Kapitel 3

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Was zuletzt geschah:
Beharrlichkeit zahlt sich aus und so findet sich Erik – wenig begeistert, aber ohne brauchbare Ausrede – an einem kalten Samstagabend im Park wieder, um dort mit Marco joggen zu gehen. Ausgerechnet Marco, dem Typen, den er bis dahin eher als penetrantes Hintergrundrauschen in der Umkleide des Boxstudios abgespeichert hatte. Zu seinem Entsetzen findet er das gemeinsame Training weniger schrecklich als erwartet; fast könnte man behaupten, er genießt es sogar. Ehe sich Erik versieht, ist ein zweites Treffen verabredet und die Neugierde seiner beiden Mitbewohnerinnen nur schwer zu stillen.

Kapitel 3
Das schlechte Gewissen nagte an Marco.

Erik hatte sein Versprechen gehalten und war nicht nur wie üblich dienstags, sondern zusätzlich auch am Donnerstag zum Training erschienen. Dummerweise überschnitt sich sein Enthusiasmus mit Grigoris Erkältung und Marcos gesamte Aufmerksamkeit lag darauf, für den kranken Trainer einzuspringen.

Inoffiziell natürlich, aber wenn die Alternativen lauteten, entweder ihre Kindergruppe unverrichteter Dinge nach Hause zu schicken oder sie von nur einem Augenpaar betreuen zu lassen – erfahrungsgemäß der ideale Nährboden für Verletzungen und Streitereien – gerieten die Vereinsregeln recht schnell in Vergessenheit. Das bedeutete jedoch, dass Marco lediglich ein flüchtiges Nicken in Eriks Richtung zustande brachte, als dieser die Halle betrat. Kein sehr motivierender Einstand in den neuen Trainingsplan.

Obwohl sein eigenes Training an diesem Tag quasi nicht stattgefunden hatte, sehnte sich Marco am Ende der Stunde nach einer Dusche, seiner Couch und viel, viel Abstand vom Geschrei überdrehter Zwölfjähriger. Davor musste er allerdings noch aufräumen. Seufzend verstaute er die Ersatzhandschuhe, die der Verein für Anfänger ohne eigenes Equipment bereithielt, oder – wie in diesem Fall – für schusselige Blagen, die ihren eigenen Hintern vergessen würden, wäre er nicht angewachsen.

Wenigstens hatte er dank der fortgeschrittenen Stunde die Umkleide für sich allein. Jedenfalls fast. Im üblichen Eck – so weit abseits wie irgendwie möglich – lachte ihm ein inzwischen vertrauter Hinterkopf entgegen. Blondes Haar, auf wenige Millimeter gekürzt. „Wir erwischen uns ja doch noch."

Ruckartig zerrte Erik das Oberteil, aus dem er eben hatte schlüpfen wollen, wieder nach unten. Er drehte sich um. „Hey."

Marco scheiterte daran, Eriks Gesichtsausdruck zu interpretieren und überdeckte diese Unsicherheit mit einem charmanten Lächeln. „Scusami, dass ich heute so wenig Zeit hatte. Die Kids nehmen ganz schön viel Aufmerksamkeit in Anspruch."

„Kein Problem." Auch Eriks Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, doch es war kein gutes. „Ich kann ohnehin auf einen Babysitter verzichten."

Marco hatte sich an diesem Tag neun Stunden lang mit Kunden, Kollegen, Chefs und veralteten Arbeitsgeräten herumgeärgert, nur um im Anschluss überdrehte Teenager davon abzuhalten, sich gegenseitig blutige Nasen zu schlagen. Die Quelle seiner Geduld erschöpfte sich zusehends. „So war das nicht gemeint und das weißt du."

Eriks Brauen hoben sich, aber anstelle der spitzen Erwiderung, die so deutlich auf seiner Zunge lag, dass Marco glaubte, bereits ihre Nadeln zu sehen, schnaubte er. „Du hast recht. Tut mir leid."

Jetzt bedauerte Marco seinen strengen Ton beinahe. Erik wirkte ehrlich geknickt. Unfähig, Marcos Blick zu erwidern, zupfte er seinen Ärmelsaum zurecht, bis seine Hände halb unter dem ausgeleierten Stoff verschwanden.

„Mieser Tag?"

Abweisend hob Erik eine Schulter. „Bleibt es bei unserer Joggingrunde übermorgen?"

„Sì, an mir soll's nicht scheitern." Während er sprach, zog sich Marco sein Shirt über den Kopf. Eine Sekunde lang glaubte er, Eriks Blick auf sich zu spüren, doch als er hinsah, wühlte dieser in seinem Rucksack. So, wie er es bei ihrer ersten Begegnung getan hatte. Genaugenommen, wie bei jeder ihrer Begegnungen in der Umkleidekabine. Wann immer sie sich trafen, wartete Erik, bis Marco den Raum verließ. Erst danach zog er sich um. Warum war das Marco bisher nicht aufgefallen?

Wolken mit TomatensoßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt