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PoV. Chan

Ich bin die ganze Zeit am schluchzen und ich kann damit einfach nicht aufhören. Ich könnte jetzt auch die ganze Zeit weinen und es scheint Felix nichts auszumachen. Es ist so, als würde er es als normal sehen, seine Tränen loszuwerden. Felix ist so anders als andere Menschen, die ich jemals getroffen habe.

Vor dem Café angekommen frage ihn schnell: „Können wir draußen sitzen? Ich sitze lieber draußen als drinnen." Dabei schluchzend. Wie denn auch sonst, wenn ich mich nicht zusammenreißen kann? Felix gibt auch keine großartige Antwort sondern nur leichtes nicken von sich. Immerhin kann ich hier draußen eine Rauchen und hoffentlich hilft mir das auch, mich zu beruhigen.

Nachdem wir uns beide hingesetzt habe, schaue ich mich ein wenig nach anderen Menschen um. Beruhigt habe ich mich schon etwas, aber ich könnte echt paar Züge gebrauchen, die mein Leben um weiteres verkürzen. Ein Feuerzeug habe ich mit, aber keine Kippen mehr. Ein Glück, dass hinter uns zwei Jungs in meinem Alter sitzen und dementsprechend drehe ich zu denen um, um zu fragen: „Entschuldigung, aber hat einer von euch eine Kippe für mich." ich habe Glück gehabt, denn einer der beiden Kerle kramt aus seiner Jackentasche seine Schachtel aus, welche er mir darauf folgend hinhält, damit ich mir eine rausnehmen kann. Dies tue ich auch und nuschle: „Dankeschön".

Nun drehe ich mich um und er schaut mich ein wenig verwirrt an. „Du rauchst?" fragt er einfach und lehnt sich an dem Tisch. Ich hasse es, diese Frage gestellt zu bekomme und aus diesem Grund wirkt meine Antwort umso toxischer: „Wenn du es abstoßend findest und du deswegen nichts mit mir zu tun haben willst, dann kannst du meinetwegen auch gehen."

„Nein... so meinte ich es gar nicht.." von Felix, der ein wenig verzweifelt klingt. Er erklärt daraufhin: „Es ist so... ich hätte nur nicht gedacht, dass du rauchst."
„Ich bin wohl das erste Absturzkind, auf welches du gestoßen bist.. kann es sein?" Mit dieser Frage habe ich Felix mehr oder weniger zum Schweigen gebracht. Manche Worte nehme ich ziemlich persönlich, auch wenn sie gar nicht so gemeint sind, wie sie andere aussprechen.

Irgendwann bekommen wir unsere Tassen Kaffee, die wir beide bestellt haben. Felix hat sozusagen für mich spendiert und ich verstehe absolut nicht, wieso er diesen Aufwand für mich macht? Ich ziehe noch das letzte mal an meiner Kippe, ehe ich diese im Aschenbecher auf dem Tisch entsorge. Ich blicke zu ihm hoch und ich stelle fest, dass mir nicht mehr danach ist zu weinen.

Oder ist mir einfach die Flüssigkeit ausgegangen, da ich sowieso sehr wenig bis gar nicht trinke? Nach einer Tasse Kaffee tanke ich meinen Speicher für meinen Tränen auf. Dann kann der ganze Scheiß weitergehen.

„Hast du irgendwelche Hobbys? Oder irgendwelche Hobbys gehabt?" fragt Felix plötzlich. Er will also ein Gespräch anfangen. Wie süß, dass er versucht, mich abzulenken, aber dies wird mich nicht davon abbringen, mich eines Tages umzubringen.

„Jetzt habe ich keine mehr.. aber früher habe ich gezeichnet. Nichts Besonderes würd ich sagen." meine ich kurz, bevor ich den ersten Schluck Kaffee zu mir nehme. „Und du?" kurz von mir.

„Ich mache viel Sport und zocke sonst. Habe jetzt aber auch nicht so krasse Hobbys. Meine Freunde haben viel mehr Hobbys als ich."
Also passe ich wohl nicht zu seinen Freunden. Okay umso besser. Wenn ich Freunde habe, dann habe ich keine Chance mehr, mich umzubringen. Ich muss etwas tun, damit er mich hasst. Vielleicht soll ich einfach kälter gegenüber ihn werden.

„Wie alt bist du eigentlich?" fragt er ziemlich höflich. Eine Frage, die ich verabscheue, denn dann kommt es zu Rollenverteilungen. Wenn er älter ist, muss ich ihn Hyung nennen oder anders herum. Diese Gesellschaft mit den ganzen Positionen und Rollen ist zum Kotzen. Ein Glück, dass ich die ersten Jahre in Australien gelebt habe, bevor ich für ein Heim nach Korea gekommen bin. Ich wünschte, dass ich mich für ein Heim in Australien entschieden hätte, doch ich habe nur daran gedacht, dass ich einfach weg von meinem Vater sein wollte.

Schon wieder denke ich viel zu viel nach. Wäre ich tot, dann hätte ich diese ganzen Sorgen und Probleme nicht mehr!

„C-Chan.." von Felix erneut, der mich schlussendlich aus meinen Gedanken herausreißt. Ich schaue zu ihn auf, allerdings bin ich immer noch nicht so ganz in der Realität. Nichts desto trotz antworte ich knapp: „Neunzehn"

„Ich bin siebzehn und du bist älter alt ich, also werde ich dich ab jetzt Hyung nennen." meint Felix ziemlich ernst. Ich habe es schon vorhergesehen, dass dieser Dreck mit den Positionen kommen wird. Ich will nicht geschätzt werden, weil ich älter bin, sondern weil ich ein Mensch wie jeder andere bin.

Aber es gibt keinen, der mich schätzt. Also brauche ich mein Leben nicht mehr. Wieso kann mich Felix nicht einfach sterben lassen?

„Schön.. dann nenn mich so.. naja.. nenn mich so, wie du willst.." murmele ich und trinke erneut einen Schluck von meinem komplett schwarzen Kaffee. Eigentlich mag ich keinen Kaffee, nur ich brauche etwas Koffein, welches mich am Leben halten soll, wenn ich mich noch lange mit Felix unterhalten werde.

„Wieso darf ich dich dann nicht Chris nennen?" will er wissen klingt dabei etwas neugierig. Hinter dem Spitznamen Chris steckt wirklich nichts schönes.
„Sagen wir's so.. früher haben mich alle Menschen Chris gennant und jeder von ihnen hat mich verletzt. Wirklich jeder von ihnen. Wenn du mich an meine grausame Zeit erinnern willst, dann bitte." will ich ihm klarmachen und ich versuche immer weiter, ziemlich kalt und herzlos zu klingen, damit ich ihn möglicherweise etwas abschrecke.

„Okay... kann ich verstehen.. ich will dich auf keinen Fall verletzen und ich verspreche dir, mein Bestes zu geben." äußert er mit einem ziemlich ernsten Klang, allerdings weiß ich nicht so genau, ob ich es ihm so glauben soll.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich - wie wirklich jeder andere Mensch auf dieser Welt - verletzen wird. Menschen haben die Fähigkeiten, anderen Leid zuzufügen, die es nicht verdienen, zu leben. Ich habe einen sehr großen Hass auf diese Rasse und das Schlimme an der ganzen Sache ist, dass ich zu ihnen gehöre.

Ein weiterer Grund, mich umbringen zu wollen.

„Aha.. okay..." von mir, ziemlich monoton.
Nicht einmal er wird mir dabei helfen können, mich ins Leben zurückzuholen.

„Okay Chan, ich weiß, dass du mir das nicht wirklich glaubst, weil dich viele Menschen verletzt haben und ich sage dir auch nur, dass es auch viele Menschen gibt, die einen unbeabsichtigt verletzen. Ich denke, dass ich so ein Mensch wäre und wenn ich merke, dass ich dich verletzt habe, würde ich alles dafür tun, dass wieder alles gut wird. Ich kann vollkommen, dass du sehr nachtragend und misstrauisch bist. Ich habe es in deinem Augen gesehen und..."

„... ich will dafür sorgen, dass es dir besser geht. Dürfte ich eventuell deine Nummer bekommen, damit ich dir immer schreiben kann. Ich gehe davon aus, dass wir uns nicht oft sehen werden, aber ich will, dass du mir irgendwie ein Lebenszeichen gibst. Ich will dir beweisen, dass ich für dich da sein will. Bang Chan, würdest du mir bitte diese Chance geben, dir zu beweisen, wie wertvoll das Leben ist?" predigt Felix und wirkt ernster, als er schon davor gewirkt hat. Er meint dies wirklich bitterernst.

Ich bin mir relativ sicher, dass er mir nicht helfen kann, aber er wird mich weiter nerven, wenn ich ihm die Chance nicht gebe. Noch ein letztes Mal werde ich naiv und gehe auf einen Menschen ein.

So schnell bekomme ich ihn nicht mehr vom Hals. Deswegen muss ich es noch eine Weile mit ihm ertragen und hoffe einfach, dass er mich irgendwann verletzt, damit er sieht, was er angerichtet hat.

„Okay na gut. Ich gebe dir die Chance und meine Nummer. Umbringen werde ich mich erstmal auf nicht, aber ich werde meine Meinung ändern, wenn es dazu kommen wird, dass du mich verletzt. Ich kann es nicht ertragen, weitere Messerstiche ins Herz eingerammt zu bekommen. Ich warne dich.. ich bin wirklich sehr misstrauisch." kündige ich an und krame mein Handy, welches am Bildschirm komplett zuweiset ist, raus, ehe ich es ihm entsperrt gebe.
„Speichere deine Nummer ein. Los." noch von mir, aber eher nuschelnd. Ich habe ernsthaft diese Worte zu ihm gesagt.

Es ist schon lange her, als ich mit einem Mensch so viel geredet habe. Während ich darauf warte, dass er mir mein Handy zurückgibt, nachdem er sich eingespeichert hat, atme ich paar mal ein und aus. Noch ein weiterer Atemzug, der mich realisieren lässt, dass ich noch nicht sterben kann. Der nächste Atemzug. Und noch einer. Ich wünschte, dass ich mein Leben jetzt beenden kann, doch jetzt habe ich Felix am Hals und als erstes muss ich ihn irgendwie loswerden, indem ich weiter wie ein Arschloch zu ihm bin.

Vielleicht funktioniert es sogar auch.

ᴏɴᴇ ᴍᴏʀᴇ ʙʀᴇᴀᴛʜ ᶜʰᵃᶰˡᶤˣ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt