugewuchert und viele Äste von den noch kahlen Bäumen lagen noch vom letzten Sturm auf der löchrigen Straße.

Es war ein kühler Sonntag und die Sonne, die vergeblich versucht hatte, sich wenigstens etwas durch die schwere Wolkenbank zu drücken, versank hinter den Häusern der nächsten Straßen. Der Wind frischte wieder auf und lose Blätter wirbelten durch die Luft. Eine alte Zeitung, vermutlich von der letzten Woche, glitt raschelnd durch die Straße, bis sie in einem Strauch hängen blieb.

Die Laternen flackerten mit dem Versuch, das letzte bisschen Strom zu ergattern, um die Straße etwas zu erleuchten, doch mit einem leisen Klack-Ton verloren sie auch das wenige Flackern und legten die Straße in eine unheimliche Dunkelheit. Der Wind pfiff um die Hausecken und rauschte durch die kahlen Äste, der sich im Winde biegenden Bäume. Kreischend erhob sich der Rabe und verschwand in der düsteren Nacht.

In einem großen Haus, am Ende der Straße flackerte das Licht hinter den Milchglasscheiben auf und verzerrte Silhouetten erschienen. Zwei, um genau zu sein. Die rechte der Beiden fuchtelte wild mit den Händen herum. Der Figur nach zu Urteilen eine Frau. Die andere Silhouette war stämmiger und größer. Ein Mann. Der Mann hielt etwas Kleines, sich leicht Bewegendes in der Hand.

Immer wieder versuchte der Mann der Frau das Bündel zu überreichen, doch jedes Mal drückte sie die Hände weg und weigerte sich. Den sich aufbauenden Sturm kaum bemerkend, obwohl der Wind doch so stark gegen die Hauswand drückte, dass man meinen konnte, sie würde bald nachgeben, stritten sich die Personen.

Das leise Plop, mit dem ein weiterer Mann, mit einem langen weißen Bart, erschien, hallte laut durch die menschenleere Gasse. Seine Schritte waren leise und doch gut hörbar. Selbstbewusst lief er auf das Gebäude zu, ja fast schon rannte er.

Die Silhouetten hatten von dem Auftauchen des Mannes nichts bemerkt und stritten sich weiter. Der Mann in dem hellblauen, bodenlangen Umhang, der leichte Schleifgeräusche von sich gab, hatte bereits mehrmals an die große Doppeltür geklopft und sich dann selbst eingelassen, als man ihm nicht die Tür geöffnet hatte.

Eilig, ein paar Stufen auf einmal nehmend, als hinge ein Leben davon ab, sprintete er schon fast die breite, mit Holz ausgekleidete Treppe hinauf. Die sich Streitenden verstummten, angesichts des Neuankömlings, der auch sofort das Wort ergriff: "Guten Abend"

Die, zugegeben, doch sehr nüchterne Begrüßung wurde mit einem Schnauben seitens der Dame kommentiert. Der Mann, eingepackt in einem schweren schwarzen Mantel, mit ebenso schwarzen Stiefeln, der neben der Dame, welche ein Baumwollkleid in blassrosa mit weißer Schürze trug, stand, nickte lediglich.

"Und wer sind Sie? Wie sind Sie überhaupt hier herein gekommen?", fragte die Frau schließlich, nachdem mehrere Minuten Stille herschte. "Mein Name ist Albus Dumbledore und ich bin aus demselben Anliegen hier, wie Mr Hernandez. Gekommen bin ich durch die Tür."

Der Mann mit dem schweren Mantel rümpfte die Nase und streckte seinen Rücken durch. Anscheinend passte es ihm überhaupt nicht, dass irgend so ein dahergelaufener Mann versuchte, ihm jetzt zu helfen. Thomas Hernandez war ein stolzer, auf sein Blut bedachter Mann, der die Absichten von Mr Dumbledore nur zu gut erahnen konnte.

"Ich brauche keine Hilfe, ich habe alles unter Kontrolle", knurrte er. Seine Stimme war rau und tief und hallte in dem Gang nach. Dumbledore hatte nur ein leichtes Lächeln für ihn übrig. Er wusste, Mr Hernandez hatte viel Einfluss, was nicht alleine an der familiärischen Verbindung mit den Malfoys herrührte, vielmehr an der Mitwirkung des St. Mungo's Hospital für magische Krankheiten. Sein Urgroßvater war der Gründer des Krankenhauses und Mr Hernandez hatte letzten Jahres für die Erweiterung des Krankenhauses gesorgt.

"Natürlich. Das sehe ich auch und will es in keinster Weise anzweifeln, aber ich denke, wenn wir beide mit Mrs..." "Smith", half die Dame unwillig nach. Dumbledore lächelte sie kurz dankbar an, bevor er sich wieder Hernandez zuwandte. "... mit Mrs Smith reden, werden wir unser Ziel schneller zu Ende bringen" Hernandez blieb stumm und starrte Dumbledore aus hellblauen Augen an.

