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Es war warm, als ich aufwachte. Zum ersten Mal seit Wochen fror ich nicht, als ich die Augen öffnete. Ich lag in Yoongis Armen und hatte mich eng an ihn gekuschelt. Sehr genoss ich die Wärme, die er mir schenkte.

Der Ältere regte sich langsam und blinzelte. "Hi", flüsterte ich. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. "Hey." Seine Stimme klang kratzig und verschlafen. "Du zitterst endlich nicht mehr", freute er sich und richtete sich etwas auf.

Ich biss mir verlegen auf die Unterlippe und nickte. "Du hast mich warmgehalten."

Yoongi kicherte. "Wir sollten öfter miteinander kuscheln." Aus dem Konzept gebracht drehte ich den Kopf weg und spürte, wie sich meine Wangen erhitzten. "W-wenn es dich nicht stört." Denn er vertrieb nicht nur die Kälte, sondern auch die Einsamkeit.

Er schmunzelte. "Nein, es stört mich nicht..." Er streckte sich. "Ich hab Hunger, kommst du Frühstücken?" Ich nickte, auch, wenn ich nicht vorhatte etwas zu essen.

"Darf ich die Decke mitnehmen?", fragte ich schüchtern. Der Ältere nickte. "Klar."

Er stand auf und richtete sich die verwuschelten Haare vor dem Spiegel, der an seinem Kleiderschrank hing. Ich wickelte mich in die Decke, die noch angewärmt war, wo sie auf Yoongi gelegen hatte. Dann huschte ich an dem Schlafzimmerspiegel vorbei, ohne einen Blick hineinzuwerfen.

Meinen Anblick konnte ich einfach nicht ertragen.

Yoongi hatte mein Verhalten beobachtet und schenkte mir ein trauriges Lächeln. "Du kannst deinen Anblick wirklich nicht leiden, hm?"

Unsicher zog ich die Schultern hoch und nickte.

Nervös setzte ich mich auf einen von Yoongis Küchenstühlen und zog die Decke enger um mich.

"Möchtest du Kaffee haben?" Ich nickte. Sein verwunderter Blick streifte mich. "Ich hätte dich eher als Kakaomenschen eingeschätzt." War das jetzt gut oder schlecht? Ich zögerte.

"Kakao hat zu viele Kalorien", nuschelte ich dann.

Darauf antwortete der Ältere nicht. Stumm kochte er den Kaffee auf und goss ihn wenig später in zwei Tassen.

"Und was willst du essen?", fragte er schließlich die Frage, vor der ich mich bereits gefürchtet hatte. "Nichts", antwortete ich. "Ich will nichts essen."

Er setzte sich mir gegenüber. "Okay dann esse ich auch nichts." Verwundert stellte ich meine Kaffeetasse auf dem Tisch ab. "Aber du hattest doch Hunger." Wie zur Bestätigung knurrte sein Magen.

Er zuckte mit den Schultern. "Wenn du nichts isst, dann will ich auch nicht." Das war eine gemeine Taktik! Ich schmollte.

"Okay ich esse was." Sein Gesicht hellte sich auf. "Ich mache dir was. Was hältst du von Apfel? Der ist kalorienarm." Woher wusste er das überhaupt? Ich nickte.

Wenig später biss Yoongi in einen Toast mit Nutella, während ich mit einer Kuchengabel in dem Schüsselchen herumstocherte, in dem sich Apfelstückchen befanden. Schließlich schob ich es seufzend fort. "Tut mir leid. Ich kann das nicht."

Der Ältere sah auf und musterte mich aufmerksam. "Mach dir selber nicht so viel Druck. Lass dir Zeit. Du hast Zeit, okay?"

Ich schluckte und betrachtete die Schüssel, die ich fortgeschoben hatte. "I-ich will das nicht."

Denn ich würde zunehmen und hässlich werden.

Meine Zähne gruben sich in meine Unterlippe und ich versuchte mal wieder die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

"Tut mir leid", hauchte ich.

Yoongi stand auf und umrundete den Tisch, um mich sanft zu umarmen. Ich zuckte leicht zusammen, aber dann legte ich meinen Kopf auf seiner Schulter ab.

"Es ist nicht deine Schuld, Jimin. Du musst dich nicht entschuldigen", sagte er mit belegter Stimme. "Es tut mir leid, dass ich dich so unter Druck gesetzt hab." Aber warum denn? Eigentlich war Essen etwas Selbstverständliches. Er konnte durchaus von mir erwarten, dass ich etwas aß.

Denn ich stellte mich doch nur dumm an.

Stumm presste ich mein Gesicht in sein Pyjama Oberteil und langsam fing ich trotz der Decke wieder an zu zittern.

Seufzend zog Yoongi mich auf die Beine, nahm mir die Decke weg, aber nur, um sich auf meinen Stuhl zu setzen, mich auf seinen Schoß zu ziehen und dann die Decke wieder über uns auszubreiten. "Besser?" Ich nickte.

Zum Glück hatte ich heute keine Schicht in der Bäckerei.

Seine Arme schlangen sich wieder um mich.

"Ich kann jeden deiner Knochen spüren", murmelte er. "Du bist so verdammt dünn."

Ich wimmerte und schmiegte mich enger an ihn. "Tut mir leid", sagte ich erneut. Denn ich hatte mich so daran gewöhnt mich für meine Makel zu entschuldigen, selbst, wenn es welche waren, die ich noch nicht als Makel wahrgenommen hatte.

"Ich habe dir doch schon gesagt, dass es nicht deine Schuld ist!" Aber das war es doch! Schließlich hatte ich mich doch heruntergehungert, sodass ich jetzt so aussah und ihn mit meinem Körper unzufrieden gemacht hatte. Das war ganz alleine meine Schuld!

Doch ich schwieg und sagte nichts mehr.

"Was hältst du davon ein Apfelstück zu essen? Nur eins", fragte er vorsichtig. "Ich helfe dir auch dabei."

Wie wollte er mir dabei helfen? Zögerlich stimmte ich seinem Vorschlag zu.

Also zog er die Schüssel heran und spießte ein kleines Apfelstück auf die Kuchengabel. "Von diesem kleinen Stück wirst du absolut gar nicht zunehmen, versprochen!"

Ängstlich kniff ich die Augen zusammen und öffnete den Mund.

Der Geschmack des Apfels breitete sich auf meiner Zunge aus und langsam kaute ich die Frucht, bevor ich mich bemühte sie herunterzuschlucken.

Dann hatte ich es geschafft. Ich fühlte mich elendig, doch Yoongi legte die Kuchengabel auf dem Tisch ab und schlang wieder beide Arme um mich. "Ich bin stolz auf dich."

Ein erstickter Laut kam von mir. "Lüg doch nicht... Ich bin erbärmlich", krächzte ich und krallte meine Fingernägel in meine Hose. Wie konnte er nur behaupten er sei stolz auf mich? Ich hatte lediglich ein mickriges Apfelstückchen gegessen, für Andere war das eine Selbstverständlichkeit!

Ein trauriges Seufzen entwich dem Älteren.

"Jedes Mal, wenn ich etwas Positives über dich sage, glaubst du mir nicht. Wo ist dein Selbstvertrauen hin? Früher hast du davon nur so gestrotzt."

"Das ist doch normal bei Grundschulkindern. Sie sind so unwissend...", murmelte ich.

Ein bitterer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Mir war übel.

Doch ich wusste, dass ich nicht schon wieder direkt nach dem Essen ins Bad konnte, dann würde Yoongi Verdacht schöpfen.

Also schmiegte ich mich stattdessen in die Arme des Älteren, um wenigstens etwas Trost zu finden.

"Wenn ich zu anhänglich werde und nerve, sagst du aber Bescheid, ja?", nuschelte ich. Er gab ein zustimmendes Brummen von sich und legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab.

𝐒𝐄𝐋𝐅 𝐂𝐎𝐍𝐅𝐈𝐃𝐄𝐍𝐂𝐄 【𝐘𝐨𝐨𝐧𝐦𝐢𝐧】 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt