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Ganz sanft schlangen sich seine Arme um mich und ich schmiegte mich zitternd an ihn.

"Es tut mir wirklich leid", wisperte er. "Ich wollte dir keine Angst machen."

"Ich weiß", antwortete ich. "Es ist schon okay. Mach dir nicht so einen Kopf, Hyung!" Zaghaft schlang ich meine Arme ebenfalls um ihn.

Als wir die Umarmung wieder lösten, fiel mein Blick auf die Uhr an der Wand. "In fünf Minuten habe ich Schichtende. Wollen wir zusammen nach Hause gehen?" Mit diesem Vorschlag wollte ich ihm klar machen, dass ich ihm wirklich nicht böse war.

Der Ältere nickte zerknirscht.

"Iss dein Croissant und trink deinen Kaffee, ja? Du hast schließlich dafür bezahlt", stupste ich ihn in die Seite. Yoongi folgte meiner Aufforderung und setzte sich wieder auf den Barhocker.

Die letzten fünf Minuten gingen schnell vorbei und schnell wusch ich mir noch die Hände und hängte die Schürze weg, bevor ich zu dem Braunhaarigen trat, der seinen Kaffee ausgetrunken hatte und den letzten Bissen seines Croissant aß.

Er schenkte mir ein zaghaftes Lächeln, welches ich genauso zurückhaltend erwiderte. "Können wir?"

Ich nickte.

Yoongi stand auf und gemeinsam verließen wir die Bäckerei.

Der Schnee war geschmolzen, die Luft hatte sich etwas aufgewärmt und trotz meiner dicken Jacke fror ich. Wie immer eigentlich.

Bald war Weihnachten und ich hoffte, dass der Schnee bis dahin wieder fallen würde, denn eigentlich war Weihnachten ohne Schnee kein richtiges Weihnachten.

"Hast du heute schon etwas gegessen?", fragte der Ältere vorsichtig.

Mit gesenktem Kopf zuppelte ich an meinen Jackenärmeln herum und schwieg. Warum interessierte ihn das so? Es war doch egal wie viel ich aß, oder nicht? Das musste ihn doch nicht kümmern.

Ein leises Seufzen entglitt ihm. "Ist schon okay, Jimin. Wir bekommen das hin."

Wir? Für mich hatte es schon so lange kein 'wir' mehr gegeben. Immer nur ein 'ich' und 'du'. Nicht sicher, was ich davon halten sollte, biss ich mir auf die Unterlippe.

"Hast du schon mal überlegt dir Hilfe zu holen? Professionelle Hilfe meine ich." Aber warum denn? Ich brauchte doch keine professionelle Hilfe!

"Wieso denn?", fragte ich verwundert.

"Jimin Bist du schon mal auf den Gedanken gekommen, dass du eine Essstörung hast?"

Eine Essstörung? Nein. Denn dann wäre ich zu dünn. Aber ich sah nur Fett an mir. Und nur, weil ich eine Diät machte, hieß es doch nicht gleich, dass ich magersüchtig war. Ich hatte definitiv keine Essstörung, was redete er denn da?

"Habe ich nicht."

Dann herrschte Schweigen und es gefiel mir nicht, denn es wirkte, als würde Yoongi mir etwas sagen wollen, aber es schien als würde er die Worte zurückhalten.

"Wir essen gleich eine Kleinigkeit zusammen, okay?"

Ich wollte nicht! Doch ich konnte ihn auch nicht enttäuschen, denn er war doch der einzige Mensch, der nett zu mir war, auch wenn die Gründe für mich unerklärlich waren.

"Eine Kleinigkeit."

Er schien sich wirklich darüber zu freuen. Dabei hatte ich doch gar keine Essstörung!

Ich wurde von einem plötzlichen Schwindelanfall erfasst und musste stehenbleiben, da sich alles um mich herumdrehte.

Verwirrt drehte Yoongi sich zu mir um. "Ist alles in Ordnung?" Nein!

"Ja, gib mir nur einen Moment."

Ich versuchte durchzuatmen und langsam ließ der Schwindel wieder nach. Erleichtert atmete ich auf und setzte mich wieder in Bewegung, um zu Yoongi gelangen, doch dann ergriff mich ein weiterer Schwindelanfall und ich stolperte.

Der Ältere reagierte schnell und fing mich auf. "Was ist los, Jimin? Du bist ja noch bleicher geworden", sagte er besorgt.

Noch bleicher? Fand er mich zu bleich?

"Mir ist nur ein bisschen schwindelig", gab ich zu. "Hab nicht so viel geschlafen, weißt du."

Yoongi seufzte und strich mir über die Wange. "Du solltest wirklich mehr auf dich selber achtgeben", murmelte er besorgt. Ich kicherte. "Es ist komisch sowas zu hören."

Das traurige Funkeln in seinen Augen verstärkte sich. "Ich kann nicht verstehen, wie grausam diese Welt zu dir ist, Jimin. Du hast etwas so viel Besseres verdient!"

Verlegen blickte ich weg. "Gar nicht wahr! Ich verdiene es gehasst zu werden", nuschelte ich. "Schließlich bin ich ich."

"Und was soll daran falsch sein du zu sein? Ich mag dich, weil du genau die Person bist, die du bist! Wärst du eine andere Person, würde ich dich glaube ich nicht mögen. Jedenfalls nicht so gerne." Verwirrt blinzelte ich. "Man kann mich nicht mögen", gab ich langsam von mir.

Der Ältere blieb daraufhin stumm. Ich wand mich aus seinen Armen und hielt mich wieder wankend auf meinen eigenen Füßen.

"Kommst du? Mir ist kalt!"

Yoongis Blick lag auf mir und ihm entging nicht wie wackelig ich auf den Beinen war. Warum schaute er so besorgt? Ich verdiente seine Sorge doch gar nicht! Er nickte zur Antwort auf meine Frage und holte schnell zu mir auf, bevor er sich stützend bei mir einhakte.

Seine Fürsorge verwirrte mich wirklich. Doch ich ließ zu, dass er mir half. Denn irgendwie war ich auf seine Hilfe angewiesen.

"Gehen wir zu mir? Wir könnten noch ein bisschen Fernsehen schauen, oder so, wenn wir gegessen haben."

Ich mochte seine Wohnung sowieso lieber als Meine. Sie kam mir wärmer und gemütlicher vor, während meine eigene Wohnung mit Kälte und Einsamkeit gefüllt zu sein schien. Also stimmte ich zu.

Die Treppe hoch musste der Ältere mich halb tragen, da ich andauernd über die Stufen stolperte. Doch es schien ihn nicht zu stören, denn er beklagte sich nicht. Trotzdem fühlte ich mich schlecht eine derartige Last für ihn zu sein.

Als wir endlich vor Yoongis Wohnungstür standen, war ich ganz außer Atem. Ich sollte dringend anfangen Sport zu treiben, denn meine Kondition war außerordentlich schlecht, doch ich wusste, dass mir die Energie dafür fehlte. Ich würde mich niemals dazu aufraffen können Sport zu machen, dafür fühlte ich mich viel zu ausgelaugt und erschöpft.

Er schloss auf und ich stolperte über die Türschwelle.

Doch mal wieder bewahrte der Ältere mich davor unsanft zu fallen.

"Tut mir leid, ich bin echt tollpatschig", entschuldigte ich mich, denn so musste es wohl sein, wenn ich andauernd stolperte und nicht einmal anständig laufen konnte.

"Tollpatschig", echote er und auf seinen Lippen lag ein schwaches Lächeln, welches gar nicht zu dem traurigen Funkeln in seinen Augen passte.

𝐒𝐄𝐋𝐅 𝐂𝐎𝐍𝐅𝐈𝐃𝐄𝐍𝐂𝐄 【𝐘𝐨𝐨𝐧𝐦𝐢𝐧】 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt