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Auf dem Heimweg schneite es wieder. Dicke weiße Flocken trudelten vom Himmel und schmolzen auf meiner Haut. Yoongi hatte schließlich bezahlt und war gegangen, als er bemerkt hatte, dass ich für ein weiteres Gespräch nicht bereit gewesen war.

Schniefend zog ich die Nase hoch. Von der Kälte bekam ich immer so schnell Schnupfen und ich war mir sicher, dass sich meine Wangen bereits rosig gefärbt hatten.

Ich blieb stehen, um ein Taschentuch aus meiner Jackentasche hervorzukramen. "Du bist doch dieser armselige Typ, der beim Bäcker arbeitet." Heftig zuckte ich zusammen und fuhr ruckartig herum. Schon wieder diese unfreundliche Kundin. Was wollte sie bloß von mir? Ich hatte ihr doch nichts getan! Aber anscheinend war ich dieses potentielle Opfer. Vielleicht hatte ich einfach diese Ausstrahlung.

Die Frau war nicht alleine. Ein kräftiger Typ stand neben ihr und hielt ihre Hand.

Unsicher machte ich ein paar Schritte rückwärts, stolperte über die Bordsteinkante des Bürgersteigs und landete unsanft auf der Straße.

Die gemeine Kundin lachte. "Was für ein erbärmlicher Mensch." Schluckend blickte ich zu Boden.

"Soll ich ihm eine Abreibung verpassen?" Das war ihr Begleiter. Meine Finger krallten sich in meine Jackenärmel und ängstlich biss ich mir auf die Unterlippe.

"Ja, mach ruhig."

Der Typ ergriff mich am Kragen und zerrte mich von der Straße. Dann gab er mir eine feste Ohrfeige ins Gesicht, sodass mein Kopf zur Seite flog.

Leise wimmerte ich. Aber ich wehrte mich nicht. Denn ich wusste, dass das alles nur noch schlimmer machen würde.

Panik und Angst herrschten in mir. Tränen traten mir in die Augen, als ich zurück auf den Boden gestoßen wurde und mir den Kopf auf dem Stein anschlug. Das würde eine dicke Beule geben. Heftig traten mir die Beiden in Bauch und Seite, während ich mich heftig zitternd zusammenkrümmte.

Was hatte ich ihnen getan?

Immer mehr Tränen flossen aus meinen Augen, während ich die Tortur still über mich ergehen ließ, so, wie ich es immer tat, wenn diese Welt mir wieder so etwas Grausames antat. Denn anscheinend verdiente ich es so bestraft zu werden, wenn es immer wieder passierte. Anscheinend war irgendetwas falsch an mir, weshalb die Menschheit mich so hasste.

Irgendwann fanden sie es nicht mehr lustig mir wehzutun. "Nicht einmal schreien kannst du, Loser." Die Frau spuckte mir ins Gesicht und ging.

Ein schmerzerfüllter Laut kam über meine Lippen, als ich mich langsam aufrichtete und mir den Speichel aus dem Gesicht wischte.

Unbeholfen kam ich auf die Beine und setzte humpelnd meinen Weg nach Hause fort. Mit gesenktem Kopf, damit niemand der Passanten, denen ich begegnete, sah, was für eine Heulsuse ich war.

Und niemand von ihnen hatte Anstalten gemacht mir zu helfen.

Ein trockenes Schluchzen entfloh mir und mein ganzer Körper schmerzte.

Aber ich würde damit fertig werden. Denn ich war diese Schmerzen schon viel zu gewohnt. Zum Glück war es nicht mehr weit bis nach Hause.

Immer noch konnte ich nicht aufhören zu schluchzen, als ich die Haustür aufschloss und das Treppenhaus betrat. Meine Schluchzer hallten von den kalten Steinwänden und prallte an den steinernen Stufen der Treppe ab.

Mit einem leisen Knall fiel die Haustür hinter mir ins Schloss und ich schleppte mich irgendwie die Treppe hoch.

Mit zitternden Händen fummelte ich meine Schlüssel aus meiner Jackentasche, doch meine Sicht verschwamm aufgrund meiner Tränen, sodass ich es nicht schaffte den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Frustriert ließ ich den Schlüsselbund einfach fallen und er kam mit einem Klirren auf dem Steinboden auf.

Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen und versuchte gar nicht mehr mein bitterliches Weinen aufzuhalten.

"Jimin?" Ich hörte das Klicken von Yoongis Wohnungstür, als er sie öffnete, vermutlich, um den Kopf hindurchzustecken und mir zu sagen, dass ich gefälligst leise sein sollte.

Ich antwortete nicht sondern stand einfach nur mit gesenktem Kopf da, während meine Tränen über meine geschundenen Wangen kullerten und auf den Boden tropften. Mein ganzer Körper tat so weh. Ich wollte, dass es aufhörte!

Eine Hand legte sich zögerlich auf meinen Rücken und ich zuckte zusammen, bevor ich mich auf den Boden fallen ließ und schützend die Hände vor das Gesicht hielt. Jetzt wollte er mir auch noch wehtun. Wimmernd krümmte ich mich auf dem kalten Steinboden zu einem Ball zusammen. Mir tat doch sowieso schon alles weh! Warum jetzt, Yoongi?

Konnte er mich nicht verprügeln, wenn mein Körper sich wenigstens etwas hatte erholen können?

Sein Schatten fiel auf mich, als er sich zu mir herunterbeugte. "Jimin? Hey... Ich tu dir doch nichts..." Der Schlüsselbund klirrte, anscheinend hatte Yoongi ihn aufgehoben. Kurz darauf vernahm ich das Klicken meiner Wohnungstür. Schon klar. Er wollte mich in meiner Wohnung verprügeln, damit es niemand mitbekam.

Um es schnell hinter mich zu bringen, kroch ich einfach in meine Wohnung, wo ich im Flur wieder zusammenbrach und mit geschlossenen Augen darauf wartete, dass er mir wehtun würde.

Doch der Braunhaarige machte nichts. Wollte er mich so quälen? Wollte er, dass mich die Angst fertig machte, bevor er mir den Rest geben würde?

"Jetzt mach doch endlich", schluchzte ich. "Was soll ich machen?" Er wollte mich erniedrigen! "Verprügel mich! Dann habe ich es wenigstens hinter mir", schniefte ich.

Er beugte sich erneut zu mir herunter. Fest kniff ich die Augen zusammen und spürte tatsächlich wenig später seine Hand auf meiner Wange. Aber er schlug mich nicht. Stattdessen strich er sanft mit dem Daumen über die wunde Haut.

"Warum denkst du denn sowas?"

Er hockte sich neben mich und wischte meine Tränen weg. Verwirrt öffnete ich die Augen. "Alle wollen mir doch wehtun", sagte ich verwundert. "Ich bin doch die perfekte Zielscheibe für sie." Was wollte er mit seinem seltsamen Verhalten erreichen? Es gab niemanden, der mich mochte!

"Ich will dir nicht wehtun, Jimin", sagte er sanft. Frische Tränen strömten über meine Wangen. "Lüg doch nicht", wimmerte ich. "Ich bin abscheulich, natürlich willst du mir wehtun! Sieh mich doch an!"

Der Ältere zog mich sanft etwas hoch, bevor er stumm seine Arme um mich schlang. Ich erstarrte. Warum berührte er mich? Ich war ekelig! Schnell wand ich mich aus seinen Armen. "N-nicht berühren", stotterte ich.

Seine dunklen Augen musterten mich mitleidig. "Warum? Ich verspreche dir, dass ich dir nicht wehtun werde! Aber du siehst aus, als würdest du dringend eine Umarmung brauchen!"

Ja. Vielleicht sehnte ich mich ganz insgeheim danach, dass seine Worte wahr wären. Dass er mich ohne gemeine Hintergedanken in den Arm nehmen würde, weil ich es so sehr brauchte! Weil ich eine Stütze brauchte, da ich kurz vor dem Zusammenbrechen war.

"Ich bin nicht gut genug", murmelte ich. "Ich bin zu ekelig."

Seine Augen verdunkelten sich. Dann schlang er erneut seine Arme um mich. "Oh nein, Jimin! Das bist du nicht! Glaub mir."

Aber ich konnte ihm nicht glauben, da ich jegliches Vertrauen in meinen Mitmenschen schon lange verloren hatte.

𝐒𝐄𝐋𝐅 𝐂𝐎𝐍𝐅𝐈𝐃𝐄𝐍𝐂𝐄 【𝐘𝐨𝐨𝐧𝐦𝐢𝐧】 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt