Kapitel 48

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„Alles in Ordnung, Schatz?", fragte Nelatia mich besorgt. „Ich... Ich muss...", stammelte ich noch etwas unschlüssig und sah abwechselnd ihr und dann Heju in die Augen. Dabei flogen all die wunderbare Erinnerungen und Erfahrungen, welche ich als ihre Tochter hatte machen dürfen, vor meinem inneren Auge vorbei. All die Freude und die wundervolle Momente! Doch es war alles eine Lüge. Denn das war nicht wirklich ich gewesen. So sehr ich es mir auch wünschte, es war dennoch nicht die Realität gewesen. Denn ich war nicht die unschuldige Alesha. Sondern Lilith, die Prinzessin der Hölle. Noch immer war mir dieser Gedanke etwas fremd. Aber dennoch spürte ich ebenfalls, wie richtig dies alles nun endlich war. Denn schließlich war ich nun einmal diese Person und es war meine wahre Identität.


„Setz dich, Kleines!", drängte Heju mich sanft auf meinen Stuhl. Dort blieb ich für einen weiteren Moment paralysiert sitzen. Ich war Lilith! „Es tut mir so leid", schluchzte Nelatia und Heju nahm liebevoll ihre Hand. Währenddessen weinten beide leise. Einen Moment sah ich den beiden verwirrt dabei zu. Denn alles in mir war wie durcheinandergewirbelt und ich verstand die Hölle nicht mehr. Und ich verstand die Welt nicht mehr. Denn da kam ich eigentlich her: Von den Menschen. Ich gehörte zu dieser furchtbaren Rasse! Bei der Feoni jetzt leben musste!


Als ob ein Blitz durch mich fahren würde, stand ich plötzlich und abrupt von meinem Stuhl auf. Dabei waren meine Augen weit aufgerissen, denn plötzlich wurde mir alles wieder klar. Feoni war auf der Erde, obwohl er nicht einmal seine Kräfte hatte! Und ich war Lilith und musste mit Lucifer reden! Denn er würde ihn zurückholen können! Und insbesondere da auf der Erde die Zeit zehnmal schneller schnell vorbei ging, als hier in der Hölle, hatte ich absolut keine Zeit zu verlieren.


Zitternd und schwach stand Nelatia auf, um mich zu umarmen. Mittlerweile weinten die beiden hemmungslos und ohne Zurückhaltung. Denn sie hatten das Leben ihres Sohns aufgegeben. Und wer konnte es ihnen bei diesem Gedanken verübeln? Schließlich hätten sie dann ihre beide Kinder an die Menschen verloren! Doch ich konnte mich mit diesem Gedanken absolut nicht abfinden. Denn ich wollte es wirklich nicht! Stattdessen würde ich Feoni zurückholen und diese Familie würde endlich wieder glücklich zusammenleben können! So wie sie es auch sollten! Sie hatten alles Glück der Hölle mehr als nur verdient! Und auch alles Glück der Erde. Auch wenn diese Redewendung gerade wohl alles andere als angebracht war. Denn diese wundervollen Dämonen hatten mehr als genug Schaden und Verluste durch die Menschen erleiden müssen! Und ich selbst war mindestens genauso schuld daran! Denn ich hatte mich keineswegs besser verhalten. Doch nun musste ich es wieder gut machen und unbedingt Feoni retten!


Auch wenn sich meine Gedanken im Kreis drehten und immer wieder wiederholten, so war dies dennoch sehr wichtig für mich. Denn so wurde ich mir über die Realität und die Fakten besser bewusst. Und genau deswegen wich ich ruckartig zurück, als Nelatia versuchte, mich zu umarmen. Denn ich konnte es einfach nicht ertragen. Ich konnte ihr schlichtweg nicht in ihre wunderschönen blutroten Augen schauen. Diese gütigen Augen, welche mir so viel gegeben hatten. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, wie viel Schuld ich auf mich geladen hatte. Und ebenfalls nicht, wie sie mich anschauen würde, wenn sie die Wahrheit erfahren würde. Daher hoffte ich inständig, dass sie es niemals herausfinden würde. Doch dann seufzte ich leise und niedergeschlagen. Denn ich wusste ganz genau, dass es früher oder später jeder mitbekommen würde. Es konnte gar nicht anders sein! Dennoch wollte ich dies so lange wie möglich hinauszögern.


Als ich von ihr zurückwich, sah mich Nelatia völlig entsetzt an. Ihr Blick wirkte dabei nochmals deutlich verletzter, als bereits zuvor. Es brach mir beinahe das Herz, sie so sehen zu müssen. Doch ich konnte mich einfach nicht in ihre Arme legen, sie Ma nennen und vortäuschen, dass alles okay wäre. Oder dass meine einzige Sorge Feoni sei und dass wir ihn niemals wiedersehen würden. Das wollte, konnte und würde ich niemals akzeptieren! Daher ging ich schnellen Schritts aus dem Haus hinaus und ließ die beiden Wächter einfach verdutzt hinter mir zurück. Immerhin hatte ich ihnen dabei den Rücken zugewandt und musste dadurch ihre enttäuschten Blicke nicht ertragen.

Die Prinzessin der Hölle - Das Erwachen der FlammeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt