Kapitel 18 | Kihyun

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(TW: anxiety, self harm / violence)

"Tötet mich, aber sperrt mich nicht ein wie ein Tier! Ich will hier raus", schrie der junge Prinz verzweifelt. Seine Hände waren schon taub und blutig, doch er schlug weiter auf die Tür mit der geballten Faust ein. Der Schmerz tat so gut. Die Holzsplitter steckten tief in Kihyun's Haut, doch er konnte nicht aufgeben. Er musste hier raus. 

Der Schweiß lief ihm über die Stirn und den Hals hinab. Hatte er etwas getan, von dem er nicht wusste? "Lasst mich hinaus!", schrie er nochmal aus Leibeskräften, doch keine Seele reagierte auf seine Rufe. Er wusste nicht, wie lange er nun schon in der Dunkelheit saß.  Jegliches Zeitgefühl war ihm entronnen. Sind nun wenige Minuten vergangen oder handelte es sich schon um ganze Tage oder gar Wochen? Er hatte das stetige Gefühl, dass die Wände näher rückten, was sein Herzschlag ins unendliche erhöhte. Diese Platzangst zerriss ihn und nahm ihm den Atem.

"Macht doch bitte die Tür auf", rief er noch einmal verzweifelt. Dann ließ er sich auf den Boden sinken. Die Stille kam augenblicklich wieder über ihn. Sie war so laut. Er wurde schier verrückt von diesen Rauschen und Dröhnen in seinem Kopf. Es sollte aufhören. Er schloß die Augen, was sich als böser Fehler herausstellte, denn die Panik kam schlimmer denn je in ihm hoch und nahm ihm den Verstand. Was war er für ein Mann? Er begann langsam verrückt zu spielen.

Der Gedanke, dass es vielleicht sein letzter Tag auf dieser Erde war lähmte ihn. Sein Kopf schien kurz vorm explodieren zu sein, er hielt es nicht mehr aus. Er schlug seinen Kopf immer wieder gegen die Wand, bis das Blut sein ganzes Gesicht überströmte. Der körperliche Schmerz war ihm eine willkommene Ablenkung und holte ihn zurück in die Realität. Er torkelte durch den Raum und schrie sich die Seele aus dem Leib, bis ihm die Stimme versagte. Er musste hier raus!

Er ließ sich wieder auf den Boden sinken und stieß ein leises Seufzen aus. Stumm starrte er in die Dunkelheit und beobachtete fasziniert die Muster und Formen, die wild vor seinen Augen tanzten. "Wie schön!", kicherte er und versuchte die Muster zu berühren, spürte jedoch nichts als Leere. Er ließ sich auf den Rücken fallen und begann hysterisch zu Lachen, als er bemerkte dass ihm sein eigenes Gehirn einen Streich spielte. Die Dunkelheit erschien ihm bedrohlicher denn je und er verstand nun Hyunwoo's Furcht vor ihr. 

Erschrocken zuckte er zusammen, als etwas kaltes über seine Brust strich. Panisch duckte er sich weg und rückte nach hinten an die Wand. War etwa der Perverse wieder da? Nun spürte er Berührung an seinem Oberschenkel, auf den er reflexartig schlug. Er erwischt aber nichts, außer seine eigene Haut. "Verschwinde", flehte er voller Angst und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Er spürte nun mehrere Berührungen an seinem ganzen Körper. Panisch versuchte er diese Berührungen durch abschütteln, schlagen, kratzen, beißen und Schreien abzuwehren, doch seine Bemühungen scheiterten kläglich. Er traf nichts außer sich selbst. Aber wie sollte hier jemand hereinkommen? Die Tür wurde seither nicht mehr geöffnet und Kihyun hatte schon die ganze Zelle mehrfach nach versteckten Ausgängen abgetastet. War hier noch etwas mit ihm eingeschlossen, was er nicht bemerkt hatte?

Zitternd tastete er jeden Zentimeter des Raum's ab, doch konnte nichts außer den Stein, den ihn umgab erfühlen. Moment! Wo war die Tür hin? Panisch tastete Kihyun nochmal die Wände ab, doch konnte kein Holz mehr erfühlen. Wollte man ihn nun lebendig begraben?

"Lasst mich raus", schrie Kihyun panisch und schlug gegen die Wand. "Ich bin euer Prinz, ich befehle es euch!" 

Keine Antwort, verdammt. "Kihyun, ich bin hier", erklang eine sanfte Stimme. "Hyunwoo?", fragte er leise in die Dunkelheit. "Hab keine Angst", hauchte die Stimme nun direkt in Kihyun's Ohr. Eine Gänsehaut überzog seine Arme und er wirbelte herum, um sich in die Arme des Älteren fallen zu lassen, doch er knallte nur gegen die Wand. 

"Hyunwoo, wo bist du?", heulte der Prinz verzweifelt, doch er erhielt keine Antwort. Schwer atmend blickte sich er sich um. Bildete er sich nun schon die Stimme des Todesboten ein? "Bitte Hyunwoo, hol mich hier raus", flehte er noch einmal und zog die Beine eng an seinen Körper. "Bitte..."

Es war so still. 

So still...

Um sich etwas abzulenken rief er sich die wenigen Küsse, die er und der Ältere austauschten in den Sinn. Hyunwoo konnte wirklich gut küssen und er schmeckte immer nach Minze. Ein kleines Lächeln überkam ihn. Irgendwie war ihr Verhältnis schon seltsam. Kihyun wusste nicht, wie er es einordnen sollte, doch im Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als in Hyunwoo's Armen zu liegen. Er vermisste Hyunwoo's Geruch, sein weiches Haar und sein hübsches Gesicht. Auch die Stimme des Älteren fehlte Kihyun schrecklich. 

Ob er hier wohl für immer bleiben muss? 

"Hyunwoo..."

Immer wieder wiederholte er den Namen des Schwarzhaarigen, bis es zu einem Mantra wurde und von den Wänden widerhallte und zu etwas grotesken, unverständlichen wurde. Es klang fast so, als wöllte er nun einen Dämonen beschwören, oder den Teufel höchstpersönlich. Seine Kehle war vollkommen ausgetrocknet und die Stimme blieb ihm weg. Er hielt es hier nicht mehr aus. Außerdem verlangte sein Magen nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit nach Nahrung. 

So still.

Kraftlos begann Kihyun zu singen. Er sang jedes ihm bekannte Lied. Er sang über die Sagen und Legenden seines Landes. Er sang Lobpreislieder der Lord's und des Königs. Auch sang er unsittliche Lieder, die er an Banketten seines Vaters mitbekam. Als ihm keine Lieder mehr einfielen, fing er an sich ein eigenes Lied zu komponieren. Ein Lied über Hyunwoo. 

Als er die letzte Strophe gesungen hatte, spürte er wieder die kalten Hände auf seiner Haut, die über seinen ganzen Körper strichen. Die Panik kam wieder in ihm auf und die Tränen rannen ihm über die Wangen zu seinen Kinn und tropften auf seine, immer noch entblößten Haut. 

"Ich kann nicht Leben in einem Loch!", schrie er kraftlos. "Yi du Bastard, mach die Tür auf, sonst werde ich mich verletzen." 

Keine Reaktion. "Fickt euch, ihr bekommt mich tot oder gar nicht!", versuchte er es nochmal, doch wieder kam keine Reaktion. Kihyun konnte nicht mehr. Er wollte hier nicht alt werden. Wenn sein Körper nicht herauskam, dann wenigstens seine Seele. 

Vorsichtig, fast ehrfürchtig strich er über sein Handgelenk. Dann führte er es zu seinem Mund und nahm es fest zwischen die Zähne. Er spürte seine Pulsader pochen und das in ihr fließende Leben. Dann biss er fest zu. Der Schmerz holte ihn zurück in die Realität. Nun widmete er sich der anderen Seite. 

Das Blut ran unaufhörlich aus den beiden Wunden. Kihyun war eigentlich kein Mann, der je darüber nachdachte, wann und wie er sterben sollte. Er schämte sich an diesem Punkt angelangt zu sein. Wie es wohl auf der anderen Seite sein wird? Und würde er vielleicht eines Tages Hyunwoo wieder treffen? Viele Gedanken schoßen ihm nun durch den Kopf, über die er sich nie weiter Gedanken gemacht hatte. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr.

Dann driftete er ab und verlor das Bewusstsein.

Ob er nun zu seinen Ahnen kam?



Jadeit | ShowKi - DISCONTINUED!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt