Kapitel 2

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Severus

Noch bevor der Morgen graute war ich wach. Wie immer eigentlich. Man könnte meinen es lag daran, das alles ruhig und friedlich war zu dieser Stunde. Doch die Wahrheit war, auch nach all den Jahren Frieden konnte ich nicht schlafen. Die Nacht vorüber zu bringen war eine einzige Qual und ich war beinahe erleichtert, wenn ich es hinter mir hatte.

Grimmig sah ich mein Spiegelbild an. Bei meinem Anblick glaubte doch niemand das ich wirklich erst 42 war. Ich sah gut und gerne zehn Jahre älter aus. Woran mein Schlafmangel sicher nicht unschuldig war. Seufzend zog ich mich aus und trat unter die Dusche. Das kühle nass half mir mich etwas besser zu fühlen - wenn auch nicht sehr.

Die letzten Jahre waren merkwürdig. Ich war ein freier Mann. Doch es fühlte sich falsch an. Ich konnte damit nicht direkt umgehen. Ertrug die Umgebung nicht, mit all ihren Erinnerungen. Wollte nicht nach Hogwarts zurück - jedenfalls nicht so schnell. Ich wollte alleine sein, verarbeiten was geschehen war. Und darüber nachdenken was ich nun wollte. Hatte ich mir doch nie die Zeit genommen wirklich darüber nachzudenken. Damals war ich jung und dumm und gekränkt, geblendet von der Macht und den Möglichkeit, der Anerkennung. Er hatte mein Leben bestimmt. Und danach. Danach war es meine Lebensaufgabe auf den Jungen an Stelle Lilys aufzupassen - so, dass es keiner merkte.

Und dann vor fünf Jahren? War all das weg. Voldemort ein für allemal besiegt. Und der Junge in Sicherheit. Und er war so viel stärker, als viele geglaubt hatten.

Also stand ich da. Alleine. Und wusste nichts mit meinem Leben anzufangen. Ich war 37, fühlte mich aber deutlich älter. Erschöpft. Ausgesaugt. Und ich wollte weg.

Meine erste Station war Godric's Hollow gewesen. Nachts und alleine stand ich vor ihrem Grab. Bat sie um Verzeihung und hoffte sie hatte nun ihren Frieden, da Harry außer Gefahr war. Stumm bat ich sie um Rat. Um einen Hinweis, was ich nun machen sollte. Wo ich hingehen sollte. Was das Leben noch bereit hielt für jemanden wie mich.

Und bei all den Pflichten, all der Verantwortung, die ich mir aufgebürdet hatte. Bei der Fassade, die ich versucht hatte aufrecht zu erhalten. Da hatte ich eins vergessen: den Menschen, der mir am wichtigsten war, zu betrauern. Nie hatte ich mir die Zeit eingestanden sie einfach nur zu vermissen. Nie erlaubt wirklich Tränen zu vergießen. Für den Verlust der einzigen Frau, die ich je geliebt hatte. Den Verlust meiner besten Freundin. Also stand ich dort vor ihrem Grab und erlaubte mir das erste Mal seit ihrem Tod, zu trauern. Wie ein kleines Kind heulte ich. Sank nieder auf die Knie und wünschte ich hätte sie damals retten können. Und nicht das erste Mal hasste ich mein jüngeres Ich für seine Entscheidungen. Für seine Torheit. Für sein krankes Verlangen nach Anerkennung.

Du musst dir vergeben können, Sev.

Hörte ich Lilys Stimme in meinem Kopf. Und ich wusste sie hatte recht. Wusste, wenn ich wirklich leben wollte, konnte ich nicht länger an Vergangenes festhalten. Jedenfalls nicht so. Also entschloss ich mich zu dem einzig Sinnvollen, was mir in dem Moment in den Sinn kam: Ich ging weg. Ich verließ das Land, meine Heimat.

Nach drei Jahren des Reisens hatte ich zum größten Teil Frieden mit meiner Vergangenheit geschlossen und erkannte, dass ich zurück nach Hogwarts wollte. Minerva empfang mich mit offenen Armen, die mich sprachlos machten.

Aber da mein Leben offenbar zu friedvoll schien, beschloss irgendwer, dies zu ändern. Plötzlich, kurz nachdem ich wieder auf Hogwarts war, fing es an. Ein leichter Schmerz. Ein Gefühl der Leere in mir. Ein Schreien, das erhört werden wollte. Meine Seele war auf der Suche. Meine Seele vermisste und verlangte nach jemanden. Doch ich wusste nicht, wer. Und ich wusste auch nicht, ob ich bereit dafür war. Daher ignorierte ich es.

Rastlos - bis ich dich findeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt