Kapitel 5

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Ich war glücklich. Glücklich und erleichtert, dass es ihnen anscheinend allen gut ging. Obwohl... Es fehlten noch drei. Nämlich meine sehr geehrten Brüder und Vanessa, da würde ich später nochmal nachhaken müssen.
"Joschka? Komm mal bitte her!", rief ich den Erfinder zu mir. Jetzt hatte ich die Aufmerksamkeit aller auf mir.
"Was ist Clary?", fragte er neugierig.
"Ich hab da so eine Überraschung für dich, ich hoffe sie gefällt dir...", flüsterte ich und schob ihn in die Richtung aus der ich zuvor gekommen war. Joschka hatte seinen Bruder sehr vermisst, auch wenn er einem das nicht unbedingt unter die Nase gerieben hat. An einem "JULI?!" erkannte ich erst wie sehr, denn kurz darauf folgte ein freudiges  "Danke Clary!".

Das war zwar nicht wirklich mein Verdienst, aber ich nahm es so hin. Die anderen rannten Joschka hinter her sobald Julis Name gefallen war und auch Marlon und Vanessa schienen jetzt aus ihren Löchern zu kriechen. Bevor Marlon jedoch an mir vorbei kam, hielt ich ihn auf.
"Nicht so schnell. Wir zwei haben ein Hühnchen zu rupfen. Weißt du eigentlich was für Sorgen ich mir gemacht habe?! Apropo wo ist Leon? Er gehört da genauso dazu!", schimpfte ich. Es schien jedoch als hätte ich einen Wunden Punkt bei ihm getroffen, Salz in eine offene Wunde gestreut.... Hatten sie sich wieder gestritten?
"Marlon wo ist er?", fragte ich erneut als ich keine Antwort bekam. Wieder antwortete er mir nicht, weshalb ich mich umdrehte. Die Anderen standen zusammen und hatten bis eben noch geredet, aber jetzt verstummten sie und schauten überall hin nur nicht zu mir.
"Leute wo ist mein Zwillingsbruder?", fragte ich noch einmal.
"Clary...", begann Marlon der offensichtlich seine Stimme wieder gefunden hatte.
"Wir wissen es nicht", sagte er.
"Sehr witzig", antwortete ich genervt. Wenn die zwei sich schon stritten, sollten sie mich da doch wenigstens aussen vor lassen.
"Das ist kein Witz Clary...", sagte Isabel und kam langsam auf mich zu.
"Wir wissen echt nicht wo er ist, Leon ist verschwunden", setzte Vanessa hinterher.

Ich spürte förmlich wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich. Leon war weg! Verschwunden! Einfach so. Über Nacht, sagten sie. Wahrscheinlich entführt, sagten sie.
Jedoch erreichten mich diese Worten nicht wirklich. Sie drangen nicht zu mir durch, oder sollten es ganz einfach nicht. Vielleicht war das ein Abwehr-Mechanismus meines Gehirns, damit mich keine noch schlimmeren Nachrichten erreilen konnten. Aber konnte es denn noch schlimmer kommen?

'Ja, mit Sicherheit. Schlimmer geht schließlich immer, das sollten ich langsam gelernt haben', dachte ich pessimistisch.

Oder war ich einfach nur realistisch? Jetzt mal ehrlich! Wieso? Wieso hasste mich das Leben so abgrundtief? Wieso zum Teufel konnte ich nicht einmal glücklich sein, ohne dass das Leben mir den Boden unter den Füßen wegriss?
"Clary?", ertönte eine Stimme ganz dicht bei mir. Markus. Ihn zu hören, zu wissen das er bei mir war, war noch immer Balsam für meine Seele, als auch für meine wirren Gedanken, aber...
Dieses Mal konnte er die Dunkelheit nicht heller erscheinen lassen. Jetzt gerade nicht.
"Ja... Klar...", stammelte ich. Um meine Aussage zu unterstreichen lächelte ich ihn vorsichtig an, wobei es eher wie eine hässliche Grimasse aussehen musste.
"Wir finden ihn, okay? So schnell geben wir nicht auf", sagte Marlon der an meiner anderen Seite stand. Ich nickte verstehend.
'Hätte ich auch nicht erwartet', wollte ich antworten aber kein Ton verließ meinen Mund. Ich blieb still.
"Komm mal her", flüsterte Marlon und umarmte mich vorsichtig. Als wäre ich aus Glas. Aber das war ich nicht! Wir würden Leon schon finden! Wir mussten einfach. Um ihm irgendwie zu verdeutlichen, dass ich auch so für ihn da sein wollte -wie er für mich- erwiderte ich seine Umarmung um einiges stärker.

