Kapitel 23

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Was zuletzt geschah:

Es ist aus. Auf eine der aufwühlendsten Nächte in Marcos Leben, folgen drei kleine Worte, die ihm endgültig den Boden unter den Füßen wegziehen. Auch Erik hat eine Menge zu verarbeiten. Das Wiedersehen mit seinem Ex, die Tatsache, dass Marco nun mehr über ihn weiß, als er je preisgeben wollte, und seinen Rückfall ins selbstverletzende Verhalten. Er braucht dringend eine Verschnaufpause und um die zu bekommen, musste er eine schwere Entscheidung treffen.

Kapitel 23

Graues Licht kündigte einen weiteren Tag tristen Regens an. Erik starrte auf die Zimmerdecke, das Schrillen seines Weckers in den Ohren. Er fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht. Keinen modernen elektrischen, bei dem es wenigstes schnell ging; nein, ein antiker zum Kurbeln, bedient von einem altersschwachen Greis, der die Blüte seines Lebens vor langer Zeit hatte verwelken sehen.

Immer wieder drängte sich die Erinnerung an Marcos Gesicht an die Oberfläche, die Erschütterung in dessen Augen. Als wäre die Trennung nicht hart genug gewesen. Als sehnte sich Erik nicht nach Marcos warmer Haut, seinen starken Armen und dem liebevollen Lächeln. Als fürchtete er nicht auch so, einen fürchterlichen Fehler begangen zu haben.

Und dennoch wusste er, dass er die einzig richtige Entscheidung getroffen hatte. Er trauerte, ja, aber zeitgleich war ein Gewicht von seinen Schultern verschwunden. Jetzt hatte er Raum, seine Probleme anzugehen, anstatt seine verbliebene Kraft dafür aufzuwenden, den Schein aufrechtzuerhalten. Alles lag in Trümmern und nun, da er das akzeptierte, kam die Zeit, aufzuräumen.

Halbwegs von seinem Vorhaben überzeugt, quälte er sich aus dem Bett und unter die Dusche. Während er sich den Schweiß einer Trennung von der Haut wusch, sortierte er seine Pläne für den Tag. In der Schule wartete gleich die erste Gelegenheit, seine guten Vorsätze anzugehen. Nicht zwingend eine, auf die er sich freute, andererseits freute er sich gerade generell auf eher wenig.

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Schweigend setzte sich Nina neben Erik. Sie grüßte ihn nicht, sie sah ihn nicht an. Sie verhielt sich genauso, wie sie es jeden Tag tat, seit er sie bei der Rückgabe der Matheklausur angeschnauzt hatte. Er konnte es ihr kaum verübeln.

Mit einem Blick auf seine Armbanduhr überzeugte er sich davon, noch ein paar Minuten Zeit zu haben, bevor Frau Cramer ins Klassenzimmer rauschte. Sorgfältig platzierte er die bisher in seinem Rucksack versteckte Pralinenschachtel vor sich auf dem Tisch und schob sie zu Nina. „Für dich."

„Was soll das?"

„Als Entschuldigung für neulich. Oder als Teil einer Entschuldigung. Ich habe meine schlechte Laune an dir ausgelassen und das war Mist. Das hattest du nicht verdient."

„Stimmt, hatte sie nicht."

Ah, Amina hörte ebenfalls zu. Mit Publikum bereitete das zu Kreuze kriechen gleich doppelt Freude. „Was ich gesagt habe tut mir leid. Es war ungerechtfertigt und fies. Ich weiß, Schokolade ist nicht die kreativste Entschuldigung, aber ich dachte–"

„Dass damit trotzdem wieder alles gut wäre?" Amina machte recht deutlich, was sie von dieser Anspruchshaltung hielt. „Vielleicht solltest du dir lieber abgewöhnen, andere dumm von der Seite anzukacken. Dann sparst du dir das Geld für billige Pralinen."

„Ich mag Pralinen."

Überrascht blickte Erik zu Nina, die ihm zuzwinkerte.

„Es ist ja nicht so, als wäre ich ein Unschuldslamm. Eigentlich war ich diejenige, die dich zuerst angepflaumt hat." Sie riss die Folie von der Verpackung, nahm den Deckel ab, schnappte sich eine der Pralinen und reichte die Schachtel an Erik weiter. „Frieden?"

Wolken mit TomatensoßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt