| Emma |
In den letzten Wochen hatte ich es kaum glauben können, wie reibungslos und erfüllend mein Leben plötzlich war. Ich tat, was ich wollte und nicht mehr das, was ich selbst immer von mir erwartet hatte. Diese neue Einstellung hatte mich so hoch fliegen lassen, dass ich immer schon geahnt hatte, der nächste Absturz würde nicht lange auf sich warten lassen - und er kam.
Ich war zwar nicht hart auf dem Boden aufgeschlagen, doch ich wurde daran erinnert, weshalb ich überhaupt so sehr mit mir zu kämpfen hatte und kam unerwartet ins Schwanken.
Meine Mutter hatte von sich hören lassen, was in etwa einmal im Jahr passierte. Es waren heuchlerische Nachrichten, in denen sie sich nach mir erkundigte und dabei anmerkte, dass ich mich offenbar von meiner eigenen Mutter abkapseln wollte. Man musste nicht besonders zwischen den Zeilen lesen, um den Vorwurf darin zu erkennen. Und wer meine Mutter kannte, las auch heraus, dass sie sich subtil danach erkundigte, ob ich ihr aus der Klemme helfen konnte.
Harry mit seiner Bilderbuch-Mutter zu sehen, hatte nicht zu meiner Stimmung beigetragen. Ich wollte nicht mehr so verbittert und urteilend sein, doch was seine Familiensituation anging, war ich mir sicher, dass Harry nicht in der Position war, sich zu beschweren.
Alleine die Nachricht von meiner Mutter hatte gereicht, um mich frustriert in meinem Hotel zurückzulassen. Harrys gestrige Show hier in London zu fotografieren, war zwar eine willkommene Ablenkung und hatte meine Stimmung kurzzeitig gehoben, doch nun lag ich wieder hier auf meinem Hotelbett. Ich ärgerte mich über meine Mutter, noch mehr aber über mich selbst, weil ich mich davon immer noch so beeinflussen ließ.
Das Klingeln des Telefons auf meinem Nachttisch ließ mich erschrocken zusammenzucken. Daran, wie all das hier im Hotel funktionierte, hatte ich mich immer noch nicht gewöhnt. Vor der Arbeit mit Harry war ich noch nie in einem Hotel untergebracht gewesen. Ich hatte bislang weder die Gelegenheit dazu gehabt, noch das nötige Geld - schon gar nicht für Luxus-Absteigen, wie sie mir Harry ermöglichte.
Er schenkte mir eine Menge erste Male. Ich war zum ersten Mal glücklich mit dem, was ich tat. Ich durfte zum ersten Mal in einem Flugzeug sitzen. Und ich war zum ersten Mal in London. Ich musste ihm unsagbar dankbar sein, doch das war etwas, was ich noch weit weg von mir schob. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass es mir inzwischen leichter fiel, all diese Dinge anzunehmen, denn mit jedem Tag wurde ich sicherer, dass Harry all das gerne für mich tat.
„Ja, bitte?", nahm ich zögerlich den Anruf entgegen, nachdem ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wie man sich auf einem Hotelzimmer am Telefon meldet. Ich wusste noch nicht einmal, ob ich hier eine tatsächliche Telefonnummer hatte, oder nur innerhalb des Hotels telefonieren konnte.
„Miss Reynolds, Sie werden in der Lobby erwartet", flötete die überfreundliche Stimme einer Dame in den Hörer.
Irritiert runzelte ich die Stirn. Ich hatte heute keine Termine. Harry hatte mir noch zwei freie Tage in London ermöglicht, ehe ich wieder zurück nach New York fliegen sollte. Diese hatte ich eigentlich nutzen wollen, um mir die Stadt, von der ich niemals gedacht hätte, sie je zu sehen, zu erkunden.
„Von wem, wenn ich fragen darf?", hakte ich bei der Rezeptionistin nach.
„Ein junger Mann namens Mr. Generous fragte nach Ihnen. Er sagte, er wäre Ihr Boss."
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder genervt mit den Augen rollen sollte, also tat ich beides.
„Danke, ich bin gleich da."
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Big Tip || h.s. ✓
Fanfic»Mein ganzes Leben besteht aus Erwartungen! Nicht aus meinen Eigenen, ich erwarte längst nichts mehr von mir. Aber jeder Andere sieht mich an und glaubt zu wissen, was er von mir verlangen kann. Du denkst vielleicht, es wäre schlimm, dass die Leute...