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"Also wirst du wohl hier bleiben müssen", schiebt er noch kleinlaut hinterher.

Nein.
Ich will das nicht.
Nicht bei ihm und dieser idotischen riesen-WG.

"Kira. Wir wollen doch nur das Beste für dich, versteh das doch bitte endlich. Es ist einfach nur traurig, dass du dich immer weiter abschottest", mein Vater lächelt mich an.
"Traurig ist das ihr alle Single seid", bemerke ich trocken.
"Ja sorry, können wir ja nichts dafür", rutscht es Dustin raus.
"Das denkt du, geh vielleicht mal zum Friseur und rasier dich, dann müsst schon eher klappen"
"Kira!", die scharfe Stimme meines Vaters die Luft.
"Is doch so...."
"Entschuldige dich! "
"Sorry", murmel ich und verdrehe die Augen.
"Oke, das hat hier so keinen Sinn mehr", Alex fährt sich nervös durch die Haare,
"Ich würd sagen wir brechen das ganze hier a-"
"Danke"
Noch bevor er ausgesprochen hat drehe ich mich um und rausche davon.

Nur diesmal nicht - wie sonst- in mein Zimmer, sondern raus auf die Straße.
Ich halts im Haus nicht länger aus.

Mein Weg führt mich zur Trauerweide.
Ich bin ewig nicht mehr dort gewesen.
Das letzte mal mit Luna.
Bah Nein, nicht an Luna denken. Nicht jetzt.

Die frische Luft hilft mir meinem einen klaren Kopf zu kriegen.

Bin ich zu weit gegangen?
Ja bin ich. Definitiv.
Ich sollte mich wirklich entschuldigen.

Mein Handy klingelt, Phil Funke.
Ich will ihn wegdrücken, doch mein Finger rutscht auf Annehmen.

"Kira Wo bist du?! Komm sofort nach Hause ich-"
"-Phil, lass sie", Alex.

Ich lege auf.

Nach Hause.
Irgendwie tut es weh ihn das sagen zu hören.
Es hört sich so an als wäre es schon komplett entschieden das ich dort bleibe.
Niemals.
Es wird alles wieder gut, Mama wird er besser gehen, ich komm von ihm weg, ich werde wieder glücklich.

Auf der Seeoberfläche spiegelt sich die Sonne, Vögel zwitschern und auf der gegenüberliegenden Blühwiese der Stadt tummeln sich Insekten. Eine Situation wie aus einem Bilderbuch, viel zu schön um wahr zu sein.
Hier ist die Welt in Ordnung.
Hier hat keiner einen Vater der sich 24/7 Sorgen macht.
Und niemand muss ich mit einer Riesen-WG rumschlagen die sich fast noch mehr Sorgen machen, allen voran ein gewisser Alexander  Hetkamp.
Warum verstehen die einfach nicht das ich nur meine Ruhe möchte.

Als ich zurück komme ist es bereits dunkel.
Mein Vater tigert nervös im Flur rum.
"Ah Kira da bist du ja wieder, endlich", er stellt sich so hin dass ich nicht die Treppe hoch kann.
Mein Blick verdüstert sich.
"Madame, wir reden, jetzt" er zeigt auf die Esszimmertür.
Oh Fuck. Madame sagt er nur wenn richtig, richtig sauer ist.
Rein theoretisch könnte ich durch die Haustüre, die ja hinter mir ist, sofort wieder verschwinden.
Aber ich hab es heute schon zu weit getrieben.
Seufzend setze ich mich an den Esstisch.
"Wo warst du?", fragt er trocken und schenkt sich ein Glas Wasser ein.
"Weg"
"Auch was?", fragt er uns stellt das Glas auf den Tisch, ich schüttle den Kopf.
Ehrlich gesagt hätte ich schon Durst, aber den Gefallen will ich ihm nicht tun.
"Kira-"
"Lass mich doch bitte einfach in Ruhe, da hätten wir beide was davon. Ich möchte nur meine Ruhe bis das ganze hier vorbei ist, ist das denn so schwer zu verstehen?"
"Wir sind hier aber nicht bei wünsch dir was", er macht eine Pause.
"Das hier nennt sich Realität. Und es ist wie es ist, du kannst den Unfall von Melissa nicht ungeschehen machen lassen, du kannst es nicht ändern das du hier bist, du kannst es nicht ändern das wir uns Sorgen machen. Egal wie du es drehst und wendest es wir immer so bleiben wie es ist. Du kannst dich gerne weiter in deinen Traumwelten verstecken, es wird aber trotzdem so bleiben! Das einzige was sich ändern wird ist das du irgendwann verrückt wirst und nicht mehr weißt was ich Realität und was Traum ist.
Akzeptier es doch einfach, bitte"
Wow.
Das so ziemlich erste mal in meinem Leben weiß ich nicht was ich sagen soll.
Ich hätte auch nie gedacht das er so austicken kann, vor allem nicht von der einen auf die andere Sekunde.
"Kira, ich",er fährt sich nervös durch die Haare.
"Ich... Ich.. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anfahren"
Ich lasse mich fassungslos wieder auf den Stuhl fallen.
Er hat Recht. Mir jedem einzelnen scheiß Wort hat er Recht.
Eine Frage interessiert mich dennoch.
"Warum bist du nicht einfach ehrlich zu mir?"
"Wie ehrlicher soll ich denn noch werden?! Du weißt alles, das es mir leid tut, das du keine andere Wahl hast, wie es wirklich um Melissa ste-", er bricht mitten im Satz ab.
Mein Herz rutscht mir in die Hose.
"Wie.. Was... Eh..Was ist mit Mama?", frage ich fassungslos.
"Sie... Sie.. Nichts ist mir ihr, Sie ist nach wie vor stabil"
"Die Wahrheit, bitte", antworte ich kalt. So viel zu Ich bin ehrlich.
Er seufzt.
"Der Hirntod wurde bestätigt"
Ich habe das Gefühl mein Herz bleibt für eine Sekunde stehen.
"Was? Wie? Warum? Wann wolltest du es mir sagen"
"Gar nicht", kommt es ziemlich kleinlaut.

Der Philosoph Erich Fromm sagte einmal, Mit der Geburt wird der Mensch… in eine Situation hinein geschleudert, die nicht festgelegt, sondern ungewiss und offen ist. Nur in Bezug auf die Vergangenheit herrscht Gewissheit, und für die Zukunft ist nur der Tod gewiss.

Asds FF//Im Schatten des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt