Kapitel 9

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Was zuletzt geschah:

Endlich achtzehn! Erik feiert die neu erlangte Volljährigkeit in kleinerem Kreis und mit anderer Besetzung, als er sich noch vor wenigen Jahren ausgemalt hatte, was sich merklich auf seine Stimmung niederschlägt. Glücklicherweise sind seine deko-freudigen Mitbewohnerinnen für ihn da; nicht zu vergessen ein weiterer Gast, der Dinge mit Eriks Herz anstellt, von denen er sich nicht sicher ist, ob sie ihm gefallen. Das Angebot, sich beim Umzug helfen zu lassen – insbesondere von einer Person, die vielleicht sogar weiß, was sie tut – nimmt er dennoch gerne an.

Kapitel 9

Pünktlich um halb acht spuckte die grün lackierte Haustür seine kleine Schwester aus, gerade rechtzeitig für den Bus zu ihrem Tanztraining. Marco straffte seine Schultern.

„Francesca, warte."

Seine Schwester wirbelte herum, die Überraschung in ihrem Gesicht mit einem Wimpernschlag in Zorn verwandelt. „Verpiss dich!"

Ihre harschen Worte trafen Marco, aber er weigerte sich, so schnell aufzugeben. „Ich will nur kurz mit dir reden."

„Ich aber nicht mit dir!" Francesca wandte ihm den Rücken zu und eilte weiter.

Marco rannte hinterher. „Warum willst du mich nicht mehr sehen?"

„Weil!"

„Das ist keine Antwort!"

„Ich habe gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!"

Es war zum Haare raufen. „Nicht, bevor du mir geantwortet hast!"

Als sich Francesca erneut herumdrehte, glänzten Tränen in ihren Augen, aber da lag keine Trauer in ihnen. Ihre dichten Brauen bildeten ein ‚V' und sie verzog die Lippen zu einem Ausdruck, der erschreckend an das Zähnefletschen eines Wolfs erinnerte. „Verpiss dich endlich! Du hast alles kaputtgemacht! Ich hasse dich!"

Instinktiv trat Marco einen Schritt zurück. „Das meinst du doch nicht ernst. Ich h–"

„Warum kannst du nicht einfach normal sein?", fuhr Francesca dazwischen; laut genug, um die Blicke der glücklicherweise wenigen Passanten um sie herum auf sich zu ziehen. „Hör auf, mit irgendwelchen Typen rumzuhängen und sag Mamma und Papà, dass es dir leidtut! Dann lassen sie dich bestimmt wieder heim."

Marcos Magen verkrampfte sich, sein Speichel schmeckte ranzig. Dennoch zwang er sich zu einer Antwort. „Ich werde mich nicht für etwas entschuldigen, das ich nicht ändern kann."

„Natürlich kannst du dich ändern! Du willst nur nicht. Lieber machst du unsere Familie kaputt!" Mit einem letzten Naserümpfen, das all den Ekel ausdrückte, den sie Marco gegenüber empfand, stürmte Francesca davon.

Verloren stand er auf der Straße. Wut kroch durch seine Adern, filterte seinen Blick auf die Welt. Er musste hier weg, musste gegen das Brennen in seinem Inneren angehen. Wie von selbst fanden seine Füße den Weg zum Boxstudio.

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Schweiß rann über Marcos Gesicht, seine überlasteten Muskeln zuckten im Sekundentakt. Er fühlte sich nicht nur körperlich erschöpft, auch diese schreckliche Wut war verdampft, hatte dabei jedoch eine Schwere hinterlassen, die sich nicht abschütteln ließ.

Mit nacktem Oberkörper und geschlossenen Augen lehnte er sich gegen das kühle Metall seines Schließfachs. Etwas darin piepte. Sein Handy.

Noch nicht bereit in die reale Welt zurückzukehren, wischte er mit einem Handtuch über seine schweißverklebte Haut, stopfte es zusammen mit den durchnässten Trainingsklamotten, die für den Notfall (sprich: seine eigene Vergesslichkeit) immer in seinem Spind lagerten, in seinen Rucksack und schlüpfte in seine Straßenkleidung. Erst danach warf er einen Blick auf sein Handy. Und erstarrte.

Wolken mit TomatensoßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt