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"Park Jimin bitte."

Ich biss mir auf die Unterlippe und stand auf. "Kommst du mit?", bat ich Yoongi nervös. Er nickte und erhob sich ebenfalls von seinem Stuhl. "Natürlich. Wenn du das möchtest."

Erleichtert nickte ich. "Danke, Hyung."

Gemeinsam betraten wir das Sprechzimmer und wurden von einer freundlich lächelnden jungen Frau empfangen, die uns die Hand entgegen hielt. Yoongi nahm ihre Hand und schüttelte sie, während ich darauf achtete auf Distanz zu bleiben.

"Hallo, ich bin Dr Kim", stellte sie sich vor.

"Park Jimin", murmelte ich leise und griff nervös nach Yoongis Hand. Er erwiderte meinen Händedruck beruhigend. "Min Yoongi. Ich bin hier, um meinen Freund zu unterstützen."

"Es ist schön Sie Beide kennenzulernen, nehmen Sie doch bitte Platz."

Dr Kim wies auf drei Stühle, die um einen kleinen Glastisch, auf dem ein paar Zettel herumflogen, herum aufgestellt waren. Mit wackeligen Beinen ließ ich mich von Yoongi dorthin ziehen.

"Okay, Herr Park. Hier steht, dass sie unter Anorexie leiden, stimmt das?" Ich zuckte mit den Schultern. "Ich glaube schon", gab ich unsicher zu.

"Ist es okay, wenn ich Ihnen ein paar Fragen dazu stelle?" Zum Glück hatte mein Begleiter meine Hand nicht losgelassen, sodass ich etwas Mut fassen konnte. Ich war nicht alleine hier.

Zögerlich nickte ich.

"Wie genau ist ihr Essverhalten? Beschreiben Sie es bitte."

Ich schluckte und drückte Yoongis Hand so doll, dass es ihm bestimmt wehtat, doch er gab keinen Ton von sich. "I-ich esse nur, w-wenn ich gezwungen werde", sagte ich leise. "U-und meistens kotze ich es d-danach wieder aus."

Ihr mitfühlender Blick lag auf mir. "Okay. Und wie lange tun Sie das schon?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Ein Jahr vielleicht. Vielleicht auch länger."

Frau Kim machte sich zu jeder meiner Aussagen Notizen. Verurteilte sie mich jetzt? Hasste sie mich jetzt, wie Jeder außer Yoongi es tat?

"Gibt es dafür einen Auslöser?" Langsam nickte ich und schluckte erneut schwer.

"I-ich wurde in der Highschool gemobbt", wisperte ich. "Und meine Eltern sind auch nicht so nett zu mir, wissen Sie? I-ich bin einfach n-nicht gut genug..."

"Nicht nur in der Highschool", warf mein Begleiter ein und mein Blick schnellte zu ihm. "Auf seinem Arbeitsplatz wird er auch immer wieder verbal schlecht behandelt, eine seiner Kundinnen hat ihn sogar auf dem Heimweg verprügeln lassen."

Beschämt senkte ich den Kopf und nickte.

"Keine Sorge... Wir werden das schon hinkriegen, Herr Park. Es ist in Ordnung. Niemand in diesem Raum verurteilt Sie", sagte Frau Kim sanft zu mir.

"Gibt es neben der Essstörung weitere Folgen des Mobbings?" Ich zuckte mit den Schultern. Gab es noch weitere ekelhafte Krankheiten, die ich hatte?

"Er hat riesige Vertrauensprobleme und eine Sozialphobie", erklärte Yoongi. "Man muss nur die Stimme erheben und er entschuldigt sich und erwartet automatisch, dass man ihm körperlich wehtut. Er traut sich nicht Körperkontakt mit anderen Menschen zu haben und hat große Angst mit seinen Mitmenschen zu interagieren. Sein Selbstbewusstsein ist, wie sie vermuten können, sehr niedrig."

Eine Weile war es still im Raum, lediglich das Kratzen von Frau Kims Kugelschreiber auf ihrem Schreibblock war zu hören.

Die Stille machte mich noch nervöser, als ich ohnehin schon war und fest biss ich mir auf die Unterlippe.

"Haben Sie schon mal über den Tod nachgedacht, Herr Park?" Die Therapeutin klang bei dieser Frage deutlich angespannt und auch der Ältere neben mir zuckte merklich zusammen.

"Ja", flüsterte ich. "A-aber nicht mehr", fügte ich hinzu. "Jetzt habe ich Yoongi."

Der Kopf des Braunhaarige fuhr zu mir herum. "Jimin" Er klang aufgelöst.

"Das ist gut, dass sie nicht mehr darüber nachdenken. Sie sind ein starker Mann, Herr Park", lächelte Frau Kim erleichtert.

Nicht wissend, was ich dazu sagen sollte, zuckte ich mit den Schultern.

"Okay mit den Fragen sind wir durch. Ich muss Sie jetzt noch wiegen."

Wiegen? Panisch schüttelte ich den Kopf.

"Es tut mir leid, Herr Park, das gehört dazu, damit ich einschätzen kann, wie schlimm es ist", erklärte die Therapeutin bedauernd. "Ich kann auch rausgehen. Sie müssen bitte ihre Klamotten bis auf die Unterwäsche ausziehen. Wenn es Ihnen angenehmer ist, müssen Sie die Zahl auch gar nicht lesen, das kann auch Ihr Freund machen."

Ich wollte weinen. Es war ein Fehler gewesen hier hin zu kommen! Sie wollten mich wiegen und dann würden sie mir mein Gewicht unter die Nase reiben und mir sagen, wie dick ich doch war.

"Okay."

Frau Kim holte eine Waage. "Ich gehe jetzt raus, okay?", fragte sie sanft und mechanisch nickte ich.

Mit einem dumpfen Knall fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

"Na komm, bringen wir es hinter uns." Yoongi löste seine Hand aus meinem festen Griff und strich mir liebevoll über die Wange.

"Ich will nicht", hauchte ich. "Ich weiß. Aber wir machen das ganz schnell, ja? Und danach gehen wir zu mir, kuscheln und schauen einen Film."

Zögerlich nickte ich, eine Träne rollte über meine Wange. Der Ältere wischte sie weg und zog mir einen der beiden Hoodies, die ich mir von ihm geliehen hatte, über den Kopf. Der Zweite folgte. Sofort begann ich zu zittern.

"Willst du deine Hose selber ausziehen?"

Mit mechanischen Bewegungen streifte ich Hose und Schuhe ab und Yoongi half mir auch das T-Shirt über den Kopf zu ziehen.

Er zog mich zur Waage und mit zusammengekniffenen Augen stellte ich mich drauf.

Doch ich wollte es irgendwie wissen. Wie fett war ich? Also öffnete ich die Augen wieder und sah auf die Zahl, die zwischen meinen Zehen angezeigt wurde. 41,5 kg.

Erleichtert holte ich Luft. Ich war nicht mehr fett! Das letzte Mal, als ich mich gewogen hatte, hatte ich 65 Kilo gewogen, danach hatte ich mich aus Selbstekel nicht mehr getraut mich auf die Waage zu stellen.

Yoongi zog mich wieder von dem Wiegegerät und ich fand mich in seinen Armen wieder.

"Das hast du gut gemacht, ich bin stolz auf dich", wisperte er in mein Ohr und stumm nickte ich.

"Soll ich dir auch beim Anziehen helfen?"

Wenig später saßen wir wieder gegenüber von Frau Kim, die mein Gewicht mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck eintrug.

"Das war es dann für heute. Ich werde einen Therapieplan erstellen, den ich Ihnen beim nächsten Mal vorstellen werde, in Ordnung?"

Erleichtert nickte ich.

Mit ernster Miene sah sie mir in die Augen und ich sah ein trauriges Funkeln in ihrem Blick. "Ich bin froh, dass Sie sich entschieden haben sich Hilfe zu holen. Das war ein sehr mutiger Schritt!"

Aber ich war doch gar nicht mutig! Ich war schwach und erbärmlich.

Meine Hand griff wieder nach Yoongis und ich nickte der Therapeutin zu. "Bis nächstes Mal." Sie schenkte mir ein nettes Lächeln.

𝐒𝐄𝐋𝐅 𝐂𝐎𝐍𝐅𝐈𝐃𝐄𝐍𝐂𝐄 【𝐘𝐨𝐨𝐧𝐦𝐢𝐧】 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt