3. Dezember

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„Du weißt, wieso du hier bist?", wollte Nedzu wissen als seine Tür sich öffnete, während er nicht einmal von seinem Papierkram aufsah. Er hatte Shota schon am Morgen vor dem Unterricht kurz gesehen und ihn darum gebeten kurz nach dem Unterricht vorbei zu kommen, bevor er zurück ins Lehrerwohnheim kehren würde. Immerhin war der Schulleiter der Meinung, dass er seinem Angestellten und Freund genug Zeit gegeben hatte, um über etwas nachzudenken.

„Ich denke schon", seufzte Aizawa und schloss die Tür hinter sich, ehe er unschlüssig im Raum stehen blieb und auf das mausähnliche Wesen hinter dem Schreibtisch starrte. Schließlich wäre es nur logisch, dass die Schule einen ähnlichen Brief wie er erhalten hatte. Der Inhalt betraf nicht nur ihn, sondern ebenso andere Personen, wenn auch nicht so hart. Vermutlich war es einigen im Kollegium und in der Schülerschaft sogar egal, was diesen Inhalt betraf.

„Gut. Setz dich, mein Junge", meinte Nedzu, sah endlich von seinen Papieren auf und krabbelte von seinem Schreibtischstuhl, um mit Shota auf dem Sofa platznehmen zu können, „Tee?" Eine aufmerksame Frage, auf die er allerdings keine Antwort abwartete, weswegen er sofort zwei Tassen eingoss und an seinen Nebenmann reichte. Irgendwann hatte er einfach gelernt, dass man Shota oft etwas in die Hand drücken musste, und kein Nein dulden dufte. Vor allem dann nicht, wenn er etwas neben sich stand und betrübt war. Nur so konnte man ihn wirklich irgendwie aufheitern. Außerdem plauderte es sich bei einer Tasse guten Tees einfach besser. „Hast du bereits mit jemanden darüber gesprochen?", wollte er wissen, selbst wenn er die Antwort auf diese Frage schon erahnen konnte. Nicht umsonst sah der Dunkelhaarige so elend aus.

Aizawa nahm die Tasse entgegen und schüttelte den Kopf. „Nein ... ich wollte niemanden das Fest verderben", gestand er ungewöhnlich offen und ließ den Blick sinken. Seit Tagen schleppte er dieses Wissen mit sich herum, und konnte es vor allen verbergen, doch hier ließ er zum ersten Mal seine Maske sinken und ließ niedergeschlagen die Schultern hängen. Es war schwer gewesen, bisher niemanden davon zu erzählen, obwohl es schwer auf ihm lastete.

Sofort legte ihm Nedzu eine Pfote auf den Arm und tätschelte ihn tröstend. „Schon gut. Ich hätte es genauso gemacht", versicherte der Schulleiter und lächelte aufmunternd. So sehr er all seine Lehrer im Kollegium zu schätzen wusste, hatte er doch zu Shota ein engeres Verhältnis. Wie genau sich das entwickelt hatte, konnte keiner der beiden so genau benennen. Vielleicht war es auch einfach die Tatsache, dass Shota anfangs wenig mit Menschen anfangen konnte, und schon immer ein engeres Verhältnis zu Tieren, wenn auch meist Katzen, aufbauen konnte. Da Nedzu ja eigentlich ein Tier war, stand einer Freundschaft der beiden nichts im Wege, auch wenn sich Nedzu immer mehr als Vaterersatz für den Dunkelhaarigen sah, da er ihn oft aufmunterte oder zu Dingen ermutigen konnte.

Als Shota zu ihm aufsah, glänzten seine Augen leicht, und er wischte sich schnell übers Gesicht. „Ich habe in den letzten Jahren so viel gelernt und in meinem Leben geändert und trotzdem ... ich bin immer noch nicht gut genug dafür in ihren Augen!" Ein Schluchzen entfuhr ihm, was Nedzu dazu veranlasste, auf das Sofa zu steigen, um Shota kurz in den Arm zu nehmen und sanft über seinen Rücken zu streichen. „Ich weiß ... Es ist unfair", murmelte der Schulleiter. Er hatte beobachtet, wie sehr sich Aizawa gewandelt und sich angestrengt hatte, umso unfairer empfand er die Absage, die er erhalten hatte. Sie war einfach nicht gerecht, obwohl ein paar Punkte nachzuvollziehen waren. Die Entscheidung der Behörde würde sich wohl durch nichts ändern lassen.

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Um ein wenig Abstand zu gewinnen, hatte Aizawa Toshinori darum gebeten, ein wenig auf Eri aufzupassen, nachdem sie von der Schule zurückgekehrt war. Natürlich war es nicht nur, weil er ein wenig rausmusste, sondern auch weil er an einem Fall arbeitete und ein paar Recherchen gemacht werden mussten. Somit konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und auf andere Gedanken kommen. Zumindest hoffte er das.

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