Es kam Astoria surreal vor als sie sich mit der frischen Kanne Tee an den Esstisch setzte. Sie spürte wie ihr Vater sie im Auge behielt, während sie ihm gegenübersaß und ihm Tee eingoss.
„Schwarztee?", fragte er und sie nickte als sie sich selbst eingoss.
„Ja, deine Lieblingssorte."
„Und deine.", stellte er klar. Nun, sie hatte ihn immer getrunken, weil er ihn getrunken hatte. Er bedankte sich als sie zwei Löffel Zucker ins eine Tasse gab und sie umklammerte ihre Tasse mit ihren Fingerspitzen als er daran vorsichtig nippte. Er senkte die Tasse und sah sie wieder an. Surreal. „Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen, dass du so erwachsen bist." Sie senkte ihre Lider. „Ich meine, ich weiß natürlich wie viel Zeit vergangen ist, aber ..."
Es wirkte nicht echt. So war es ihr vorgekommen als sie ihn das erste Mal wiedergesehen hatte. Sie blickte erst auf als er mit beiden Händen über den Tisch hinweg nach ihren Händen griff.
„Du bist wieder da. Du bist wirklich, wieder hier." Ja war sie. „Seit wann?"
Sie löste sich wieder von ihm.
„Scorp kam Anfang der Ferien nach Amerika."
„Amerika also. Die Gerüchte waren also wahr."
Ja waren sie. Astoria fragte sich, woher er das gehört hatte.
„Er hat einen Antrag gestellt, um meine Adresse zubekommen. Die neue Gesetzgebung erlaubt das. Draco kam einige Tage später ebenfalls nach New York."
Sie erwähnte nicht, dass Draco nicht Bescheid gewusst hatte von Scorpius kleinen Plan. Dass er ihn eigentlich... nun was eigentlich? Holen wollte?
Sie schob den Gedanken beiseite. Es war nicht mehr wichtig.
„Wir wussten alle, dass es keine Option geben würde, dass Scorpius bei mir in den Vereinigten Staaten bleibt, aber ich wollte den Kontakt nicht aufgeben. Deshalb habe ich mich von meiner Firma versetzen lassen in die Außenstelle in London."
„Und du bist Architektin.", warf er ein und schien darüber erstaunt zu sein. „Wie hast du das ganz allein bewerkstelligt."
„Annie.", warf Astoria ruhig ein und wurde wehmütig bei den Gedanken an ihr früheres Kindermädchen.
„Dein Kindermädchen?" Sie nickte stumm. „Annie hat dir geholfen?", hakte er ungläubig nach.
Geholfen? Astoria hatte ihr alles zu verdanken. Durch sie war Astoria noch am Leben. Ohne Annie hätte sie sich etwas angetan.
„Sie hat mich bei sich aufgenommen. Mir ein Dach über den Kopf ermöglicht. Mir Kleidung gegeben. Mich versorgt."
Ohne sie wäre sie nach Scorpius Geburt direkt auf der Straße gelandet. Sie hatte niemanden mehr gehabt. Viele ihrer Freunde hatten ihr zwar geschrieben, aber wollten nicht helfen. Aus Angst, dass deren Eltern sie dann bestrafen würden. So ging es zu in diesen Kreisen und Astoria war nach diesem Skandal eine Geächtete gewesen. Mehr oder weniger. Ausgeschlossen und verdammt.
„Sie hatte Kontakte nach Amerika und da England mir keine Zukunft mehr gab, habe ich ihr Angebot angenommen und bin gegangen."
Hyperion schüttelte den Kopf.
„Und deine Mutter war sich sicher, dass du wieder zurückkommst."
Astoria unterdrückte ein Schnauben.
„Angekrochen trifft es wohl eher, oder?" Damit Astoria doch den Vertrag unterschrieb. Sich für das leichte Leben entschied. Hatte sie aber nicht getan. Nicht nachdem was ihre Mutter ihr angetan hatte. „Ich habe meinen Abschluss nachgeholt, bin an die Uni gegangen und habe mich nach meinem Abschluss schnell hochgearbeitet. Schon allein um Annie nicht mehr auf der Tasche zu liegen."
„Ich muss ihr danken.", stammelte Hyperion.
Astoria schüttelte kaum sichtbar den Kopf.
„Das kannst du nicht mehr. Sie starb letztes Frühjahr."
In Hyperions Augen regte sich etwas und sie senkte wieder den Blick. Fixierte ihre Tasse. Annie war alles für sie gewesen. Sie sah auf als er wieder nach ihrer Hand griff.
„Es tut mir leid. Es tut mir so schrecklich leid, Astoria. Du weißt nicht wie schlimm es für mich wahr, als du dich nicht gemeldet hast."
Sie schluckte den Kloß herunter.
„Du hättest mich nur Suchen müssen."
„Ich wusste nicht ... Deine Mutter ... die ganze Situation..."
„Ich war sechzehn, Dad."
Sie war praktisch noch ein Kind gewesen. Ein verdammt unreifer Teenager, der sich... verliebt hatte. Verliebt hatte wie so viele in ihrem Alter. Und wie so viele, Sex gehabt hatte. Keiner von beiden, weder Draco noch sie, hatten ein Baby geplant. Es war einfach... passiert.
„Ich war sechszehn und hätte dich verdammt nochmal gebraucht.", sprach sie weiter und spürte diesen bekannten Kummer in sich aufsteigen. „Ich meine, ich weiß, dass ich vermutlich die größte Enttäuschung in Mutter und deinem Leben bin. Aber wir haben das nicht geplant. Wir haben nicht mit Absicht euch in Verruf gebracht und... dieses Chaos angezettelt."
„Du bist keine Enttäuschung Astoria.", presste Hyperion schwer hervor.
Sie wollte das jetzt nicht hören. Ignorierte es.
„Mir den Stab auf die Brust zu setzen und Draco und mich zu einem Blutschwur zwingen zu wollen, war einfach nur grausam. Dachtest du wirklich, nur weil sie das verlangt, dass ich es tue?"
Er sagte nichts.
„Du hättest dagegen etwas sagen müssen. Du hättest dich auf meine Seite stellen müssen, wenn sie schon nicht wie eine Mutter handelt. Ich hätte euch gebraucht. Ich wollte nicht gehen. Ich wollte einfach eine Chance auf ein... normales selbstbestimmtes Leben und wer weiß, vielleicht hätten wir das alles so geschafft. Vielleicht wären Draco und ich schon verheiratet. Irgendwann, einfach so. Wenn wir alt genug sind, um die Entscheidung zu einer Ehe überhaupt für uns zu umreißen und nicht gezwungen zu werden, nur weil die mittelalterlichen Ansichten in unsren Kreisen das Vorschreiben bei der Geburt eines Kindes."
„Tori...", sprach er schwer.
„Aber du hast nichts getan. Du hast zugesehen wie sie mich wochenlang an unser Haus gehext hat. Wie sie den Kontakt zu Draco unterbrochen hat. Du hast nichts getan als sie mich mit nichts, auf die Straße geschmissen hat. Mir mein Kind, mein Fleisch und Blut, weggenommen hat. Den Kontakt zu mir allen anderen verboten hat." Und jeder hatte es... gebilligt. „Erst mein Sohn, musste alt genug werden, um euch alle auszutricksen und mich zu suchen."
Hyperion sah sie direkt an.
„Weil er so mutig ist wie seine Mutter." Ja, vermutlich. Scorpius hatte so viel von ihr. „Er ist dir in so vielen Dingen ähnlich, Astoria."
Er war ihr Sohn, natürlich war er ihr ähnlich. Viel mehr als sie vermutlich erahnte. Sie sah auf ihre Hand als er wieder danach griff.