Hernandez Augen waren generell faszinierend. Sie schienen blau, doch wenn sie mit Sonnenlicht in Berührung kamen, wurden sie zu einem tiefen grau. Als würde die Sonne die Farbe bleichen.

Hernandezs etwas längere braunen Locken waren im Nacken zusammengefasst und sein Gesicht war mit markannten Kontouren versehen. Eindeutung ein Reinblut, wie Dumbledore nur zu gut wusste. Die Hernandezs waren ein Seitenstrang der Malfoys, welche Schwesterlicherseits von Abraxas Malfoy abzweigten.

"Bitte!", schnaubte Hernandez schließlich und stützte sich mit einer Hand auf seinen Gehstock, während er mit der anderen ein kleines Bündel an sich drückte. Dumbledore erkannte das kleine Mädchen, welches die Stirn gekräuselt hatte, sofort. Es war Kathleen Hernandez, die Tochter von Thomas und Grace Hernandez.

Mit einem Kopfnicken deutete er Dumbledore, dass er probieren konnte, was dieser auch sofort tat. "Mrs Smith, warum wollen sie das kleine Mädchen nicht an sich nehmen?" Mrs Smith, die das Blickduell der beiden Männer nur stumm beobachtet hatte, seufzte genervt auf. "Ich habe acht Kinder, alle von fünf bis 10 Jahre. Jeder der acht ist ein Junge. Wissen Sie eigentlich, wie schwer es ist, Jungs in diesem Alter groß zu ziehen? Da kann ich mich nicht auch noch um ein Mädchen kümmern. Um ein Baby! Ich kann nicht!"

Ihre Stimme war fast hysterisch und sie fuchtelte wild mit ihren Händen in der Luft. Dumbledore wollte schon einen Schritt zurück gehen, um nicht von den kleinen Händen getroffen zu werden, doch er beherrschte sich und sah die Frau gutmütig an.

"Außerdem lebt die Familie des Mädchens. Ihr Vater steht doch offensichtlich vor mir. Wieso sollte ich ein Mädchen in dem Glauben aufziehen, dass sie keine Familie hat, wenn alle doch noch leben?", wetterte sie weiter.

"Sie sagen es doch selbst: noch", stöhnte Mr Hernandez und griff sich mit dem Stock zwischen zwei Fingern an die Nasenwurzel. Wie er das schaffte, ohne seine Nase mit dem Drachenkopf, der den Griff des Stockes dastellte, zu schlagen, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

"Wie noch?", fragte Mrs Smith und ließ die Arme schlaff an ihrem Körper herunter fallen. "Das versuche ich Ihnen doch schon die ganze Zeit zu erklären, aber Sie hören mir nicht zu", knurrte Mr Hernandez und warf einen Blick zu Dumbledore. Mr Hernandez wollte das ursprünglich eigentlich alleine regeln. Er würde es nie zugeben, aber er war insgeheim froh, dass Dumbledore hier war und ihm half.

"Das ist für Sie unwichtig und würde Sie nur in Gefahr bringen und das wollen wir ja nicht", mischte sich Dumbledore wieder ein und Mrs Smith warf ihm einen zweifelnden Blick zu, doch Dumbledore ignorierte diesen und redete einfach weiter, "Und wenn Sie nicht wollen, dass diesem unschuldigen Mädchen etwas passiert, dann nehmen Sie es bei sich auf und versuchen ihr die schönste Kindheit zu bescheren, die sie nur bekommen kann und ich bin mir sicher, es ist nicht schlecht, wenn sie mit Jungs aufwächst. Sie lernt es dann, sich dagegen zu behaupten und das wird sie, dass weiß ich. Es wird sich alles mit der Zeit geben. Nur Geduld."

Mrs Smith senkte den Blick und Dumbledore wusste, er hatte gewonnen. "Ich wünsche noch eine gute Nacht. Mrs Smith, Mr Hernandez" Er nickte Beiden zu und verließ dann gemütlich das alte Haus. Er hatte seinen Job hier erledigt und würde zurück in seine Schule kehren.

In dem Waisenhaus verabschiedete sich Mr Hernandez von seinem einzigen Kind, seiner Tochter, und verließ dann ebenfalls entschlossenen Schrittes das Haus, um zu seiner Frau zurück zu kehren.

Kathleen Hernandez hatte von alledem nichts mitbekommen und schlief seelenruhig in den Tüchern, in den Armen von Mrs Smith. Keiner der Beiden hatte eine Ahnung, was ihnen die Zukunft bereit hielt.

Unloved OrphanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt