Was zuletzt geschah:
Umzüge bedeuten immer Stress, egal wie gut man sie vorbereitet. Wenn dann auch noch einer der Helfer einfach ohne Ankündigung wegbleibt, ist Ärger vorprogrammiert. Nach fettiger Pizza, harter Arbeit und dem Geständnis, womit Marco seinen Vormittag wirklich verbracht hat, verwandelt sich Eriks Unmut jedoch rasch in Verständnis. Natürlich sind damit noch nicht alle Probleme vom Tisch, denn Marcos Gefühle für Erik nehmen allmählich Formen an, die ihm so gar nicht behagen. Ob eine Verabredung zum Kino da so eine gute Idee ist?Kapitel 10
Marcos Kinowahl fiel deutlich belebter aus als Erik bevorzugte. Am Rand stehend beobachtete er die anderen Besucher, darum bemüht, sich nicht der Panik hinzugeben, die ihn bereits den ganzen Tag fest im Griff hielt. Er sog Luft in seine Lungen, schloss die Augen und zählte während es Ausatmens langsam bis zehn, doch sein Herzschlag blieb unverändert schnell.Am Tag seines Umzugs hatte es einen Moment gegeben, in dem Erik überzeugt gewesen war, Marco wolle dasselbe. Aber keiner von ihnen hatte den ersten Schritt gewagt und nun zweifelte Erik an seiner Wahrnehmung.
‚Du bist nicht mein Typ.' Marcos Worte hallten in seinem Kopf wider. Damals erleichternd; heute wusste er selbst nicht mehr, was er sich eigentlich erhoffte.
Das wirkte sich auch auf seine Therapiesitzungen aus. Trotz der Fülle möglicher Themen – sein Geburtstag, der Umzug und die zusätzliche Verantwortung, die nun auf seinen Schultern lastete – hatten sie fast die gesamte Stunde damit verbracht, Eriks Gefühle für Marco zu analysieren. Und all die Erinnerungen, die diese in ihm wachriefen.
Still wiederholte er, was seine Therapeutin ihm klarzumachen versuchte, seit sie herausgearbeitet hatten, was damals wirklich mit seinem Ex gelaufen war. Er solle sich nicht schuldig fühlen; viele Menschen gerieten in ähnliche Strukturen und bemerkten sie erst nach Wochen, Monaten oder gar Jahren, oft genug nur mit Hilfe von außen. Das hatte weder etwas mit Dummheit noch mit Naivität zu tun. Gleichzeitig gab keinen Grund, sich in Ängste hineinzusteigern. Erik kannte nun die Anzeichen einer missbräuchlichen Beziehung, konnte Warnsignale besser einordnen und entsprechend reagieren, falls erste Zweifel auftraten.
Wäre es doch nur so einfach. Wenn er grundsätzlich die Fähigkeit besaß problematische Tendenzen zu durchschauen, trug er eben doch zumindest eine Mitverantwortung daran, in eine solche Beziehung geraten zu sein, oder nicht? Und umgekehrt: Traf ihn keine Schuld, konnte ihm dasselbe immer wieder passieren. Was sollte überhaupt ‚erste Zweifel' bedeuten? Als ob er auch nur eine Sekunde lang nicht zweifelte!
Er hielt Marco für einen guten Menschen, aber es hatte eine Zeit gegeben – auch lange nach ihrer Trennung – in der er das gleiche über seinem Ex gedacht hatte. Schlimmer noch, eine Zeit, in der er sich daran geklammert hatte, dass zwischen ihnen trotz allem echte Liebe im Spiel gewesen war. Einem solchen Irrtum aufgesessen zu sein zerstörte das Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit nachhaltig.
„Hier versteckst du dich."
Erik fuhr zusammen. Schuldbewusst blickte er zu Marco, der abwartend ein Stück entfernt stehengeblieben war. „Entschuldige." Wie lange hatte er in dieser Ecke vor sich hingebrütet und seine Umwelt ignoriert? „Ich wollte nicht mitten in der Menschenmasse warten."
„Kein Ding, jetzt habe ich dich ja gefunden." Marco grinste breit und sofort setzte wieder dieses Flattern in Eriks Brustkorb ein; dazu ein Prickeln auf seiner Haut, das sich über Kopf und Nacken bis in seine Kniekehlen zog. „Bereit, dich meiner Filmauswahl zu stellen?"
„Ah, ja. Ja, sicher doch." Noch immer halb in seiner eigenen Welt gefangen, ließ sich Erik von Marco am Ticketstand vorbei und zu den langen Schlangen vor der Snackbar führen. Keiner von ihnen startete einen Versuch, eine Umarmung zu initiieren. „Hast du die Karten schon?"

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Wolken mit Tomatensoße
RomanceMarcos Leben läuft prächtig. Er hat einen Job, Freunde und eine Ersatzfamilie. Zugegeben, sein Liebesleben liegt derzeit ziemlich brach und dann ist da noch die Sache mit seiner richtigen Familie. Und warum hat eigentlich der Neuling im Boxstudio st...