„Ich habe Fehler gemacht. Viele Fehler Astoria, die ich nie wiedergutmachen kann." Nein konnte er nicht. So wie Draco es nicht konnte. Er ließ ihre Hand los. „Was sagt Draco zu der Sache? Steht er zu dir?"
„Wir sind zusammen.", warf eine vertraute Stimme ein und Astoria wandte den Kopf, so wie ihr Vater als Draco den Raum betrat.
Hyperion wirkte überrascht. Sah zwischen ihnen hin und her. Astoria blinzelte perplex als Draco sich zu ihr beugte und sie kurz auf den Mund küsste, bevor er sich neben sie setzte. Wie viel hatte er mitangehört?
„Deine Tochter und ich sind wieder ein Paar.", wiederholte sich Draco und Astoria merkte wie sie rot wurde, während Dracos Arm fast locker auf ihrer Stuhllehne lag. „Ich werde sie nicht mehr gehen lassen. Und ich werde mir unseren Sohn nicht wegnehmen lassen von deiner Frau." Astoria spürte so etwas wie Stärke und Stolz in sich aufkeimen. „Schluss mit diesem dummen Versteckspiel.", knurrte Draco fast und verschränkte seine Finger mit ihren.
„Du weißt, dass ich nie etwas gegen dich hatte, Draco."
Nun offensichtlich unterhielt Draco ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater. So gut eben das Verhältnis zwischen Vater und dem Freund der Tochter sein konnte, die er mit sechzehn geschwängerte hatte.
„Aber was ist mit deinen Eltern?", fuhr Hyperion fort.
„Stehen hinter uns. Ich habe das schon geklärt." Er sah Astoria direkt an. „Ich war bei ihnen."
Ihr stockte ihr Herz.
„Und?"
„Sie werden auf unserer Seite stehen. Sie haben nichts dagegen."
Sie verspürte etwas Erleichterung.
„Bleibt immer noch meine Mutter."
„Lass Eliza meine Sorge sein.", sprach Draco und Astoria zog eine Braue nach oben.
„Was hast du vor?"
Draco lächelte diabolisch.
„Sie vor vollendete Tataschen stellen." Sie verstand nicht. „Deine Mutter, muss begreifen, dass sie nichts mehr gegen uns tun kann. Sie braucht einen Dämpfer, und zwar vor aller Augen."
Hyperion runzelte die Stirn und Astoria schüttelte merklich den Kopf.
„Mir gefällt das nicht, wie du das sagst. Was hast du vor?"
Er sollte nervös sein. Angst haben, dass alles eskalieren könnte. Aber er war seltsam ruhig und gefasst. Ja fast schon vor freudiger Erwartung. Das erste Mal seit Jahren hatte er das Gefühl auf eine Zielgerade zuzugehen. Endlich die Hoffnung, dass alles... nun gut werden würde. Das hoffte er und nicht nur für sich, sondern auch für seinen Sohn und dessen Mutter. Er sah auf seine Armbanduhr und nahm erst jetzt wieder die vielen anderen Leute war, die sich in der Empfangshalle des Opernhauses drängten. Sich begrüßten, redeten und an ihren Champagnerflöten nippten. Es war die Premiere eines neuen Stückes und für Draco der richtige Aufhänger um sich mit Astoria sehen zulassen. Die Presse war da, es würde also Fotos geben und genügend Leute aus ihrem Kreis waren auch da, um schön die Sache weiterzutragen.
Astoria war von dem Plan nicht überzeugt. Überhaupt nicht. Und sie hatte vermutlich nur zugestimmt, weil Scorpius bei der ganzen Sache nicht dabei war. Er war bei seinen Freunden, so hatten sie es besprochen. Weg aus der Schusslinie. Er stellte sich gerader hin als eine bekannte Stimme seinen Namen sagte. Er wandte sich um und Eliza musterte ihn verwirrt.
„Was machst du hier?"
„Oh ich besuche das neue Stück."
Sie zog ihre Brauen nach oben, während sie über ihr dunkles Abendkleid fuhr.
„Deine Mutter hat gesagt, dass du nicht kommen würdest. Dass du dich für so etwas nicht interessierst."
Tat er auch nicht.
„Oh ich habe eine Verabredung. Meine Begleitung liebt das Theater und war schon viel zulange nicht mehr in einer Aufführung in London."
Eliza wirkte nicht begeistert.
„Du hast eine Verabredung? Mit wem?"
Er lächelte gelassen.
„Bei allem nötigem Respekt, Eliza. Du bist die Großmutter meines Sohnes. Aber was ich tue und mit wem, geht dich gelinde gesagt nichts an."
Sie presste ihre Lippen zusammen und ihre Wangen färbten sich rot.
„Du hast den Ruf meiner Familie zerstört, falls ich dich daran erinnern darf.", presste sie leise hervor.
„Das hast du selbst getan mit deiner Aktion deine jüngste Tochter auf die Straße zusetzen."
„Wie kannst du es wagen...", fing sie an und brach ab, nur um ihren Kopf höher zu heben.
„Ich habe nur eine Tochter."
„Gut.", meinte Draco gelangweilt und sah an ihr vorbei. „Dann dürfte dich das hier nicht aufregen." Er ging an ihr vorbei und damit Astoria entgegen. Sie trug ein schlichtes dunkelblaues Abendkleid. Sie war nervös, das spürte er sofort als er sie auf die Wange küsste. „Du siehst großartig aus."
„Danke.", murmelte sie und Draco verschränkte seine Finger mit ihren als Eliza auf sie zukam.
Sie kochte offensichtlich vor Wut.
„Was machst du hier?!", fragte sie aufgebracht, mit sich wohl kämpfend, dass sie nicht schrie.
„Sie ist meine Verabredung.", erwiderte Draco, bevor Astoria antworten konnte. „Und meine Freundin, falls du das auch Wissen willst."
Eliza überbrückte den wenigen Abstand.
„Du hast hier nichts mehr zu suchen."
„Falsch.", sprach Astoria so ruhig wie möglich. „Das hier, ist meine Heimat. Mein Platz. Hier wohnt meine Familie."
„Du...", fing Eliza an und Draco unterbrach sie.
„Überlege dir gut, was du als Nächstes tust und wag es ja nicht uns zu drohen mit Scorpius. Solltest du nur eine falsche Bewegung machen, ein falsches Wort, gehe ich zur Presse und trete diese Geschichte platt."
Eliza kniff ihre Lippen zusammen.
„Denn ich bin mir sicher, die meisten Mütter werden hinter Astoria stehen und ich bin mir sicher, dass deine... nette Freundin vom Familiengericht eine hübsche Untersuchung am Hals hat, wenn man erfährt, was sie mit Astoria gemacht hat. Dass sie nicht Ansatzweise versucht hat auf eine Einigung zu kommen, sondern ihr Scorpius einfach weggenommen hat."
Eliza Augen funkelten und Draco wandte sich an Astoria.
„Können wir dann? Wir haben Plätze in der Loge."
Astoria nickte dankend und Draco wandte sich mit ihr um. Die ersten Personen wandten interessiert die Köpfe, als sich die Beiden durch die Menge schoben.
„Ich danke dir.", wisperte Astoria leise und Draco führte ihre Fingerspitzen zu seinen Lippen, um sie zu küssen.
Nein, er hatte ihr zu danken. Dass sie hier war. Dass sie ihm eine zweite Chance gab und er würde sie nicht enttäuschen. Nie wieder.
DU LIEST GERADE
Gestohlenes Glück
FanfictionScorpius ist fest entschlossen seine Mutter zu suchen und sie kennenzulernen, gegen den Willen seiner Familie. Wird er die Antworten bekommen, die er sucht? (Drastoria)