Sie suchten jetzt also schon seit einer Woche nach Leon. Hatten nichts gefunden, was auf sein eigenartiges Verschwinden zurückführen könnte und so schien es vorerst auch zu bleiben. Denn -ob ich wollte oder nicht- könnte ich nichts außergewöhnlich besseres tun als die anderen. Ich konnte ebenso nur durch die Gegend fahren und hoffen das wir ihn fanden.
Gerade jetzt fragte ich mich wieder wie ich Jahre ohne meinen Zwilling leben konnte, wenn mir jetzt schon Tage zu viel waren. Oder es war einfach die Ungewissheit. Ich hatte schließlich keine Ahnung wie es ihm gerade erging. Wurde er irgendwo gefangen gehalten? Und wenn ja, was wollte man damit erreichen?

Ich seuftze und zog die Decke enger um mich. Ich war erst einen Tag wieder hier und schon lief alles... naja... bergab eben.
"Haben wir Nachtwache?", fragte Vanessa als sie sich zu mir setzte.
"Nacht- was?", antwortete ich mit einer Gegenfrage.
"Da Raban und Joschka der Meinung sind das... Vampire hinter all dem stecken, halten wir Nachtwache, immer zwei", erklärte sie mir schnell.
"Echt jetzt? Vampire?", fragte ich belustigt.
Ehrlich gesagt wusste ich nicht ganz was ich von der Theorie der Erfinder halten sollte. Ich hatte immer von den übernatürlichen Wesen und ihrer Welt geträumt. Und davon wie cool es wäre ein Teil davon zu sein, ein wichtiger Teil natürlich.
Das Meiste davon hatte ich mir jedoch nur gewünscht, weil ich einen Freund wie Damon oder Stefan Salvatore haben wollte. Aber jetzt hatte ich Markus, einen realen Jungen, den ich mehr liebte als eine dieser Fantasien! Außerdem wenn ich daran dachte, dass so eine Kreatur vielleicht meinen Bruder entführt hatte...

Nein, Quatsch! Es gab keine Vampire, genauso wenig wie es Werwölfe oder Hexen gab!
"Ich hab auch noch etwas für dich", riss ich mich selbst aus meinen Gedanken.
"Wieso denn das?", fragte sie verwirrt. Ich kramte in meinem Rucksack nach der Thermoskanne die Hadschi mir in die Hand gedrückt hatte, bevor wir gegangen waren.
"Hadschi hat gesagt du hättest den sehr gerne getrunken", antwortete ich schlicht und gab ihr den Kakao.
"Danke", flüsterte sie und schien wirklich gerührt zu sein. Vanessa schenkte sich etwas in die Kappe der Kanne und trank einen Schluck. Sofort schien es ihr etwas besser zu gehen. Sie nickte wie zur Bestätigung, dass es ihr gut schmeckte.
"Hey, trinkt ihr da etwa ohne mich Kakao? Es riecht nämlich wie Kakao!", rief eine Stimme aus der Dunkelheit bevor Isa sich schließlich zu setzte.
"Du hast uns erwischt", lachte ich. Wie auf Kommando schaltete sich mein schlechtes Gewissen ein. Es wollte mir einreden, dass ich doch nicht einfach lachen konnte, wenn mein Bruder verschwunden war! Ich sollte nicht glücklich sein! Aber da war auch noch eine andere Stimme. Sie war nicht sonderlich laut und schien in den Hintergrund zu rutschen, aber sie sagte mir etwas anderes. Das Leon nicht wollen würde, dasa ich Tag und Nacht nur traurig war. Ja. Es war in Ordnung das ich mir Sorgen machte, aber ich sollte trotzdem nicht vergessen das ich noch am leben war.

Und leben hieß für mich halt einfach mehr, als traurig herum sitzen und zu hoffen das der Tag vorbei ging. Also versuchte ich denn Abend mit meinen beiden Freundinnen zu genießen. Auch wenn die lauten Stimme des schlechten Gewissena sich nicht so einfach vescheuchen ließ.

Hey,
Die Schule hat wieder angefangen. Was bedeutet. Stress. Und auch das ich wahrscheinlich nicht mehr allzu regelmäßig hochladen kann... Aber wann hab ich das je ? 😅
Naja, bis zum nächsten Mal!

Eure Alina 🌹

DWK - Hinter dem HorizontWo Geschichten leben. Entdecke jetzt