Kapitel 5

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Was zuletzt geschah:
Eriks Freundschaft mit Marco wächst und gedeiht. Nicht völlig ohne Stolpersteine –Erik hinterfragt Marcos Motive hinter dessen Interesse an ihm; Marco irritiert Eriks Vermeidungsverhalten in der Umkleide – aber mit einem gegenseitigen Vertrauensvorschuss raufen sie sich dennoch zusammen. Zum Glück. Ihr gemeinsamer Vormittag schenkt Erik ein paar kostbare Augenblicke, in denen er die weniger schönen Aspekte seines Lebens ausblenden kann. Stattdessen hält er sich kichernd den Bauch, während Lachtränen über seine Wangen kullern. Im Anschluss wagt er sich mit neuem Mut an einen bisher unbekannten Ort.

Kapitel 5
Geschirrgeklapper und fröhliche Stimmen schwappten ungehört über Marco hinweg, doch die Glocke über der Eingangstür des Cafés erregte seine Aufmerksamkeit. Mühevoll unterdrückte er ein enttäuschtes Seufzen, als wenige Augenblicke später eine Gruppe Mädchen den Nebenraum des Tässchens, in dem der Jugendtreff stattfand, betrat.

„Na? Erwartest du jemanden?" Hugo stellte Marco eine frische Tasse Kaffee vor die Nase.

Dieses Mal seufzte Marco wirklich. Aus dem Augenwinkel sah er Manni auf sie zukommen, dasselbe wissende Lächeln im Gesicht. „Ich nehme an du hoffst, dass dein Daniel doch noch hier auftaucht?"

„Ich weiß, dass ich mich da verrenne, aber ..." Verlegen fuhr sich Marco durchs Haar. „Ich würde ihn einfach gerne kennenlernen. Richtig kennenlernen." So sehr er sich auch bemühte in Daniel nicht mehr als eine nette Chatbekanntschaft zu sehen, von diesem Wunsch konnte er sich nicht völlig lösen.

Immer wieder kehrten seine Gedanken zu den Forenbeiträgen zurück, über die er überhaupt erst auf ihn aufmerksam geworden war. Sensibel und einfühlsam, mit feinsinnigem Humor, stand Daniel jedem, der Hilfe suchte zur Seite, allerdings ohne jemals selbst viel Persönliches preiszugeben.

Überhaupt eine Antwort auf seine aus einem Impuls heraus geschriebene Privatnachricht zu erhalten, hatte Marco angenehm überrascht und die bald darauf im foreneigenen Chat entstandenen Unterhaltungen waren für ihn beinahe einem Wunder gleichgekommen. Mit jedem Austausch sehnte er sich mehr danach, Daniel einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.

Wieder ertönte die Glocke und wieder richtete sich Marcos Blick automatisch auf die Eingangstür des Jugendtreffs. Gerade als er überzeugt war, dass es sich bei dem neuen Gast um einen regulären Besucher handeln musste, der im Hauptraum des Cafés blieb, öffnete sie sich. Heißer Kaffee schwappte über Marcos Finger, aber er spürte ihn kaum. „Erik?"

Dieser erstarrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht. In Zeitlupe wandelte sich seine Mimik, floss von Überraschung zu Misstrauen zu Zorn. Ohne ein Wort zu verlieren, oder Marco Gelegenheit für eine Reaktion zu geben, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand aus dem Tässchen.

Marco hörte erst auf zu fluchen, als er Mannis Hand auf seiner Schulter fühlte.

„Wie wäre es, wenn du mir ganz in Ruhe erzählst, was hier gerade passiert ist?"

So gelassen wie möglich – also nicht besonders – antwortete Marco. „Das war Erik. Der Neuling aus dem Boxstudio, von dem ich euch erzählt habe. Der, der immer wartet bis ich aus der Umkleide bin, bevor er sich umzieht. Nach gerade eben ist ja wohl offensichtlich, was für ein Problem er mit mir hat!"

„In Ordnung." Mannis besänftigender Pädagogenton brachte Marco erst recht in Rage. „Du denkst also, er ist homophob? Und jetzt gerade ist er so überstürzt verschwunden, weil deine Anwesenheit hier im Jugendtreff seine Befürchtung bestätigt hat, du könntest schwul sein?"

„Sì. Was sonst?

„Hm. Nehmen wir an, er hat tatsächlich ein Problem mit Homosexualität. Warum sollte er dann ausgerechnet bei einem Treffpunkt, der sich speziell an queere Jugendliche richtet, aufschlagen?"

Wolken mit TomatensoßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt